F. Scott Fitzgerald: Für dich würde ich sterben
Aus dem amerikanischen Englisch von Melanie Walz, Gregor Runge und Andrea Stumpf
Hoffmann und Campe, Hamburg 2017
496 Seiten, 25,00 Euro
Meister der Wehmut und Melancholie
Im Nachlass des US-amerikanischen Schriftstellers F. Scott Fitzgerald wurden 16 unveröffentlichte Erzählungen gefunden. Sie stammen aus einer Zeit, in der Fitzgerald nicht weiter wusste - und zeigen, was für ein meisterhafter Schriftsteller er war.
Er ist und bleibt ein Mann voller Überraschungen: F. Scott Fitzgerald, der als blutjunger Nobody über Nacht zum Kultautor der 1920er-Jahre avancierte und mit "Der große Gatsby" einen der schönsten Romane über die Vergeblichkeit der Liebe schrieb. Immer wieder taucht in den Archiven Unbekanntes auf. Erst 2016, mehr als siebzig Jahre nach seinem Tod, erschien zum ersten Mal eine skurrile Reisegeschichte aus seinen Anfängen.
Jetzt wurden im Nachlass sechzehn unveröffentlichte Erzählungen entdeckt. Sie stammen hauptsächlich aus der Zeit, als Fitzgeralds Stern im Sinken war, als seine Texte nicht mehr gedruckt wurden. "Zu trist, zu düster", so lautete das Urteil der auflagenstärksten Zeitung des Landes, die zuvor den Autor mit astronomisch hohen Honoraren verwöhnt hatte. Eine einzige Kurzgeschichte über glamouröse junge Frauen, Partys und den Jetset hatte ihm - auf heutige Verhältnisse umgerechnet - bis zu 50.000 Dollar eingebracht.
Großer Ironiker in schwerer Identitätskrise
Doch mit den 1930er-Jahren, nach dem Bankencrash, in der Zeit der Großen Depression, steckte er in einer schweren Identitätskrise: Er hatte keinen Lebensplan, jede Menge Schulden und ein erhebliches Alkoholproblem. Fitzgerald griff nach neuen Themen. Obwohl er dringend Geld brauchte, war er nicht zu Kompromissen bereit.
Er erzählt von jungen Leuten, die als Tramps durchs Land ziehen, weil sie keine Arbeit finden; von Bankern, die nach dem Crash in einer Nervenheilanstalt landen; von Frauen in prekären Berufen, die ihr Geld als Unterwäschevertreterin verdienen; von Armut, Ehescheidung und einsamen Nächten. Auch die Tage des Bürgerkriegs werden in einem grandiosen Rückblick beleuchtet.
Wunderbare Bilder, überraschende Wendungen
So wenig Fitzgerald zum Scherzen aufgelegt scheint, so düster die Motive auch sind, selbst in den schwächeren Texten blitzt der große Ironiker durch. Vor allem in der Gestaltung der Frauenfiguren. Wenn in "Auszeit von der Liebe" eine junge Frau auf einem wöchentlichen Ruhetag vom Eheleben beharrt, eine Sekretärin sich schlagfertig gegen ihren Schriftstellerboss durchsetzt, oder in "Die Perle und der Pelz" ein Mädchen, das auf einem Schulausflug mit dem Taxi durch New York gondelt, einen märchenhaft teuren Chinchilla gegen die Liebe eintauscht.
Nicht zufällig ist die schönste Erzählung die Titelgeschichte. Sie spielt in der Filmwelt. Seit Fitzgerald als Script-Doktor in Hollywood die Drehbücher anderer repariert, kennt er sich darin aus. Genau wie im Gefühlsleben junger, eigensinniger Frauen, die wie so oft bei ihm, müßiggängerisch tändelnd durchs Leben schlendern, sich in die unmöglichste Partie verlieben, um dann in einem ganz anderen den Mann ihrer Träume zu erkennen. Das ist voller wunderbarer Bilder, überraschender Wendungen, das ist allerbester Fitzgerald, dem Meister von Wehmut und tiefster Melancholie.