Exzentriker auf Reisen
Sieben exzentrische Forschungsreisende aus dem späten 19. Jahrhundert präsentiert der schottische Historiker John Keay. Ihrer aberwitzigen Abenteuer wegen wurden die fünf Männer und zwei Frauen mal verlacht, mal bewundert. John McGregor, der Besessene, etwa paddelt durch den Suezkanal und trägt sein Kanu durch die Wüste, Isabelle Eberhardt, die Freidenkerin, zieht durch die Sahara und konvertiert zum Islam.
Das 15. und 16. Jahrhundert waren das Zeitalter der Entdeckungen. Amerika wurde entdeckt und erobert, der Seeweg nach Indien gefunden und erstmals die Welt umsegelt. Reisen in ferne Länder dienten im Wesentlichen zwei Zwecken: Es waren Pilgerfahrten oder Eroberungszüge. Später, im 18. und 19. Jahrhundert, kam durch Wissenschaftler wie Humboldt und Darwin ein neuer hinzu: die Forschungsreise, wobei auch schon damals oft Abenteuerlust und Suche nach Ruhm wichtiger als die wissenschaftliche Forschung waren.
Zwei Bemerkungen vorweg: das Buch bietet echtes Lesevergnügen. Der Engländer John Keay ist ein wunderbarer Erzähler und Norbert Hofmann ein ebenso guter Übersetzer. Nur: Warum hat der Verlag das Buch so schäbig gestaltet? Ein hässlicher, mittelbrauner, nichts sagender Umschlag, der zudem noch unterschiedliche Schrifttypen aufweist, im Innern einige schlecht gedruckte Fotos – wer das Buch im Laden sieht, möchte es nicht unbedingt in die Hand nehmen.
Er würde einiges verpassen. Die Bekanntschaft mit seinen sieben glorreichen Exzentrikern, mit von Keay gut recherchierten, oft ironisch gebrochenen Biographien, die von Fernweh, Eskapismus, Abenteuersucht, Sinnsuche und Geschäftssinn künden.
Die Protagonisten: John Mc Gregor, Philanthrop und Kanute, der Körperertüchtigung und Religion in eins setzte, das Kanu für sich entdeckte, Europa durchpaddelte und sogar den Suezkanal. Der Seemann John Dundas Cochrane, der Sibirien durchwanderte, der deutsche Forscher Ludwig Leichhardt, der vermutlich 1848 irgendwo in Zentralaustralien verschwand, Mary Henrietta Kingsley, die Westafrika durchstreifte, Arnold Henry Savage Landor, der fast die ganze Welt durchreiste, überall Expeditionen anführte und mit unerträglich viel Selbstbewusstsein darüber schrieb, Isabelle Eberhardt, die in Genf geboren und als Freidenkerin erzogen wurde, später zum Islam konvertierte und die Sahara liebte sowie Louis de Rougemont, der sich den Boom der Forschungs- und Reiseberichte zu Nutze machte und seine Abenteuer unter wilden Kannibalen in Westaustralien daher konsequent vermarktete – allerdings auch komplett erfunden hatte.
Über alle schreibt Keay, wie gesagt, gut recherchiert und oft pointiert. So heißt es über den angeberischen Savage Landor, der sich rühmte schon nach wenigen Monaten Unterricht an einer Privatschule vier Sprache gut zu sprechen, überall Klassenbester war und überhaupt das klügste und begabteste Kind aller Zeiten.
Keay sieht einen Zusammenhang zwischen den Reisezielen und den Autoren: „Die Schreibenden wählen sich ihre Landschaften und Orte.“
Neben den Biographien überzeugt das Buch vor allem dadurch, dass es immer wieder die Gattung des Reiseberichtes reflektiert. Keay beschreibt, wie das Genre immer beliebiger wurde, weniger ethnographisch präzise, geschrieben für ein Publikum, das süchtig nach „exotischem Fallobst“ – wie er es nennt – war und Geschichten wünschte, die unglaublich und erregend waren. Auch heute ist das nicht anders. Fast alle heutigen Reiseschriftsteller sind seiner Meinung nach im Grunde Romanciers, die Ereignisse verdichten, Orte und Gegenden neu zusammensetzen und mit den wunderlichsten Typen bevölkern.
Dabei – und das zeigt sein Buch – ist die Wirklichkeit doch schon bizarr und unterhaltsam genug.
Rezensiert von Günther Wessel
John Keay: Mit dem Kanu durch die Wüste – Sieben seltsame Forschungsreisende
Aus dem Englischen von Norbert Hofmann
Edition Tiamat, Berlin 2008
224 Seiten, 16 Euro
Zwei Bemerkungen vorweg: das Buch bietet echtes Lesevergnügen. Der Engländer John Keay ist ein wunderbarer Erzähler und Norbert Hofmann ein ebenso guter Übersetzer. Nur: Warum hat der Verlag das Buch so schäbig gestaltet? Ein hässlicher, mittelbrauner, nichts sagender Umschlag, der zudem noch unterschiedliche Schrifttypen aufweist, im Innern einige schlecht gedruckte Fotos – wer das Buch im Laden sieht, möchte es nicht unbedingt in die Hand nehmen.
Er würde einiges verpassen. Die Bekanntschaft mit seinen sieben glorreichen Exzentrikern, mit von Keay gut recherchierten, oft ironisch gebrochenen Biographien, die von Fernweh, Eskapismus, Abenteuersucht, Sinnsuche und Geschäftssinn künden.
Die Protagonisten: John Mc Gregor, Philanthrop und Kanute, der Körperertüchtigung und Religion in eins setzte, das Kanu für sich entdeckte, Europa durchpaddelte und sogar den Suezkanal. Der Seemann John Dundas Cochrane, der Sibirien durchwanderte, der deutsche Forscher Ludwig Leichhardt, der vermutlich 1848 irgendwo in Zentralaustralien verschwand, Mary Henrietta Kingsley, die Westafrika durchstreifte, Arnold Henry Savage Landor, der fast die ganze Welt durchreiste, überall Expeditionen anführte und mit unerträglich viel Selbstbewusstsein darüber schrieb, Isabelle Eberhardt, die in Genf geboren und als Freidenkerin erzogen wurde, später zum Islam konvertierte und die Sahara liebte sowie Louis de Rougemont, der sich den Boom der Forschungs- und Reiseberichte zu Nutze machte und seine Abenteuer unter wilden Kannibalen in Westaustralien daher konsequent vermarktete – allerdings auch komplett erfunden hatte.
Über alle schreibt Keay, wie gesagt, gut recherchiert und oft pointiert. So heißt es über den angeberischen Savage Landor, der sich rühmte schon nach wenigen Monaten Unterricht an einer Privatschule vier Sprache gut zu sprechen, überall Klassenbester war und überhaupt das klügste und begabteste Kind aller Zeiten.
Keay sieht einen Zusammenhang zwischen den Reisezielen und den Autoren: „Die Schreibenden wählen sich ihre Landschaften und Orte.“
Neben den Biographien überzeugt das Buch vor allem dadurch, dass es immer wieder die Gattung des Reiseberichtes reflektiert. Keay beschreibt, wie das Genre immer beliebiger wurde, weniger ethnographisch präzise, geschrieben für ein Publikum, das süchtig nach „exotischem Fallobst“ – wie er es nennt – war und Geschichten wünschte, die unglaublich und erregend waren. Auch heute ist das nicht anders. Fast alle heutigen Reiseschriftsteller sind seiner Meinung nach im Grunde Romanciers, die Ereignisse verdichten, Orte und Gegenden neu zusammensetzen und mit den wunderlichsten Typen bevölkern.
Dabei – und das zeigt sein Buch – ist die Wirklichkeit doch schon bizarr und unterhaltsam genug.
Rezensiert von Günther Wessel
John Keay: Mit dem Kanu durch die Wüste – Sieben seltsame Forschungsreisende
Aus dem Englischen von Norbert Hofmann
Edition Tiamat, Berlin 2008
224 Seiten, 16 Euro