Explosion der Kreativität
Das Independent-Filmfestival BAFICI, das größte seiner Art in Lateinamerika, ist vor allem ein Schaufenster unkonventionellen, experimentellen, gewagten Kinos, für das sonst auf den Leinwänden von Buenos Aires wenig Platz ist.
Gestern Abend in Buenos Aires: Preisverleihung beim BAFICI, dem Internationalen Festival des Unabhängigen Films. Als bester Streifen des Internationalen Wettbewerbs wird der französische Dokumentarfilm "Qu’il reposent en révolte – des figures de guerres" ausgezeichnet. Regisseur Sylvain George verleiht darin einer Gruppe von Flüchtlingen in der Hafenstadt Calais Gesicht und Stimme. Den Preis für die beste argentinische Produktion erhält der Nachwuchsfilmer Nicolás Grosso für sein Erstlingswerk "La Carrera del Animal" – ein beklemmender Schwarz-Weiß-Film, in dem ein junger Mann mit den Folgen der Firmenpleite seines Vaters konfrontiert wird.
Nicolás Grosso: "Dieser Preis ist sehr wichtig für mich und mein Team, weil hier in Argentinien sehr viel persönlicher Einsatz und finanzielle Anstrengung notwendig sind, um einen Film zu drehen. Diese Anerkennung ermöglicht es uns vielleicht, einen neuen Film in Angriff zu nehmen, weiter Kino zu machen und hoffentlich bei Festivals im Ausland dabei zu sein."
… freut sich Jung-Regisseur Grosso. In Argentinien und ganz Lateinamerika boomt seit Jahren der Independent-Film. Neue Filmhochschulen und Studiengänge, neue Filmförderungs-Gesetze und Fonds, und nicht zuletzt die technologischen Entwicklungen haben die Kino-Produktion in den letzten Jahren in die Höhe schnellen lassen.
Seinen Film "La Carrera del Animal" drehte Nicolás Grosso mit Unterstützung seiner Universität, eines Kulturfonds und eigenen Ersparnissen:
"In Argentinien sind viele junge Leute fanatisch danach, Filme zu drehen. Europäer fragen uns oft: Wie macht ihr es, mit kaum Geld so viele Filme zu produzieren? Das ist zwar nicht ideal – ideal wäre es, zum Filmen mehr Geld zu haben –, aber es lässt sich durch die große Leidenschaft der Argentinier fürs Kino erklären."
Das Independent-Filmfestival BAFICI, das größte seiner Art in Lateinamerika, ist vor allem ein Schaufenster unkonventionellen, experimentellen, gewagten Kinos, für das sonst auf den Leinwänden von Buenos Aires wenig Platz ist. Nicht alles ist Low Budget und nicht alles ist lateinamerikanisch – in der riesigen Panorama-Sektion und verschiedenen Retrospektiven laufen neue und ältere Filme aus der ganzen Welt, darunter auch Werke sehr bekannter Regisseure. Für junge Filmemacher kann das BAFICI, das in diesem Jahr zum 13. Mal stattfand, ein Sprungbrett sein. Festivaldirektor Sergio Wolf:
"Viele lateinamerikanische Regisseure kommen lieber zum BAFICI, statt etwa nach Rotterdam zu fahren und ihren Film bei einem gigantischen Festival auf einem anderen Kontinent zu präsentieren. Denn auch hier schauen sich Produzenten, Verleiher und internationale Festival-Programmierer nach neuen Talenten um. Das BAFICI räumt dem Nachwuchs einen Platz ein und öffnet Türen in die internationale Welt des Films."
In Europa und den USA stößt das Cine Latinoamericano auf großes Interesse, wie Monika Wagenbach bestätigt. Sie ist Direktorin des Filmfestivals im kolumbianischen Cartagena und vertreibt lateinamerikanische Filme in New York:
"Wir erleben zur Zeit einen Moment der Erneuerung, eine Explosion der Kreativität. Was sind die Gemeinsamkeiten des lateinamerikanischen Independent-Kinos? Etwa gibt es viele Filme, bei denen Dokumentation und Fiktion nicht strikt voneinander getrennt sind. Dann ist da diese Notwendigkeit, das Hier und Jetzt zu zeigen, unsere Realität. Häufig ist auch die Arbeit mit nicht-professionellen Schauspielern, und sehr oft wird mit der Handkamara gefilmt. Erzählt werden intime, persönliche, individuelle Geschichten."
Beim diesjährigen BAFICI waren auch mehrere deutsche Produktionen zu sehen. Rainer Kirberg kam mit dem Kultstreifen "Die letzte Rache" aus dem Jahr 1981 im Gepäck und zeigte außerdem seinen neuesten Film "Das Schlafende Mädchen":
"Ich hab mich vor allem darüber gefreut, dass mein erster Film auf zum Teil enthusiastische Reaktionen gestoßen ist, was vielleicht daran liegt, dass er als ohnehin besonderer, aber auch als historischer Film so ein bisschen herausschlägt aus dem, was die zeitgenössische Stilistik im Independent-Film ist. Es ist ein ausgesprochen surrealer Film. Und im zeitgenössischen Film sind doch realistische Varianten des Filmstils absolut vorherrschend."
Kirberg war außerdem Mitglied der Jury im Avantgarde-Wettbewerb Cine del Futuro – Kino der Zukunft – und zeigte sich vom BAFICI insgesamt begeistert:
"Ich find' es ein wahnsinnig interessantes Festival, weil es im Unterschied zum Beispiel zu Berlin keine kommerziellen Sektionen hat. Und von daher eigentlich, was den Independent-Film angeht, schon rein quantitativ mehr zu bieten hat als Berlin. Ich denke, es ist ein ausgesprochen waches Festival, vom Publikum her, die Leute sind wirklich begierig auf neuen Film."
Die Erfahrung, auf ein besonders interessiertes, neugieriges und gebildetes Publikum zu stoßen, machte auch Thomas Heise. Er präsentierte in Buenos Aires seinen neuen, in Argentinien gedrehten Dokumentarfilm "Solarsystem" – über eine isoliert lebende Indio-Gemeinschaft in der nördlichen Provinz Salta, die Heise mehrere Monate lang in ihrem Alltag beobachtete:
"Es war das erste Mal, dass ich mich mit Themen und Leuten befasst habe, die nicht in irgendeiner Weise mit Deutschland zu tun haben. Ich habe 30 Jahre lang, sag ich mal, deutsche Geschichte betrieben, und habe auch sehr viel mit Sprache gearbeitet in den Filmen vorher. Und das ist jetzt ein Film, in dem nur Bilder erzählen, also ein Film, der viel mit Sehen zu tun hat."
Nicolás Grosso: "Dieser Preis ist sehr wichtig für mich und mein Team, weil hier in Argentinien sehr viel persönlicher Einsatz und finanzielle Anstrengung notwendig sind, um einen Film zu drehen. Diese Anerkennung ermöglicht es uns vielleicht, einen neuen Film in Angriff zu nehmen, weiter Kino zu machen und hoffentlich bei Festivals im Ausland dabei zu sein."
… freut sich Jung-Regisseur Grosso. In Argentinien und ganz Lateinamerika boomt seit Jahren der Independent-Film. Neue Filmhochschulen und Studiengänge, neue Filmförderungs-Gesetze und Fonds, und nicht zuletzt die technologischen Entwicklungen haben die Kino-Produktion in den letzten Jahren in die Höhe schnellen lassen.
Seinen Film "La Carrera del Animal" drehte Nicolás Grosso mit Unterstützung seiner Universität, eines Kulturfonds und eigenen Ersparnissen:
"In Argentinien sind viele junge Leute fanatisch danach, Filme zu drehen. Europäer fragen uns oft: Wie macht ihr es, mit kaum Geld so viele Filme zu produzieren? Das ist zwar nicht ideal – ideal wäre es, zum Filmen mehr Geld zu haben –, aber es lässt sich durch die große Leidenschaft der Argentinier fürs Kino erklären."
Das Independent-Filmfestival BAFICI, das größte seiner Art in Lateinamerika, ist vor allem ein Schaufenster unkonventionellen, experimentellen, gewagten Kinos, für das sonst auf den Leinwänden von Buenos Aires wenig Platz ist. Nicht alles ist Low Budget und nicht alles ist lateinamerikanisch – in der riesigen Panorama-Sektion und verschiedenen Retrospektiven laufen neue und ältere Filme aus der ganzen Welt, darunter auch Werke sehr bekannter Regisseure. Für junge Filmemacher kann das BAFICI, das in diesem Jahr zum 13. Mal stattfand, ein Sprungbrett sein. Festivaldirektor Sergio Wolf:
"Viele lateinamerikanische Regisseure kommen lieber zum BAFICI, statt etwa nach Rotterdam zu fahren und ihren Film bei einem gigantischen Festival auf einem anderen Kontinent zu präsentieren. Denn auch hier schauen sich Produzenten, Verleiher und internationale Festival-Programmierer nach neuen Talenten um. Das BAFICI räumt dem Nachwuchs einen Platz ein und öffnet Türen in die internationale Welt des Films."
In Europa und den USA stößt das Cine Latinoamericano auf großes Interesse, wie Monika Wagenbach bestätigt. Sie ist Direktorin des Filmfestivals im kolumbianischen Cartagena und vertreibt lateinamerikanische Filme in New York:
"Wir erleben zur Zeit einen Moment der Erneuerung, eine Explosion der Kreativität. Was sind die Gemeinsamkeiten des lateinamerikanischen Independent-Kinos? Etwa gibt es viele Filme, bei denen Dokumentation und Fiktion nicht strikt voneinander getrennt sind. Dann ist da diese Notwendigkeit, das Hier und Jetzt zu zeigen, unsere Realität. Häufig ist auch die Arbeit mit nicht-professionellen Schauspielern, und sehr oft wird mit der Handkamara gefilmt. Erzählt werden intime, persönliche, individuelle Geschichten."
Beim diesjährigen BAFICI waren auch mehrere deutsche Produktionen zu sehen. Rainer Kirberg kam mit dem Kultstreifen "Die letzte Rache" aus dem Jahr 1981 im Gepäck und zeigte außerdem seinen neuesten Film "Das Schlafende Mädchen":
"Ich hab mich vor allem darüber gefreut, dass mein erster Film auf zum Teil enthusiastische Reaktionen gestoßen ist, was vielleicht daran liegt, dass er als ohnehin besonderer, aber auch als historischer Film so ein bisschen herausschlägt aus dem, was die zeitgenössische Stilistik im Independent-Film ist. Es ist ein ausgesprochen surrealer Film. Und im zeitgenössischen Film sind doch realistische Varianten des Filmstils absolut vorherrschend."
Kirberg war außerdem Mitglied der Jury im Avantgarde-Wettbewerb Cine del Futuro – Kino der Zukunft – und zeigte sich vom BAFICI insgesamt begeistert:
"Ich find' es ein wahnsinnig interessantes Festival, weil es im Unterschied zum Beispiel zu Berlin keine kommerziellen Sektionen hat. Und von daher eigentlich, was den Independent-Film angeht, schon rein quantitativ mehr zu bieten hat als Berlin. Ich denke, es ist ein ausgesprochen waches Festival, vom Publikum her, die Leute sind wirklich begierig auf neuen Film."
Die Erfahrung, auf ein besonders interessiertes, neugieriges und gebildetes Publikum zu stoßen, machte auch Thomas Heise. Er präsentierte in Buenos Aires seinen neuen, in Argentinien gedrehten Dokumentarfilm "Solarsystem" – über eine isoliert lebende Indio-Gemeinschaft in der nördlichen Provinz Salta, die Heise mehrere Monate lang in ihrem Alltag beobachtete:
"Es war das erste Mal, dass ich mich mit Themen und Leuten befasst habe, die nicht in irgendeiner Weise mit Deutschland zu tun haben. Ich habe 30 Jahre lang, sag ich mal, deutsche Geschichte betrieben, und habe auch sehr viel mit Sprache gearbeitet in den Filmen vorher. Und das ist jetzt ein Film, in dem nur Bilder erzählen, also ein Film, der viel mit Sehen zu tun hat."