Exzellenzinitiative

Ausweitung auf Lehre ist "problematisch"

Studenten sitzen am Campus Koblenz der Universität Koblenz-Landau im großen Hörsaal.
Studenten in einem Hörsaal © dpa / picture alliance / Thomas Frey
Sandro Philipi im Gespräch mit Dieter Kassel  · 30.10.2014
Gute Hochschullehre lässt sich nur schwer messen, sagt Sandro Philipi vom "freien zusammenschlusses von studentInnenschaften". Dass die sogenannte Exzellenzinitiative künftig nicht nur herausragende Leistungen in der Forschung, sondern auch in der Lehre fördern soll, sei deshalb bedenklich.
Dieter Kassel: Heute trifft sich die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz von Bund und Ländern zu einer Sitzung, in der es um die Zukunft der sogenannten Exzellenzinitiative geht. Wir erinnern uns: Mit dieser Initiative wurden bisher Universitäten und Forschungsverbünde gefördert, die besonders herausragende Leistungen in der Forschung bringen. Das soll jetzt nur noch eine von drei Fördermöglichkeiten sein, die Exzellenzinitiative soll künftig auch herausragende Leistungen in der Lehre ermöglichen. Die Meinungen von Politikern und Hochschuldirektoren zu diesem Thema werden Ihnen hier und anderswo jetzt sicherlich vermehrt dazu begegnen, wir wollen jetzt aber heute Morgen mit einem sprechen, den diese Idee zwangsläufig direkt betrifft. Sandro Philippi ist Mitglied des Vorstandes des „freien zusammenschlusses von studentInnenschaften" und er selbst studiert Geschichte, Psychologie und Philosophie in Konstanz. Schönen guten Morgen, Herr Philippi!
Sandro Philippi: Guten Tag!
Kassel: Wenn Sie hören, dass die Exzellenzinitiative sich jetzt auch um die Lehre kümmern will, sagen Sie dann eher: Super, besser spät als nie? Oder sagen Sie: Auch das noch?
Philippi: Na ja, erst mal ist es relativ positiv zu betrachten, dass auch Lehre jetzt bedacht wird. Es ist zwar fraglich, warum man Lehre und Forschung die ganze Zeit juristisch trennt, aber ansonsten ist es erst mal gut. Die Frage ist nur: Sind diese Konzepte, wie jetzt die Lehre gefördert wird, sinnvoll?
Kassel: Und da höre ich schon bei Ihnen heraus, Sie fürchten, die sind eventuell nicht sinnvoll.
Philippi: Ganz genau.
Kassel: Warum?
Philippi: Das Problem bei der Exzellenzinitiative, wie wir sie ja schon über die Forschung kennengelernt haben, war ja folgendes, dass der Großteil der Hochschulen da gar nicht vernünftig berücksichtigt wurde. Dass a) gar nicht viel mehr Geld ins System hineingespeist wurde, denn an anderer Stelle hat ja Geld gefehlt, also im Zuge des Kooperationsverbotes. Und im Zuge dessen, dass man die Grundausstattung nicht weiter erhöht hat von Hochschulen, oder nicht schnell genug erhöht, und das schon seit geraumer Zeit. Und auf anderer Seite natürlich dadurch, dass die Mittel verwettbewerblicht verteilt werden, also Hochschulen in unterschiedlichem Maße an diese Gelder herankommen und das auch nur unter beträchtlichem Kraftaufwand, nämlich dadurch, dass man Anträge schreibt et cetera pp. Und die Frage ist, ob dieser Wettbewerb sinnvoll ist beziehungsweise ob die Verteilungskriterien sinnvoll sind. In meinen Augen können sie das gar nicht sein und sind es auch nie gewesen.
Kassel: Aber gäbe es denn eine Möglichkeit, das sinnvoll zu gestalten? Ich meine, Exzellenz heißt ja zwangsläufig, dass man nicht 90 oder gar 100 Prozent der Universitäten so einordnet, sondern nur ein paar, das ist ja das Prinzip.
Philippi: Naja, das ist der Exzellenzbegriff, der gerade besteht. Man könnte das durchaus auch als qualitativen Begriff, der sich an absoluten Kategorien und nicht an relativen orientiert, betrachten. Man könnte ja auch sagen, dass Lehre dann exzellent ist, wenn sie die Voraussetzungen für kleine Gruppe, innovative Lernmethoden und Inhalte, die tatsächlich nah am Forschungsvorhaben dran sind, bietet. Und wenn das zum Beispiel der Fall wäre, dann könnte man ja genauso gut von einer sinnvollen, von einer exzellenten Lehre reden, wenn eine sich positiv von einer anderen unterscheidet. Was noch lange nicht heißt, dass sie gut ist, verstehen Sie, was ich meine?
Kassel: Ich verstehe, was Sie meinen. Aber ich stelle mir da eine Frage, die simpel ist, aber ich glaube, die Antwort ist es nicht: Wenn man jetzt die Exzellenzförderung in der Lehre ziemlich eins zu eins so machen wollte wie bisher die Exzellenzförderung in der Forschung, dann müsste ja auch vorher, dann müssen sich die Universitäten erst mal bewerben auf diese Förderung, vorher schon irgendwelche Maßstäbe haben, wie man Qualität der Lehre überhaupt beurteilt, also den Jetztzustand und welche Ziele man anstreben will. Wie hat man sich das vorzustellen? Wie kann man sagen – Beispiel –, in Konstanz ist die Lehre gut, in Münster ist die Lehre schlecht? Ohne jemanden zu beleidigen, es sind nur Beispiele. Wie will man das beurteilen?
"Wahrscheinlich getrennte Programme"
Philippi: Naja, ich bin der Meinung, dass diese Messverfahren, die es da gibt, relativ problematisch sind. Es gibt allerdings inzwischen ja einige. Also, man kann das an objektiven Indikatoren ... oder meint, das an objektiven Indikatoren festmachen zu können, das heißt zum Beispiel Gruppenrelation oder über eine Umfrage bei den Betroffenen, also indem man halt die Studierenden befragt. Man könnte das daran beurteilen, wie sozusagen der Arbeitsaufwand abgepasst ist auf die Inhalte oder ob die Methoden abgestimmt sind auf Inhalte. Das wären alles so Versuche. Das Problem ist, diese Versuche gehen natürlich immer an der Sache windschief vorbei, Sie können sie ja nicht selber erfassen. Das ist natürlich ein wissenschaftstheoretisches Problem generell, in dem Fall ist es aber hochproblematisch. Wahrscheinlich wäre sowieso das Einzige, was der Lehre einigermaßen zugute käme, ein solches System, in dem die Betroffenen, das heißt die Lehrenden – und zwar auch der Mittelbau, also nicht nur die Professorinnen und Professoren – und die Studierenden demokratisch darüber entscheiden, wie die Bedingungen ausgearbeitet sind, und zwar unter einer Bedingung, in der genug Geld für dieses System da ist.
Kassel: Fürchten Sie denn auch ... Es gab ja bisher durchaus die Befürchtung, die an einigen Stellen auch eingetreten ist, wenn es diese Exzellenzinitiative für Forschung gibt, dann wird es noch stärker so, dass viele Professoren, andere kaum noch Zeit für die Lehre haben und das auch gar nicht mehr interessant finden und dann forschen? Wenn es jetzt beides gibt, auch Exzellenz für die Forschung, glauben Sie, dass, wie Sie sich das ja wünschen, dann Forschung und Lehre auch wieder mehr Hand in Hand gehen, oder glauben Sie, es wird dann sogar noch mehr aufgeteilt?
Philippi: Na ja, prinzipiell werden das ja wahrscheinlich getrennte Programme sein und es kann durchaus sein ... Es ist schon davon auszugehen, dass sich das noch mehr aufspalten wird. Denn die normative Setzung für hochschulpolitische Akteure, die genau solche wettbewerblichen Programme immer wieder gefordert haben, war ja die, dass Hochschulen diversifiziert werden müssten. Das ist sozusagen das neoliberale Dictum, dass man, um Wettbewerb überhaupt erst herzustellen, um Wettbewerb überhaupt erst zu bekommen, muss man natürlich auch die Hochschulen in ein Setting versetzen und in eine Lage versetzen, in der sie überhaupt wettbewerbsfähig sind. Das heißt, dass sie auch unterschiedlich sind. Denn wenn alle Hochschulen gleich sind – und das war ja prinzipiell mal ein Anspruch in der hiesigen Hochschullandschaft –, dann können die auch nicht wirklich gut in Wettbewerb zueinander treten, sondern dann sind sie ja wirklich auch in allen Ergebnissen einigermaßen gleich.
Kassel: Aber ist nicht der Gedanke, dass sie nicht alle gleich sind, auch aus Sicht eines Studenten wie Ihnen, wenn man sich den Wettbewerb mal gar nicht hauptsächlich anguckt, sondern halt wirklich die Diversifizierung, gut? Ich meine, Sie werden sich auch irgendwie entschieden haben, dass Sie in Konstanz studieren wollen und nicht an einem anderen Ort, wo es Ihre drei Fächer ja auch gibt. Ist es nicht wünschenswert, dass nicht alle Unis von Flensburg bis München gleich sind?
Philippi: Was die inhaltliche Ausgestaltung betrifft, müssen sie natürlich nicht gleich sein, da ist es vollkommen in Ordnung, dass es Schwerpunkte und Profile gibt. Was die Güte betrifft beziehungsweise die Ausstattung, zum Beispiel in der Lehre, würde ich eigentlich dafür optieren, dass die durchaus gleich sein sollen. Die dürfen auch gerne in ihrer Ausstattung für Forschungsvorhaben einigermaßen gerecht ausgestaltet sein. Also zumindest bezogen auf die fachlichen Bedürfnisse oder die Forschungsbedürfnisse. Dass natürlich hochtechnisierte Fächer wahrscheinlich ein bisschen mehr Geld brauchen als Philosophie, oder auch Teile der Mathematik, das ist keine Frage.
Kassel: Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich danke Ihnen sehr, das war Sandro Philippi, selbst Student und Vorstandsmitglied beim Verein „zusammenschluss der studentInnenschaften", über die Pläne, die wahrscheinlich die Wissenschaftskonferenz – ziemlich sicher sogar – heute verkünden wird, nämlich die Exzellenzinitiative unter anderem auch auf die Lehre auszuweiten.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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