Ein Konflikt, der am Ende nur Verlierer kennt
Wer hat die Hoheit über europäische Grundsatzfragen? Diese Frage steht hinter der Verhandlung am Europäischen Gerichtshof über das umstrittene Anleihen-Ankaufprogramm der Zentralbank. Größter Kritiker: Deutschland - und das Bundesverfassungsgericht.
Es war heute eine juristische Auseinandersetzung mit längst verdrängten Zeiten. Im Sommer 2012 erreichte die Eurokrise ihren vorläufigen Höhepunkt – selbst ein Auseinanderbrechen der gemeinsamen Währung war plötzlich nicht mehr nur ein Albtraum, sondern möglich geworden. Und das wiederum war Anlass für die Europäische Zentralbank (EZB), ein höchst umstrittenes Werkzeug in die Hand zu nehmen.
Man werde den Euro mit allen Mitteln innerhalb des geltenden Mandats verteidigen, kündigte EZB-Chef Mario Draghi damals an. Notfalls auch durch den massiven Aufkauf von Staatsanleihen. Genau darüber und nur darüber wurde heute vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt. Dabei hat die Europäische Zentralbank seither zu weiteren, höchst unkonventionellen wie umstrittenen Maßnahmen gegriffen. Zuletzt mit der Ankündigung, demnächst auch Ramschpapiere aufzukaufen, um die Kreditvergabe in der Eurozone anzuschieben. Die EZB geht immer wieder bis an die Schmerzgrenze ihres Mandats.
Gerade Deutschland tut sich schwer
Gerade Deutschland tut sich deshalb extrem schwer mit dieser Zentralbank, die sich so gar nicht an die Prinzipien hält, an denen die Deutsche Bundesbank jahrzehntelang ihre Geldpolitik ausgerichtet hat. Andere Länder sehen das viel entspannter – auch das wurde in der heutigen Anhörung in Luxemburg über das umstrittene Ankaufprogramm für Staatsanleihen deutlich.
Doch selbst der Vertreter der Bundesregierung übte sich in Zurückhaltung. Von einem Aufschrei gegenüber der heiklen Rettungspolitik konnte keine Rede sein. Vielmehr warb der deutsche Vertreter für einen Ausgleich zwischen Unions- und nationalem Recht. Denn das ist sozusagen die zweite Ebene in dieser Auseinandersetzung.
Wer hat am Ende über die europäischen Grundsatzfragen zu entscheiden? Der EuGH oder eben doch das äußerst selbstbewusst auftretende Bundesverfassungsgericht - das sich auch bei dem Ankaufprogramm das Recht vorbehält, eine Beteiligung Deutschlands zu verbieten, sollten die Luxemburger Richter anders entscheiden als erwartet. Karlsruhe hat gegenüber der EZB-Politik große Vorbehalte erkennen lassen.
Am Ende nur Verlierer
Hier also könnte ein Rechtskonflikt entstehen, der am Ende nur Verlierer kennt. Denn die EU-Kommission hat heute erklärt, dass das Bundesverfassungsgericht das Luxemburger Urteil, das in gut einem Jahr vorliegen dürfte, nicht einfach wieder einkassieren kann. Eine neuerliche europäische Überprüfung wäre wohl unvermeidbar.
Diese drohende Auseinandersetzung mit Karlsruhe wird der EuGH bei seinem Urteil im Auge haben müssen. Deshalb spricht einiges dafür, dass Luxemburg die EZB-Politik nicht grundsätzlich gutheißen, sondern Beschränkungen fordern wird, etwa beim Volumen oder auch der Laufzeit des Ankaufprogrammes. Es geht also darum, den Vorrang der Geldpolitik, dem die EZB verpflichtet ist, weiter zu konkretisieren. Damit könnten am Ende alle ihr Gesicht wahren, das Bundesverfassungsgericht, die Europäische Zentralbank, aber auch der Europäische Gerichtshof.