Experiment gelungen - Patient tot

Wissenschaftliche Experimente sind für die Forschung unverzichtbar. Allerdings schießen manche Wissenschaftler bei ihrem Untersuchungsdrang deutlich übers Ziel hinaus. Alex Boese hat in "Elefanten auf LSD und andere verrückte Experimente" einige skurrile Beispiele zusammengestellt.
Experimente sind ein unverzichtbarer Bestandteil wissenschaftlicher Forschung. Einigen Versuchen verdanken wir verblüffende Einsichten, andere sind rückblickend von eher bizarrer Natur und zweifelhaftem Nutzen gewesen. Der amerikanische Wissenschaftshistoriker Alex Boese hat den skurrilsten unter ihnen ein Buch gewidmet, in dem er ausschließlich die Versuche für sich sprechen lässt: mehr als 70 Experimente, von bizarr bis ganz schön lehrreich.

Alex Boese hat einen ausgesprochenen Sinn für Abwegiges. Seit 1997 betreibt er im Internet bereits das Museum of Hoaxes (Museum der Scherze oder Schwindeleien, www.museumofhoaxes.com), eine abenteuerliche Zusammenstellung von Humbug aller Art.

Der Titel seines letzten Streiches, "Elefanten auf LSD", geht auf einen Versuch von 1962 zurück. Drei Forscher aus Oklahoma verabreichten dem Titel gebenden Tier eine Dosis der Droge, um zu sehen, ob sich damit bei ihm eine Psychose auslösen ließe. Zur Sicherheit bekam der Dickhäuter gleich die 3000-fache Menge, die für einen Menschen ausgereicht hätte. Statt sich ein bisschen orientierungslos im Kreis zu drehen und bunte Bilder auf seinem Trip zu sehen, war das Tier anderthalb Stunden später tot. Eine peinliche Blamage für die Wissenschaftler. Erkenntnisgewinn: Fehlanzeige.

Der menschliche Wissensdrang lässt Forscher Erbrochenes trinken, Leichen unter Strom setzen, Kakerlaken um die Wette laufen oder das Volumen von Flatulenzen messen. Alex Boese hat die Experimente in seiner Sammlung absichtlich nicht danach ausgewählt, welche Bedeutung sie für die Wissenschaft hatten. Sein Kriterium ist viel einfacher: Rufen die Versuche eine starke (emotionale) Resonanz beim Leser hervor? Provozieren sie Lachen, Abscheu, Entsetzen oder Unglauben? Regen sie ihn zum Nachdenken an?

Dabei versammelt er nicht nur Absonderlichkeiten, sondern auch sehr lehrreiche Versuchsanordnungen. Die berühmteste dürfte das Milgram-Experiment zum Gehorsam sein. Zwei Drittel der Versuchspersonen waren bereit, einem unschuldigen und hilflosen Menschen tödliche Stromschläge zu verabreichen, nur weil ihnen ein Mann in einem weißen Kittel neben ihnen einredete, es sei wichtig für den Versuch.

Gerade die Experimente, die etwas über die menschliche Natur verraten, sind am spannendsten. Etwa wenn sich herausstellt, wie Werbung unsere Wahrnehmung beeinflusst, wie leicht Kindern falsche Erinnerungen suggeriert werden können, aber auch wie einfach eine Kellnerin ihr Trinkgeld um 37 Prozent zu steigern vermag.

Trotz der gelungenen humorigen Darstellung ruft die Lektüre mitunter ein leichtes Schaudern hervor, angesiedelt irgendwo zwischen dem Erstaunen über die eigene Manipulierbarkeit, der Bewunderung der Genialität einiger Forscher, aber auch dem Erschrecken vor der Bedenkenlosigkeit, mit der manche von ihnen ihre Ziele verfolgt haben. So hält jedes Experiment auch dem Experimentator den Spiegel vor und unfreiwillig stehen der Mensch und seine Intentionen in dieser Sammlung mit auf dem Prüfstand.

Rezensiert von Gerrit Stratmann

Alex Boese: Elefanten auf LSD und andere verrückte Experimente
Rowohlt Taschenbuchverlag, Hamburg 2009
384 Seiten, 9,95 Euro