Exorzismus

Menstrualblut in der Praline

Diese Zierinitiale als Deckfarbenmalerei mit Gold zeigt eine Teufelsaustreibung, aufgenommen in Stralsund in einer Handschrift mit dem Titel Liber ordinarius (= Regelungen für liturgische Handlungen) aus dem 15. Jahrhundert
Diese Zierinitiale als Deckfarbenmalerei mit Gold zeigt eine Teufelsaustreibung, aufgenommen in Stralsund in einer Handschrift mit dem Titel Liber ordinarius (= Regelungen für liturgische Handlungen) aus dem 15. Jahrhundert © picture alliance / ZB / Stefan Sauer
Von Stefanie Oswalt · 08.03.2014
Die Teufelsaustreibung ist immer noch Bestandteil des offiziellen katholischen Instrumentariums. Zwar wurde der Exorzismus spätestens nach dem Fall der Anneliese Michel, die 1976 bei einem Exorzismus starb, in Deutschland offiziell nie mehr angewandt. In Italien ist das anders. Einer der bekanntesten Exorzisten Italiens ist Gabriele Amorth. In einem Interviewband blickt er zurück auf sein Jahrzehnte langes Wirken als Exorzist.
"Ich glaube, der Herr hat sich meiner bedient, gerade, um diese Botschaft zu verbreiten, damit man wieder zur Praxis der Exorzismen zurückkehrt."
1986, im Alter von 61 Jahren, hat Gabriele Amorth seine Mission gefunden. Damals gab der promovierte Jurist, der sich 1957 zum Priester hatte weihen lassen, seinen Job als Schriftleiter der marianischen Zeitschrift "Madre di Dio" auf und wurde von Kardinal Poletti, zum Exorzisten der Diözese Rom ernannt. Jahrzehnte lang war der Exorzismus in den meisten Ländern des Nordens eine religiöse Praxis, die katholische Priester - wenn überhaupt - nur noch ungern anwenden wollten. Mit guten Gründen. Deshalb ist der Ruf von offiziell bestellten Teufelsaustreibern, also Exorzisten, nicht der beste, erklärt Amorth:
"Die Exorzisten sind im Allgemeinen unbeliebt, sie sind sogar bei einem großen Teil des Klerus nicht gern gesehen, von dem sie oft als überspannte Leute angesehen werden."
"Überspannte Leute" - dieser Eindruck festigt sich bei der Lektüre von Amorths Buch. Dabei bemüht er sich, moderat zu wirken, indem er beispielsweise Folterungen und Ermordungen Kirchenabtrünniger im Mittelalter kritisiert:
Damit hat man gegen die Häresie übertriebene und unangemessene Maßnahmen ergriffen, so dass für lange Zeit keine Exorzismen mehr vorgenommen wurden, sondern man schickte vom Teufel Besessene direkt auf den Scheiterhaufen.
"Jeder Dämon hat seine eigene diabolische Aufgabe"
Amorth bedauert, dass dadurch auch der Exorzismus in Misskredit geriet und mit ihm der Glaube an den Satan. Denn von der Existenz des Teufels ist Amorth überzeugt - eine Auffassung, die durchaus im Einklang mit der katholischen Lehre steht. So beinhaltet etwa die Langform des römisch-katholischen Taufritus bis heute ein Exorzismusgebet. Ein aufgeklärter Glaube ohne Teufel, Satan und Belzebub - das ist Amorths Sache nicht, im Gegenteil. Für ihn ist der Teufel sehr konkret, und zwar in klar benennbaren Gestalten:
Jeder Dämon hat zwar seine eigene diabolische Aufgabe, doch alle sind bestrebt, der Seele der Person, auf die sie es abgesehen haben, möglichst viel Leid zuzufügen. (...) In der Regel sind zwar immer mehr als ein Teufel in einer besessenen Person anwesend. Ist die Person korpulent, sind die Teufel noch zahlreicher... Einige sind fast immer da: Satan, Luzifer, Asmodi - dieser ist fürchterlich! - Lilith, Belzebub.
Man wüsste gerne mehr über die individuellen Charaktereigenschaften dieser grundsätzlich unsichtbaren Dämonen, aber Amorth bleibt vage:
Die Teufel sind nicht alle gleich. Es gibt auch solche, die wenig gelten. Doch alle sind starrsinnig, hartnäckig und unnachgiebig.
Amorth versucht zu erklären, dass Menschen in unterschiedlich starker Weise von Teufel besessen sein könnten. So komme wirkliche Besessenheit, also die völlige Auslöschung der ursprünglichen Persönlichkeiten des Gepeinigten, eher selten vor. Häufiger seien, so Amorth, leichtere Grade des Leidens oder ein nur teilweiser Verlust der Identität der Betroffenen. In jedem Fall bräuchten die Patienten - im vorliegenden Buch sind das häufig junge Frauen - viele Sitzungen, um geheilt zu werden.
"Man spricht von teuflischer Besessenheit, wenn eine Person vom Teufel besessen, das heißt völlig von ihm in Besitz genommen ist. (...) Wie es verschiedene Grade der Besessenheit gibt, so gibt es auch verschiedene Grade des diabolischen Geplagt- und Schikaniertwerdens ..."
Geifernde, tobende, spuckende Patienten
Amorth schildert eine enorme Bandbreite der Leiden: Von - vermeintlich unerklärlichen - psychischen Wahnvorstellungen und Hysterien, Verlust der Körperkontrolle und Krampfanfällen bis hin zu körperlichen Leiden, Hautveränderungen, unerträglichen Schmerzen. Er beschreibt seine, wie er es sieht, erfolgreichen Heilungen: durch das große oder kleine Exorzismusgebet und den Einsatz von Kreuz und Weihwasser, erklärt Amorth. Derweil die oft geifernden, tobenden und spuckenden Patienten von Helfern gehalten würden. Für Amorth lugt der Teufel hinter jeder Ecke hervor - nach seinem Verständnis steckt er überall, im Detail und im Alltag:
"Verhexungen werden gewöhnlich mit Menstrualblut angefertigt, weil dies einen Bezug zum Leben hat. Oder man tötet Tiere, vor allem Hühnchen, Katzen und Hunde. Man benutzt deren Blut. Man verwendet ebenfalls Erde, die man auf dem Friedhof geholt hat. Aus alldem macht man ein Gemisch, so dass es schließlich unerkennbar wird. Dann spritzt man einige Tropfen davon in ... eine Praline, eine Tasse Kaffee und die Behexung kann zum Angriff übergehen .... Wie vielen Personen habe ich doch schon gesagt, sie sollen nicht zu ihrer Schwiegermutter essen gehen ..."
So geht das in Amorths Buch Seiten über Seiten - und der Eindruck setzt sich sehr schnell fest: Das ist nicht nur unappetitlich sondern auch abstrus! Dass die Menschen zu Zeiten Jesu Christi mangels besserer Kenntnis psychischer Krankheiten an Dämonen und Verhexungen geglaubt haben, ist nachvollziehbar. Aber heute?
"Ich erinnere mich an einen Patienten, der ständig spuckte. Sobald ich merkte, dass er es tun wollte, drückte ich ihm noch rechtzeitig meine Hand auf den Mund. Da traten aus seinem Mund drei Nägel heraus, die sich materialisiert hatten."
Journalisten, die Amorth in Rom interviewten, berichten davon, dass er mehrere Kilo Altmetall als Beweismittel bereit halte. Viel zitiert ist auch Amorths Warnung an Papst Franziskus, als dieser sich gleich nach seiner Wahl den Armen zuwandte: Die Freimaurer würden ihm deshalb nach dem Leben trachten. So macht Amorth weiter von sich reden. Ist es nicht der Teufel, dürfen es dann auch mal die Freimaurer sein - Dan Brown lässt grüßen. Da möchte man glatt dem lieben Gott danken, dass Papst Franziskus seit seinem Amtsantritt im März 2013 noch putzmunter ist und an seinen Reformen arbeitet. Und es ist zu hoffen, dass er sich das Thema Exorzismus auch noch vornimmt.

Gabriele Amorth: Memoiren eines Exorzisten.
Mein Kampf gegen den Satan

Christiana-Verlag, Stein am Rhein
240 Seiten, 8,50 Euro

Mehr zum Thema