"Face to Face"

Von Peter Kaiser |
Die Nachricht scheint wie der Werbeslogan für einen Kino-Thriller á la "Im Körper meines Feindes". Die polnische Ärztin Maria Siemionow wird die weltweit erste Gesichtstransplantation in Cleveland, Ohio, vornehmen, die Erlaubnis dazu hat sie schon.
Für Menschen, die durch Tumore, Unfälle oder Brandschäden mit schweren Gesichtsentstellungen den Alltag überstehen müssen, ist eine solche Meldung wie ein Hoffnungsschimmer. Eine Gesichtstransplantation aber ist alles andere als einfach. Wie so oft, stecken die wirklichen Schwierigkeiten in den Details.
Prof. Bodo Hoffmeister, Gesichtschirurg an der Berliner Charité.

Prof. Hoffmeister: "Man muss sich einmal vorstellen, wovon wir eigentlich sprechen. Solch eine Transplantation würde in einem zeitlichen Volumen von etwa 24 bis 36 Stunden ablaufen müssen. Und das heißt, es müssen sämtliche Gesichtsnerven wieder angeschlossen werden. Es müssen die Gefäße angeschlossen werden. Das ist eine Fülle von kleinen technischen Details, die aber sehr viel Zeit brauchen. Und darüber muss man erstmal reden. Das zweite Problem ist natürlich die Akzeptanz des Organismus. (…) die Patienten müssten lebenslang Medikamente zu sich nehmen, die im Prinzip ihr Immunsystem, zwar nicht so ganz stark wie früher, aber dennoch unterdrücken. Und (…) da wissen wir eigentlich auch noch nicht, was nach 30, 40 Jahren da passiert. "

Die Transplantationsgegnerin Prof. Anna Bergmann war über die Meldung wenig erstaunt. Sie hält die Gesichtstransplantation insgesamt…

Prof. Bergmann: "…für eine logische Konsequenz der bisherigen Praxis der Transplantationsmedizin. Sie unterscheidet sich einzig dadurch, dass es jetzt auch Gewebeteile gibt, die eben außerhalb des Körpers transplantiert werden. Und das wird für die Umwelt sichtbar. Und was ist, wenn das nicht angenommen wird? Weder physisch noch psychisch? "

Dass das neue Gesicht vom Körper akzeptiert wird, sollen die gezielt eingesetzten Immunsupressiva garantieren, die der Patient lebenslang einnehmen müsste. Aufgrund der Praxis der bisherigen Organverpflanzungen aber weiß man, dass Immunsupressiva nicht immer zuverlässig sind. Will der Körper also das neue Gesicht nicht, kann man es dann wieder abnehmen und ein zweites, ein drittes annähen?

Prof. Hoffmeister: "Sehen Sie die Geschichte vor ein paar Jahren, da wurde eine Hand, ein Arm transplantiert. Wenn man das mal langfristig verfolgt, hat dieser Mann zwar eine Hand und einen Arm, aber der kann da weder fühlen, noch sonst irgendwie was mit machen. Das ist im Grunde eine bessere Prothese.(…) Und das Gleiche gilt ja für die Gesichtstransplantation. "

Selbst wenn der Körper sein neues Gesicht akzeptiert; was ist, wenn nicht alle Gesichtsmuskeln funktionieren, wie sie sollen? Wenn die Gesichtsmimik außer Kontrolle gerät, oder gar nichts passiert, und man mit einer Art "gut durchbluteten Maske" herumläuft? Und generell wirft eine Gesichtsverpflanzung die gleichen extremen ethischen Fragen auf, wie die Organverpflanzungen. Denn das Problem der Transplantationsmedizin ist ja…

Prof. Bergmann: "…dass man sich der Toten bedient, um Leben zu erhalten. Das ist bei der Gesichtstransplantation, bei der Handtransplantation und bei anderen Organtransplantationen grundsätzlich der Fall. Dass man durch die Verwertung der Toten sie dann auch eben wieder belebt, in Anführungsstrichen. "

Bodo Hoffmeister von der Charité meint, dass es sowieso seriöser ist, erst einmal Teilbereiche eines Gesichtes wie ein Kinn, Wangen etc. zu verpflanzen.

Prof. Hoffmeister: "Man sollte erstmal anfangen, ein Viertel oder ein halbes Gesicht zu transplantieren, und dann den Patienten helfen zu können. Dann ist nämlich der negative Ausgang, also wenn das nicht einheilt, auch nicht so dramatisch. Man muss sich einmal vorstellen: das wird dann nichts? "

Wie Christian Barnard, der in den 60er Jahren trotz aller Zweifel und negativer Vorhersagen das erste Herz erfolgreich verpflanzte, wagt sich auch Frau Siemionow an die komplizierte Gesichts-OP. Die blonde Medizinerin, die in Finnland und Polen studiert hat, verrät auf ihrer Homepage jedoch nicht, wer das erste Gesicht eines Toten bekommt und wieder belebt.