Experimentierfeld 3D

Von Bernd Sobolla |
Zum internationalen Filmfortbildungsprogramm für digitales Kino und Fernsehen "Insight Out" trifft sich die Branche an der Filmhochschule in Babelsberg. Nach dem Erfolg des Films "Avatar" steht die 3D-Technik im Mittelpunkt des Interesses.
Aus dem Dokumentarfilm "Das Auge 3D" : " In der Atacama Wüste im Norden von Chile, 2500 Meter über dem Meeresspiegel und 120 Kilometer entfernt vom nächsten Ort, befindet sich das leistungsfähigste Observatorium der Erde." "

Der Filmemacher Nikolai Vialkowitsch hat diesem außergewöhnlichen Ort einen Film gewidmet. Herausgekommen ist dabei "Das Auge" ein faszinierender 3D-Film. Vialkowitsch leitet die Firma "Parallax Raumprojektion", die lange Zeit vor allem 3D-Kurzfilme für Museen produzierte. Als er sich vor zweieinhalb Jahren entschloss, "Das Auge", einen langen Dokumentarfilm über das größte Observatorium in Chile zu drehen, steckte Deutschland noch in den 3D-Anfängen und bei der Rechte-Auswertung dachte er zuerst an Planetarien nicht an Kinos.

Nikolai Vialkowitsch: "Es ist natürlich eine Dokumentation fürs Kino. Die teilt auf diesem Weg erst einmal die Schwierigkeiten mit den anderen Dokumentationen im Kino. Aber sie hat diesen 3D-Vorteil."

Und so läuft "Das Auge 3D" hierzulande im Kino. Noch vor drei Jahren gab es in Deutschland 14 3D-Kinos, heute sind über 250 Kinos 3D-fähig. Tendenz steigend. Und doch für Nikolai Vialkowitsch und viele andere nicht schnell genug:

"Jetzt ist es innerhalb dieses Vorteils aber schon wieder so, dass schon wieder Nachteile auszumachen sind. Weil dieser 3D-Boom sich so stark entwickelt hat, vor allen Dingen mit 'Avatar', dass es in den Spielplänen der Kinos kaum Lücken gibt. Sie haben jetzt im Moment einen regelrechten 3D-Programm-Stau. Weil diese Filme so enorm nachgefragt werden, dass es tatsächlich auch da für so ein Nischenprodukt wie unser Film das nun mal ist, tatsächlich gar nicht so einfach ist."

Doch nicht nur hierzulande und nicht nur für Nischenprodukte gibt es Probleme im 3D-Kino. Brian Vain´t Hul, der für die visuellen Effekte in "King Kong" 2006 den Oscar gewann, war auch für die 3D-Umsetzung des Animationsfilms "Coraline" zuständig.

Brain Vain´t Hul: "'Coraline' lief erstaunlich gut in den USA. Wir waren überwältigt, wie er angenommen wurde und wie viel Geld er einspielte. Aber das größte Problem beim 3D-Kino ist, dass es einfach nicht genügend Kinos gibt."

So ist es nicht verwunderlich, dass in den USA die drei größten Kinoketten in den nächsten Jahren 660 Millionen Dollar investieren werden, um rund 14.000 Kinosäle digital umzurüsten, was die 3D-Projektion vereinfacht und einen weiteren Schub bringen wird. Doch in Babelsberg will Brain Van´t Hul vor allem zeigen, dass es zumindest beim Animationsfilm möglich ist, auf billige Art kleine 3D-Filme zu drehen, und zwar mit Webcams und entsprechender Software. Und zugleich betont er, dass es wichtig sei, mit der 3D-Technik sorgsam umzugehen.

Brain Van´t Hul: "Ich denke, 3D kann für alles eingesetzt werden. Aber ich versuche den Leuten immer zu vermitteln, dass sie damit umgehen sollen wie mit Musik. Man kann Musik in jedem Dokumentarfilm, jedem Drama oder jeder Fernsehshow einsetzen. Aber im Sinne der Dramaturgie. Man spielt sie lauter oder leiser, hat verschiedene Arten von Musik, die im Kopf des Zuschauers unterschiedlich wirkt. Das Gleiche gilt für 3D. Es ist eine subtile psychologische Sache, die sich in deinem Gehirn abspielt. Sie macht dir Räume bewusst, die du siehst. Und in dem man einen Raum flacher oder tiefer erscheinen lässt, kreiert man ein subtiles Gefühl bei den Zuschauern. Dies kann sie mehr in die Geschichte hineinziehen, aber auch vom Inhalt ablenken."

Dass der 3D-Boom bald wieder verblasst wie in den 50er-Jahren, glauben die Experten in Potsdam nicht. Denn damals war die Technik einfach noch zu unausgereift. Insbesondere die Aufnahmetechnik mit zwei Kameras, die exakt aufeinander eingestellt sein müssen, war dürftig. Und das Resultat dann im Kino oft eher eine Qual als ein Genuss. Aber das ist Vergangenheit: In Hollywood laufen bereits die nächsten großen Pläne: Zurzeit wird gerade der dritte Teil von "Toy Story" in 3D produziert. Und James Cameron arbeitet an einer 3D-Fassung von "Titanic". Das Gleiche gilt für Peter Jackson, der am "Herr der Ringe" werkelt.

Und auch die Deutschen schlafen nicht. Martin Hagemann produziert gerade mit seiner Firma Zero Fiction Film einen 3D-Science-Fiction, der den Titel "Creeping Zero" trägt. Einen ersten Trailer hat er dazu bereits auf der Berlinale gezeigt. Die 3D-Euphorie scheint ungebrochen. Und das, obwohl gar nicht abzusehen ist, ob die Begeisterung des Publikums nicht bald zurückgeht, wenn die Leute glauben, das neue Medium genügend zu kennen. Und so deutet einzig eine in Babelsberg veröffentlichte 3D-Studie, an, dass die Besucherzahlen bald auch wieder schrumpfen könnten, wie Jesko Jockenhövel, einer der Mitarbeiter der Studie, erläutert:

"Schwerpunkte da waren zum Beispiel 'Ist 3D jetzt für sie ein anderes Filmerleben?' Funktioniert das in verschiedenen Genres besser als in anderen? Und da haben sehr viele Leute gesagt, dass sie sich in einer 3D-Version viel stärker hineinversetzt fühlen als in eine 2D-Version. Dass sie sich jetzt aber nicht unbedingt eine Liebeskomödie in 3D ansehen müssen, sondern dass es für sie etwas ist, das im Bereich Science-Fiction, Fantasy vielleicht auch Horror am besten funktioniert."

Service:
Das Symposium "Insight Out" findet vom 22. bis 26. März 2010 an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg statt.