20 Jahre Facebook

Wir sind immer noch Freunde

Am Eingang zum Meta-Hauptquartier in Menlo Park prangt noch das alte Facebook-Icon, der nach oben gereckte Like-Daumen auf hellblauem Grund.
Facebook hat sich verändert: Früher wurden Beziehungsstatus und private Fotos geteilt, heute werden in geschlossenen Gruppen Ideen und Tipps unter Fremden ausgetauscht. © AFP / Robyn Beck
Von Maja Fiedler · 03.02.2024
Vor 20 Jahren ging Facebook an den Start. Autorin Maja Fiedler erzählt ihre persönliche Nutzungsgeschichte der Plattform: vom sorglosen Teilen privater Informationen zum Rückzug in den Gruppenchat.
Ich weiß, Facebook ist inzwischen nicht mehr hip. Eher was für Oma und Opa. Und trotzdem bin ich mit Mitte 30 immer noch dabei. Das Netzwerk und ich wir waren mal sehr dicke. Damals, frisch rübergewechselt von StudiVZ, waren die Möglichkeiten faszinierend, durch Fotos und Kommentare in die Welt von Freunden und Bekannten einzutauchen. Wir ahnten nichts von der Macht, die Facebook einmal haben könnte.

Weltweit mit Freunden vernetzt

Ich habe es geliebt, mich mit Urlaubsbekanntschaften weltweit vernetzen zu können. Ohne Facebook hätte ich wahrscheinlich nicht den Erasmus-Studenten aus meinem Politikseminar bei seiner Familie in Spanien besucht. Ich wäre nicht mit meinem Airbnb-Host in Argentinien zusammen durch Kolumbien gereist. Vernetzt über Facebook, in Kontakt geblieben über den Messenger, die Freundschaft auf einem Bild in der Timeline verewigt. Reales Erleben und digitaler Austausch waren damals eng verwoben.
Noch heute gratulieren wir uns zum Geburtstag. Und auf gewisse Weise habe ich ein Stück ihrer Welt mit nach Hause genommen und bekomme sie bis heute regelmäßig in meine Timeline gespült.
Eine Teenagerin schaut auf ihren Laptop, auf dem ihr Facebook-Profil angezeigt wird.
In den 2000er-Jahren ließ Facebook Konkurrenten wie MySpace hinter sich und wurde zum bevorzugten Online-Treffpunkt von Teenagern auf der ganzen Welt.© Getty Images / Chris Jackson

Heute weniger privat

Zugegeben, Facebook sieht heute ganz anders aus als noch vor 20 Jahren. In der Anfangszeit habe ich mich auf einen Kaffee mit Freunden öffentlich bei Facebook verabredet. Wir haben unseren Beziehungsstatus und unsere Launen geteilt. Undenkbar heute, Privatsphäre und so. Das Digitale hat ein Eigenleben entwickelt. Wir posten nichts Privates mehr. Politische Statements wie „Je suis Charlie“ sind eine Zeit lang kursiert. Aber inzwischen sind die Profilbilder teilweise mehrere Jahre nicht aktualisiert worden.
Eine Ausnahme ist, wenn manch einer, frisch getrennt, die Story nutzt, das neue wunderschöne Ich zu zeigen. Oder wenn auf einmal kleine Kinderhände im Profilbild erscheinen. Aber das sind wirklich Ausnahmen. Da ist das Whatsapp-Bild sehr viel eher aktualisiert.

Der neue Gruppensog

Natürlich ist da auch all der Hass, den Facebook schürt. Im Laufe der Jahre habe ich toxische Personen entfreundet. Ich habe die Gruppen verlassen, in denen Menschen ihre Meinungen in die Welt pusten, ohne sich für Antworten zu interessieren.
Aber Facebook hat auch noch andere Seiten, die ich gerade immer mehr entdecke. Eltern-Gruppen zum Beispiel. Hier finde ich Antworten auf Fragen, die ich vorher nicht hatte: Wo sind die schönsten Kinderspielplätze in meiner Stadt? Welche Faschingskostüme lassen sich in 20 Minuten basteln? Wie lassen sich Quetschie-Deckel upcyceln? Sehr unterhaltsam und teilweise inspirierend. Am schönsten finde ich die Kommentare darunter.
Erstaunlich zivilisiert wird darüber diskutiert, warum es nicht sinnvoll ist, Quetschiedeckel als Steckdosenschutz zu verwenden. Ob ein Wochenplan für 2,5-Jährige vielleicht zu früh ist oder in der Weihnachtszeit, ob das Kind wirklich Geschenke im Adventskalender, vom Wichtel und auch vom Nikolaus braucht. Und wenn ja, welche das dann sein könnten. Sogar Papas klinken sich da mit Fotos ihrer Heimwerker-Projekte ein, herrlich!
Nahaufnahme eines Smartphones, auf dem sich jemand via Facebook Marketplace das Inserat eines Autos anschaut.
Heute steht das Nachbarschaftliche bei der Nutzung von Facebook im Vordergrund: Viele fachsimpeln in spezialisierten Gruppen, kaufen und verkaufen Dinge über den Marketplace.© AFP / Nic Coury

Filterblasen platzen lassen

Highlight ist für mich, wenn solche Facebook-„Nachbarschaftstreffs“ in ernsten Gesprächen enden. Als eine anscheinend junge Mama den Kommentar „Jedem das seine“ absetzte und von einer anderen sehr freundlich darauf hingewiesen wurde, dass dieses Motto von den Nationalsozialisten am Eingangstor des KZ Buchenwald angebracht wurde.
Da hagelte es keine Hasstiraden, sondern die junge Mama ruderte sofort zurück und bedankte sich für den Hinweis. Sie habe das einfach nicht gewusst. In ihrem Umfeld hätte ihr das vielleicht auch niemand gesagt.
Eine andere Mama schrieb mitten in der Nacht in gebrochenem Deutsch, sie habe Blutungen. Direkt antworteten mehrere Ärztinnen und gaben Tipps und beruhigten sie sehr einfühlsam. Wir alle leben in unseren Filterblasen und es ist schwer, sie zum Platzen zu bringen. Dafür sorgen vor allem auch digitale Netzwerke wie Facebook selbst. Aber diese Facebook-Gruppen schaffen für mich ein Stück weit das Gegenteil und geben mir Einblicke in ganz andere Lebenswelten.
Fazit: Für mich schafft es Facebook nach wie vor, mir Neues anzuzeigen. Weniger laut und schnell als Tiktok. Und nicht so gewollt wie bei Instagram. Mal schauen, was da noch so wartet. Vielleicht schaffe ich es auch noch in die „Rentner/innen helfen Rentner/innen“-Gruppe.
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