Facebook, Google und Co.

Gewinnorientierte Zentralbanken des Datenhandels

Ein Wandbild an einer Hauswand im Stadtteil Lavapiés von Madrid zeigt ein Gesicht und die Aufschrift "Facebook is watching" in Anspielung auf den von George Orwell in seinem Roman "1984" geschrieben Satz "Big Brother is watching you".
Gilt statt "Big Brother is watching you", wie im Orwells Roman "1984" vorhergesehen, nicht schon längst "Facebook is watching you"? © dpa / Fabian Stratenschulte
Überlegungen von Adrian Lobe · 15.10.2018
Wer Google, Facebook und Co. nutzt, zahlt kein Geld, aber wird komplett durchleuchtet. Als eine Art "Zentralbanken des Datenhandels" verhökern die Unternehmen unsere Daten an Anzeigenkunden. Das kommt uns teuer zu stehen, meint Journalist Adrian Lobe.
"Facebook ist und bleibt kostenlos." Mit diesem Slogan bewirbt Facebook sein soziales Netzwerk. Der Nutzer zahlt nicht mit Geld, sondern mit seinen Daten: Sie sind die Leitwährung des Digitalkapitalismus. "Daten sind das neue Öl", raunt man sich auf Start-up-Konferenzen und Kongressen seit Jahren zu. Unter Analytics-Firmen, die mit algorithmischen Werkzeugen riesige Datenmengen schürfen, ist Goldgräberstimmung ausgebrochen. Aus ein paar Likes und Suchfragen lassen sich psychografische Profile erstellen: Wie konsumfreudig ist der Nutzer? Welche sexuelle Orientierung hat er? Wie reagiert er auf konservative Posts?

Algorithmen durchleuchten Nutzer unentwegt

Algorithmen kennen die Nutzer mittlerweile besser als diese sich selbst. Man kann sich Facebook als eine virtuelle Shopping-Mall vorstellen, wo Softwareagenten permanent den Kommunikationsverkehr mitlesen und Überwachungskameras Nutzer per Gesichtserkennung identifizieren. Jedes Mal, wenn man ein Schaufenster passiert, leuchtet hyperindividualisierte Werbung auf. Facebook-Chef Mark Zuckerberg, der gern den Wert der globalen Community beschwört, ist ein Seelenverkäufer, der seine Schäflein meistbietend an Anzeigenkunden verkauft. Werbeeinnahmen im Jahr 2017: 40 Milliarden Dollar.

Google gleicht einem Postamt ohne Briefgeheimnis

Auch Google verdient sein Geld mit dem Prinzip: Erst den Nutzer durchleuchten, dann personalisierte Werbung schicken. Das funktioniert beängstigend gut. Wenn man die Buchungsbestätigung einer Pauschalreise an sein Googlemail-Postfach schickt, scannen Algorithmen den Inhalt und verknüpfen im Kartendienst automatisch Zeit und Ort.
Die Folge: Wer zum Beispiel sein gebuchtes Hotel an der Algarve auf Google Maps anschauen möchte, findet dort zu seiner Verwunderung gleich den vorher gebuchten Reisezeitraum. Das heißt: Google weiß, wann und wo seine Nutzer sind, was sie dort tun, wohin sie fahren, in welches Restaurant sie gehen und was sie suchen.
Der Internetkritiker Evgeny Morozov verglich Google einmal mit einem digitalen Postamt: Statt einen Brief mit Briefmarken zu frankieren und dafür zu bezahlen, überträgt man das Geschäft des Post- und Fernmeldewesens einem Werberiesen, der automatisiert Briefe öffnet, den Inhalt liest und zum Schluss Reklame beilegt. Das ist eine flagrante Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses. Sie wird aber von den meisten stillschweigend akzeptiert, weil das Verschicken kostenlos ist.

Masse der Online-Identitäten bringt Milliardengewinne

Angesichts der milliardenschweren Umsätze von Apple, Google und Co. erstaunt, wie wenig Daten auf den ersten Blick wert sind. Zwischen 170 und 250 Dollar beträgt der Werbewert eines Facebook-Profils, haben Ökonomen ausgerechnet. Der Profit entsteht durch die Masse: Facebook hat zwei Milliarden Nutzer, Apple 1,3 Milliarden Gerätenutzer, Googles Betriebssystem Android nutzen weltweit eine Milliarde Menschen. Online-Identitäten sind Massenware. Und weil Daten im Gegensatz zu Öl ein ständig nachwachsender Rohstoff sind, können Tech-Konzerne Daten zu immer mehr Informationen raffinieren.

Nutzer von Google und Co. zahlen einen hohen Preis

Google, Facebook und Co. sind quasi die Zentralbanken des Datenhandels allerdings gewinnorientiert. Sie bestimmen die soziale Bonität ihrer Nutzer, und sie regulieren mit ihrer Politik der billigen Aufmerksamkeit die Datenströme im Netz. Mit der Anmeldung bei Google oder Facebook nehmen Verbraucher eine Anleihe auf ihr Subjekt auf: Sie verschulden sich mit ihren Daten, die als Kreditverbriefungen an Datenbroker weiterverkauft werden. Denn: ohne Daten kein Service. De facto zahlen die Nutzer also einen hohen Preis.

Adrian Lobe, Jahrgang 1988, hat in Tübingen, Heidelberg und Paris Politik- und Rechtswissenschaft studiert. Seit 2014 arbeitet er als freier Journalist für diverse Medien im deutschsprachigen Raum, unter anderem "Die Zeit", FAZ, NZZ, "Süddeutsche Zeitung". 2016 wurde er für seine Artikel über Datenschutz und Überwachung mit dem Preis des Forschungsnetzwerks "Surveillance Studies" ausgezeichnet. Er ist zudem Träger des Georg von Holtzbrinck Preises für Wissenschaftsjournalismus.

Adrian Lobe
© privat
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