Exzellenzinitiative

Bundes-Unis sind "keine besonders gute Idee"

Der Schriftzug "Johann Wolfgang Goethe-Universität" auf dem Campus Westend in Frankfurt am Main über dem Eingang zum Hauptgebäude.
Bundes-Unis als Alternative zu den Traditions-Universitäten? © picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst
Bernhard Kempen im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 03.03.2016
Elite-Unis in Trägerschaft des Bundes? Davon hält der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Bernhard Kempen, nicht viel: Die Bundes-Uni sei politisch und rechtlich schwer umsetzbar. Er plädiert für dezentrale Förderung exzellenter Fakultäten.
Derzeit wird wieder einmal die sogenannte "Bundes-Universität" diskutiert. Der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Bernhard Kempen, sieht darin "keine so besonders gute Idee".
Kempen verweist auf rechtliche und politische Hürden, die der Gründung solcher Bundes-Universitäten entgegenstehen. So erlaube das Grundgesetz zwar eine Bundesförderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre von überregionaler Bedeutung. Falls solche Vereinbarungen aber im Schwerpunkt die Hochschulen betreffen, bedürften sie der Zustimmung aller Bundesländer. "Und wir können uns leicht ausrechnen, dass die Länder, die da nicht bedacht sind, auf deren Territorium eine solche Bundes-Uni dann nicht stehen wird, dass die nicht gerade begeistert sein werden", so der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes.

Auch an "Rand-Unis" kann exzellente Wissenschaft entstehen

Kempen plädierte stattdessen für eine "Förderung einer dezentralen Wissenschaft, die an vielen Standorten ganz Hervorragendes leisten kann". Auch an "Rand-Universitäten" könne exzellente Wissenschaft entstehen, sagte er. "Wissenschaft braucht Fakultäten, die braucht leistungsfähige Einheiten, die braucht supergute Professoren und Professuren. Aber sie braucht nicht unbedingt das glanzvolle Gesamtgebäude Universität."

Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Kultur und Bildung sind bekanntlich Ländersache, aber die Länder haben nicht genug Geld. Und die Hoffnungen auf eine Art deutsches Harvard sind groß und so gibt es immer wieder den Wunsch nach einer Bundesuniversität, wohin mehr Geld fließt und mehr möglich ist in Lehre und Forschung. Diese Hoffnungen bekommen immer neue Nahrung, zumal die Exzellenzinitiative im nächsten Jahr ausläuft. Bekommen wir also bald eine Bundesuniversität? Am Telefon ist jetzt der Kölner Jurist Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, schönen guten Morgen!
Bernhard Kempen: Guten Morgen!
von Billerbeck: Herr Professor Kempen, was halten Sie von der Idee?
Kempen: Na ja, also, eine Bundesuniversität wäre, glaube ich, keine so besonders gute Idee. Das ist aber auch nicht das, was momentan diskutiert wird, sondern diskutiert wird, dass ein kleinerer Kreis von Universitäten mit Bundesmitteln gestützt werden soll. Darüber kann man reden, dann ist die Frage, wie groß dieser Kreis sein soll. Momentan haben wir zehn oder zwölf Universitäten, die in der Spitzenliga spielen, und man kann natürlich darüber nachdenken, ob es klüger wäre, da nur fünf zu nehmen, aber das ist gar nicht so einfach zu beantworten.

Einer Bundes-Uni müssten alle Bundesländer zustimmen

von Billerbeck: Das Stichwort Bundesuniversität habe ich ja nur als Stichwort genommen, das muss ja nicht eine sein, das können fünf sein oder zehn. Wie sind denn die Möglichkeiten rechtlich, das überhaupt hinzukriegen, dass also der Bund auch dafür zuständig ist und da die schmale Möglichkeit nutzt? Das hat ja Annette Schavan schon gewollt und nun auch ihre Nachfolgerin im Bildungs- und Forschungsressort Johanna Wanka!
Kempen: Das ist gar nicht so einfach, weil die neue Grundlage des Artikels 91b Grundgesetz auch nicht alles erlaubt. Sie erlaubt Vereinbarungen über eine Bundesförderung in Fällen überregionaler Bedeutung von Wissenschaft, Forschung und Lehre. Wenn es um Vereinbarungen geht, die im Schwerpunkt Hochschulen betreffen – und darüber reden wir ja hier –, dann bedürfen solche Vereinbarungen der Zustimmung aller Bundesländer. Und das dürfte politisch schon schwierig werden.
Falls man also auf die Idee kommt, eine Handvoll Bundesuniversitäten zu bilden, die dann sozusagen in der Trägerschaft des Bundes stünden, dann bedürfte das der Zustimmung aller Länder. Und wir können uns leicht ausrechnen, dass die Länder, die da nicht bedacht sind, auf deren Territorium eine solche Bundesuni dann nicht stehen wird, dass die nicht gerade begeistert sein werden und möglicherweise ihre Zustimmung versagen werden. Also, ich halte das politisch für nicht sehr realistisch, dass es zu solchen Bundesuniversitäten kommt.

Vorbild ETH Zürich?

von Billerbeck: Mal abgesehen von dieser Frage, von der rechtlichen und von der politischen Durchsetzbarkeit stellt man sich natürlich die Frage: Was brächte es, wenn man fünf oder zehn solcher vom Bund finanzierten Universitäten installiert? Was brächte es der Forschung, der Lehre, was den Studierenden, was den Wissenschaftlerinnen?
Kempen: Ja, sagen wir mal so, man kann das studieren, etwa wenn man in die Schweiz schaut: Dort gibt es die ETH Zürich, …
von Billerbeck: Ah, die hätte ich gleich erwähnt, gut, dass Sie darauf kommen!
Kempen: … die in Bundesträgerschaft steht. Und die hat natürlich eine immense Vorbildfunktion. Das ist dann die Hochschule, auf die immer alle anderen zeigen, wenn es darum geht, dass sie unterfinanziert sind. Dann sagen die, seht ihr mal, so gut könnten wir auch sein, wenn wir die Millionen, man muss in dem Fall sogar Milliarden sagen, die diese Bundesuniversität hat. Also, die Vorbild- und Sogwirkung, die ist groß und insofern kann man das schon diskutieren.

"Wissenschaft braucht Fakultäten"

Aber ich bin insgesamt eigentlich der Meinung, dass wir von diesem Labelling, also dieser Etikettierung von einzelnen Hochschulen insgesamt als Gesellschaft gar nicht so viel haben. Dann haben wir eine Universität, die glanzvoll dasteht, auf die alle mit Bewunderung oder auch mit Neid schauen, aber die Wissenschaft findet nicht in einer Institution statt, sondern in ganz vielen. Es können auch, ich sage mal: am Rande, in Randuniversitäten, gewissermaßen im Verborgenen, da kann exzellente Wissenschaft entstehen.
Und darum geht es. Ich bin also stärker für eine Förderung einer dezentralen Wissenschaft, die an vielen Standorten ganz Hervorragendes leisten kann. Um mal ein Beispiel zu nennen: Die Geschichtswissenschaft, die muss nicht an einer supergroßen Elite-Uni stattfinden, sondern die kann auch in einer kleinen Universität stattfinden. Und so könnte ich Ihnen viele Beispiele machen, die übrigens auch heute der Realität entsprechen. Also, Wissenschaft braucht Fakultäten, die braucht leistungsfähige Einheiten, die braucht supergute Professoren und Professuren, also braucht nicht unbedingt das glanzvolle Gesamtgebäude Universität.

Deutsche Unternehmen spenden mehr an US-Unis

von Billerbeck: Weil Sie die ETH Zürich erwähnt hatten: Dieter Imboden, der langjährige Chef dieser Technischen Hochschule Zürich, der hat ja auch die Exzellenzinitiative in Deutschland bewertet und hat dann so ganz nebenbei gesagt, dass auch die ETH 50 Jahre gebraucht hat, um das zu erreichen, was sie jetzt erreicht hat. Die Frage ist ja auch, ob in Deutschland das Geld reicht: Solche riesigen Privatspenden, wie wir sie aus den Ivy Leagues kennen oder auch aus der Schweiz, die gibt es ja hier gar nicht!
Kempen: Nein, die gibt es nicht. Ich meine, da würden wir uns alle wünschen, dass da bei uns die Wirtschaft sich stärker engagiert, ich finde das immer peinlich, wenn ich höre, dass deutsche Großunternehmen in den USA mehr Spenden in die Wissenschaft geben als in Deutschland. Das finde ich irgendwie unpassend. Aber das ist ein anderes Thema.
Worüber wir ja auch reden müssen, ist, dass die sogenannte Exzellenzinitiative, die jetzt mit großem Aufwand in Gang gebracht werden wird in diesem Jahr, über welches Volumen reden wir denn da? Wir reden über ein Volumen, da würde Harvard oder auch schon die ETH Zürich nur gewissermaßen trocken die Achseln zucken und sagen, na ja, das ist so eine Summe, die haben wir insgesamt! Und ihr redet hier darüber, wie ihr die über zehn Jahre auf fünf oder zehn oder zwölf Universitäten verteilt!
Also, wir müssen da auch noch mal die Relationen richtigrücken. Es geht hier nicht um einen Megageldsegen, der den Universitäten bevorsteht, sondern es geht um vergleichsweise, ich will nicht sagen: kleine Brötchen, aber um überschaubare Summen.
von Billerbeck: Vielleicht um Brote.
Kempen: Ja.
von Billerbeck: Der Chef des Hochschulverbands Professor Bernhard Kempen war das über die Idee einer oder mehrerer Bundesuniversitäten. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Kempen: Gerne, danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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