Experte rügt Merkels China-Politik als unklug und schädlich

Moderation: Marie Sagenschneider |
Der China-Berater der Europäischen Kommission, Thomas Heberer, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisiert. Der Empfang des Dalai Lama im Bundeskanzleramt Ende September markiere einen Strategiewechsel zu einer werteorientierten Außenpolitik.
Marie Sagenschneider: Im Deutschlandradio Kultur wollen wir nun mit Professor Thomas Heberer sprechen, er ist Berater der Europäischen Kommission in Sachen China und kehrt auch gerade von einer sechswöchigen China-Reise zurück, guten Morgen Herr Heberer.

Thomas Heberer: Guten Morgen, Frau Sagenschneider.

Sagenschneider: Kann man davon ausgehen, dass China sich rasch wieder einkriegen wird, oder haben wir es hier tatsächlich mit einem ziemlich tiefen Zerwürfnis zu tun?

Heberer: Also ich denke, es geht etwas tiefer. Vielleicht muss man einfach vorab noch mal sagen: Die zentrale Frage ist gar nicht das Treffen von Frau Merkel mit dem Dalai Lama, sondern dahinter scheint mir doch eine Veränderung oder ein Strategiewechsel der deutschen Außenpolitik zu stehen. Frau Merkel selber spricht ja von einer werteorientierten Außenpolitik, ähnlich wie die Vereinigten Staaten sie betreiben, und ich denke, dass ist ein neuer Schritt und ist eine Abkehr von der Außenpolitik von Gerhard Schröder oder von Kohl. Und China hat versucht, mit dem Merkel-Besuch im August ein neues Vertrauensverhältnis aufzubauen. Man ist da sehr weit gegangen, indem man ihr gestattet hat, vier oppositionelle Journalisten zu treffen, in einem öffentlichen Park mit der Bevölkerung zu diskutieren und das hat der chinesische Ministerpräsident damals im August gegen den Widerstand von vielen seiner Parteifreunde durchgesetzt – er gehört ja eher einer weichen Fraktion an – und jetzt sieht er darin einen Gesichtsverlust, in dem Treffen Merkels mit dem Dalai Lama, weil jetzt gesagt wird, wie konntest du damals nachgeben, jetzt zeigt sich ja, dass Frau Merkel gar nicht unser wahrer Freund ist. Und das geht natürlich tiefer, als man vielleicht denkt.

Sagenschneider: Und das heißt, man nimmt das in China dann zum Teil auch sehr persönlich, ja?

Heberer: Sehr persönlich, ein Gesichtsverlust und auf der anderen Seite ist Deutschland, das ja eine herausgehobene Stellung in China hatte und auf das man auch gehört hat, es gab ja sehr direkte Kontakte von Helmut Kohl und Gerhard Schröder zu den chinesischen Ministerpräsidenten, das dürfte jetzt erst mal etwas abgeschwächt worden sein.

Sagenschneider: Sie haben vorhin gesagt, Herr Heberer, die chinesische Führung hat versucht, ein neues Vertrauen aufzubauen. Das klingt so, als hätte da einiges im Argen gelegen vorher?

Heberer: Ja, Gerhard Schröder und Helmut Kohl haben eine Außenpolitik betrieben, die China einbinden wollte durch eher diskrete Menschenrechtspolitik, wenn man es mal so nennen kann. Und Frau Merkel ist ja nun sehr offen und direkt und diese Offenheit und Direktheit macht in China immer Schwierigkeiten, weil Offenheit und Direktheit ist nicht Teil der politischen Kultur. Und von daher hat man versucht nun mit Frau Merkel ein gewisses Vertrauensverhältnis zu finden, das diese Offenheit vielleicht etwas zurücknimmt und Gespräche eher im, sagen wir mal, Abgeschotteten trifft und dort die offenen Probleme, die zwischen Deutschland und China existieren, bespricht und nicht in der Öffentlichkeit.

Sagenschneider: Sie halten das dann nicht für klug, was Frau Merkel macht? Oder wird es sich langfristig möglicherweise dann doch auszahlen?

Heberer: Also außenpolitisch halte ich es nicht für klug. Ich denke, es hat keinerlei Effekt auf die chinesische Führung. Der Dalai Lama ist natürlich auch eine politische Figur und ist nicht nur eine religiöse Figur und wenn sie ihn im Bundeskanzleramt empfängt, hat das auch eine politische Bedeutung. Sie hat ihn ja nicht privat getroffen. Und von daher ist es eigentlich auch kein privates Gespräch. Ich denke, die Botschaft von Frau Merkel war, China möge mit dem Dalai Lama verhandeln, aber in dieser Hinsicht ist wenig dabei herausgekommen. Wie eine deutsche Zeitung schrieb, effektheischend aber wenig erfolgreich. Das heißt, es bringt wenig, richtet außenpolitischen Schaden an und mindert den Einfluss Deutschlands auf die chinesische Führung.

Sagenschneider: Aber das bedeutet letztlich, man kann China überhaupt nicht kritisieren.

Heberer: Man kann es kritisieren, aber vielleicht auf andere Weise. Jedem demokratischen Staat steht es natürlich offen, so zu handeln. Die Frage ist nur, ist es außenpolitisch klug? Wenn man auf diese Weise handelt – denn die Dalai-Lama-Frage ist international gesehen ja eher ein Nebenschauplatz – und deswegen meine These, dass eigentlich hier ein außenpolitischer Strategiewechsel erfolgt ist, der an einem Beispiel hier auch verdeutlich werden sollte.

Sagenschneider: Sie haben darauf hingewiesen, dass China sich von solchen Äußerungen auch von der Kritik in Sachen Menschenrechte ja eigentlich im Grunde auch nicht so richtig beeindrucken lässt. Auf der anderen Seite richtet China im kommenden Jahr die Olympischen Spiele aus und, ja, will sich dann auch von seiner besten Seite zeigen und vor allem diese Veranstaltung auch nicht gestört sehen durch permanente Kritik. Wäre das so ein Punkt, an dem ansetzen könnte, so eine Art Druckmittel?

Heberer: Das spielt ja schon eine Rolle. Also wenn Sie die Sudan-Frage nehmen, wenn sie jetzt die Erklärung des chinesischen Ministerpräsidenten im Hinblick auf die Entwicklung in Birma an diesem Wochenende nehmen und sein Verhalten in den Vereinten Nationen auch im ständigen Ausschuss des Sicherheitsrates, so können Sie feststellen, dass China sehr viel stärker als früher, in vielen Fragen nachgibt oder sich sehr moderat verhält. Und ich denke, es ist nicht nur die Olympiade, sondern generell möchte China, sozusagen, international akzeptiert werden als ein Staat, der dazu beiträgt, Probleme und Konflikte zu lösen. Das ist ein wichtiger Antriebspunkt und das hat sich natürlich, dieses Bemühen, durch die Olympiade verstärkt. Die Olympiade hat aber auch noch andere positive Effekte erzeugt, nämlich die Frage der Umwelt zum Beispiel. Ich denke, der Druck des olympischen Komitees auf die Verbesserung der Umwelt in Peking hat das Umweltbewusstsein nicht nur der chinesischen Führung, sondern auch der Bevölkerung durchaus erhöht. Ich kann also ein höheres Bewusstsein in dieser Hinsicht feststellen als vor fünf Jahren oder gar vor zehn Jahren, wenn auch vieles im Argen liegt.

Sagenschneider: China als Bestandteil der Lösungsfindung internationaler Konflikte, lassen Sie uns kurz auf Birma kommen: Glauben Sie, China wird da eine konstruktive Rolle spielen oder wird sich da eher nichts ändern, denn ohne chinesische Unterstützung hätte die Junta in Birma es ja schwer.

Heberer: Also ich denke, generell ist es schwer auf die Junta in Birma Einfluss zu nehmen. Chinas Strategie geht eigentlich eher dahin, zu sagen, die ASEAN-Staaten sollen hier eine stärkere Rolle übernehmen, denn deren Einfluss auf Birma ist größer. Birma ist Teil der ASEAN-Gemeinschaft und wenn diese Staaten sich bereit finden könnten gemeinsam Druck, vielleicht auch zusammen mit Indien und China und Japan Druck auf Birma auszuüben, dann wäre das wahrscheinlich auch der größere Effekt. Und das ist etwas, was sich China erhofft. China ist ja auch nicht interessiert an einer Instabilität in Birma, weil dann seine Pläne mit und in Birma eigentlich auch in Gefahr geraten, nämlich Ölpipelines zu bauen, die Öl direkt vom Indischen Ozean nach China bringt oder die Frage der Ressourcenausbeutung der Gasressourcen an der birmesischen Küste.

Sagenschneider: Herr Heberer ich danke Ihnen.