Das Album "Transangelic Exodus" erscheint heute. Ezra Furman gibt am 15.2.2018 in Berlin sein erstes Deutschlandkonzert.
Rockiger Roadtrip mit Engel
In "Transangelic Exodus" schickt Ezra Furman einen Engel und seinen Liebhaber auf die Reise. Musikalisch ist es die bislang beste Platte des Musikers aus Chicago. Darauf würzt er Garagenrock mit Queerness und einer Prise Religiosität.
Manchmal ist die schönste Eigenschaft eines Menschen das, was andere an ihm hassen, sagt Ezra Furman, 31, die schwarze Schminke um die Augen ein bisschen verrutscht. Das wohl Schönste am Protagonisten seines neuen Albums manifestiert sich in dessen Flügeln. Es geht um einen Trans-Engel.
"Transangelic Exodus" beginnt als Roadtrip. Der Engel flüchtet aus dem Krankenhaus, wo er sich wegen seiner neu gewachsenen Flügel hat versorgen lassen. Er trifft auf seinen Liebhaber und gemeinsam reisen sie quer durch die USA, immer auf der Hut vor der Polizei, denn die Regierung hat für Trans-Engel nichts übrig. Es liegt nahe, darin einen Kommentar auf den konservativen Backlash zu sehen, den die USA unter Trump erleben. Furman, der sich selbst als queer bezeichnet, wägt ab:
"In den großen, liberalen Städten der USA ist es in der Regel vollkommen okay, nicht heterosexuell zu sein oder sich über Geschlechternormen hinwegzusetzen. Und dann kriegt man mit, dass anderswo Trans-Menschen umgebracht werden. Das ist keine Seltenheit. Die Frage, da bin ich sicher, wird zum ständigen Begleiter."
Die üblichen Anfeindungen
Furmans Skepsis kommt nicht von ungefähr. Sein Großvater, eine polnischer Jude, konnte den Nazis nur knapp entkommen. Und weil Furman sich nicht wie ein typischer Mann anzieht, musste er die üblichen Anfeindungen über sich ergehen lassen. Als Musiker trägt er seine vermeintliche Andersartigkeit zur Schau. Er trägt Frauenkleider und Lippenstift, wirkt im Interview schüchtern, aber auf der Bühne und auf dem Album bellt er die Songs aus sich heraus.
"Am Ende schwebt Gott wie ein Luftballon"
Der verquere Glamour von Bowie, die Rockposen von Bruce Springsteen, die musikalische Lakonie von Lou Reed: Immer wieder klingen im Garagenrock von Ezra Furman die großen Vorbilder an. Mit Letzterem teilt er nicht nur die Queerness, sondern auch die Religiosität. An Freitagabenden zum Beispiel gibt Furman keine Konzerte, weil es der Sabbat verbietet. Ansonsten aber gingen Glaube und Pop gut zusammen, meint er:
"Der Glaube verleiht meinem Job sogar eine gewisse Würde. Denn man läuft ständig Gefahr, zum Alkoholiker oder Nihilisten zu werden. Ich schlafe oft wenig, und mir werden ständig Drogen angeboten. Da bin ich froh, mich an diesem dünnen Bindfaden festhalten zu können, an dessen anderem Ende Gott schwebt, wie ein Luftballon."
Gott und Queerness – auch das ist für Ezra Furman kein Widerspruch. Im Gegenteil: Ein Song auf dem neuen Album heißt "God lifts up the lowly" – Gott erhebt die Schwachen.
Symbolischer Schutzraum
Als Konzeptalbum ist "Transangelic Exodus" kein großer Wurf, weil die Geschichte nicht vorankommt. Außer, dass der Engel und sein Freund im Auto sitzen, passiert nicht viel. Musikalisch ist die Platte aber die bislang beste, weil dringlichste des Musikers aus Chicago. Und die Songs zeigen, was Pop im besten Fall sein kann: ein symbolischer Schutzraum für Menschen, die anderswo nicht dazugehören.
"Trotz der dunklen Zeiten, in denen wir leben, gibt es da diese Kraft, die in mir wütet. Und wenn ich mit Vehemenz singe, dass ich eine Schwuchtel auf Lebenszeit bin, ein Outsider und vogelfrei, dann ist das der Ausdruck meiner Kraft."