Ex-Richter und Strafverteidiger rechnet mit Einigung im Zumwinkel-Prozess
Der Düsseldorfer Strafverteidiger und ehemalige Richter Rüdiger Spormann erwartet, dass es im Verfahren gegen den ehemaligen Postchef Klaus Zumwinkel zu einer Einigung kommt. Kritik an derartigen "Deals" in Strafprozessen wies der Düsseldorfer Anwalt zurück.
Birgit Kolkmann: Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Bis zu zehn Jahre Haft kann es geben in schweren Fällen der vorsätzlichen Steuerhinterziehung. Doch lange Jahre gab es viele Wege, sein Geld so im Ausland anzulegen, dass der deutsche Fiskus das Nachsehen hatte. Obwohl die meisten Steuerschlupflöcher gestopft wurden, versuchten es viele über Steuerparadiese wie Liechtenstein und dort ansässige Stiftungen, Steuergelder quasi zu sparen, so wie Klaus Zumwinkel. Und der ehemalige Postchef, dessen Prozess heute beginnt, dürfte vor Gericht ganz gute Karten haben, denn seine Anwälte haben intensive Vorarbeit geleistet. Zum Interview in Deutschlandradio Kultur begrüße ich den ehemaligen Richter und Staatsanwalt Rüdiger Spormann, jetzt Fachanwalt für Strafrecht und Lehrbeauftragter an der Uni Düsseldorf. Guten Morgen, Herr Spormann!
Rüdiger Spormann: Frau Kolkmann, schönen guten Morgen!
Kolkmann: Herr Spormann, kann Klaus Zumwinkel mit einem schnellen Prozess rechnen?
Spormann: Ich vertrete Herrn Zumwinkel nicht und kenne daher keine Interna. Aber nach allem, was man über das Verfahren gelesen hat und erfahren hat, ist davon auszugehen, dass es sicher eine Einigung geben wird.
Kolkmann: Eine Einigung, weil es eine Kooperation gibt zwischen Gericht und Angeklagtem, eine Kooperationsbereitschaft, für die es einen guten Tarif gibt beim Urteil?
Spormann: Ja, gut. Die Medien berichten ja unterschiedliche Varianten. Es ist natürlich so – und das haben wir als Strafverteidiger regelmäßig in unseren Verfahren -, wenn man mit der Staatsanwaltschaft spricht, hat man das Gericht zunächst nicht eingebunden. Und letztendlich: das Urteil spricht das Gericht. Also was als Urteil nachher ausgesprochen wird, kann der Strafverteidiger, wenn er nur mit der Staatsanwaltschaft gesprochen hat, nicht abschätzen.
Kolkmann: Aber mit der Staatsanwaltschaft wird sehr viel gesprochen. Es wird auch viel abgesprochen. Kann man da schon manchmal von Mauschelei sprechen?
Spormann: Ich würde das nicht Mauschelei nennen. Es ist aus meiner Sicht absolut sinnvoll und es dient auch dem Interesse von Mandanten, dass der Verteidiger mit der Staatsanwaltschaft im Dialog ist. Natürlich stehen wir auf verschiedenen Seiten, natürlich haben wir unterschiedliche Interessen, aber wenn man das Gefühl hat, auf der Gegenseite einen Staatsanwalt oder eine Staatsanwältin zu haben und es ist ein sinnvoller Dialog, dann sollte man als Verteidiger diesen Dialog auch aufnehmen. Es hat sich stets bewährt.
Kolkmann: Sie sagen, es hat sich bewährt. Inwiefern hat es sich bewährt, denn es gibt ja durchaus für gleiche Vergehen unterschiedliche Urteile? Ist das noch gerecht?
Spormann: Frau Kolkmann, die Gerechtigkeitsfrage stellt man sich als Strafverteidiger natürlich in erster Linie zunächst nicht, sondern in erster Linie denkt man – das ist auch die Pflicht des Strafverteidigers – an das Interesse des jeweiligen Mandanten. Und wenn dem Mandanten – das dürfen wir ja bei all diesen Verfahren nicht vergessen – ein Kraft raubender und Nerven beanspruchender Prozess erspart bleiben kann oder er kann jedenfalls wesentlich verkürzt werden und das Ergebnis ist gleichwohl gut, ja dann sollte man diesen Dialog führen. Das Wort Mauschelei würde ich da gar nicht in den Mund nehmen, sondern ich würde sagen, das ist eine Frage der Verständigung und eine Frage der Abkürzung des Verfahrens, das in beiderseitigem Interesse liegt.
Kolkmann: Nun sprechen Sie vor allen Dingen davon, dass dem Mandanten ein langer Prozess zu ersparen wäre. Nun hat er ja immerhin was verbrochen, nämlich in diesem Fall wie Zumwinkel Steuern hinterzogen. Da geht es doch vor allen Dingen darum, dass der Staat das wieder kriegt, was ihm weggenommen wurde, oder?
Spormann: Gut. Meines Wissens hat Herr Zumwinkel ja erhebliche Beträge gezahlt und es gibt ja einen anderen Fall, der nicht so medienwirksam inszeniert wurde von der Staatsanwaltschaft, im Grunde das erste Liechtenstein-Urteil, wo ein Beschuldigter beziehungsweise ein Angeklagter auch erhebliche Mittel aufgewandt hat, um den Schaden wiedergutzumachen, und dann eben damit auch durch ein, wie ich meine, sehr vorteilhaftes Urteil belohnt wurde. Dagegen ist doch nichts zu sagen.
Kolkmann: Es gibt ja Strafrechtler, die genau diese Deals vor Gericht doch sehr stark kritisieren, weil sie sagen, es gibt sozusagen einen Kurzstreckentarif, einen Mittelstreckentarif und einen Langstreckentarif für Leute, die dann erst ganz spät ein Geständnis ablehnen und wo erst lange verhandelt werden muss, und die Wahrheit und Klarheit bleibt dann dabei auf der Strecke.
Spormann: Frau Kolkmann, ich stimme Ihnen vollkommen zu. Auch ich bin gelegentlich enttäuscht darüber, dass heute so viel gedealt wird – ganz sicher -, weil diese Situation, in die der Angeklagte oder Beschuldigte gebracht wird, teilweise ja eine Nötigungslage ist, in der er sich befindet. Man stellt ihm in Aussicht eine Strafe X, und wenn er aber ein Geständnis ablegt, bekommt er X Minus. Das ist vollkommen richtig. Auch ich bin da ein Kritiker dieser Situation. Nur andererseits, wenn ich weiß, es gibt die Situation, und ich muss für meine Mandanten eintreten und das Beste für sie herausholen, ja dann muss ich dort mitmachen, auch wenn es manchmal vielleicht etwas nicht ganz glücklich erscheint.
Kolkmann: Nun gibt es ja Überlegungen, diese Form der Deals vor Gericht auch im Gesetz festzuschreiben. Wie gesagt: es gibt Strafrechtler, die die Dinge vielleicht etwas dogmatischer sehen, die sagen, damit werden alle Gerichte zu Basaren.
Spormann: Sie haben in gewisser Weise Recht. Ich denke, auch die Kollegen haben Recht, die das kritisieren. Ich glaube nur nicht, dass wir eine gesetzliche Regelung brauchen. Wir haben feste Vorgaben des Bundesgerichtshofes, der in einem, wie ich meine, ganz klugen Urteil Voraussetzungen eines Deals in der strafrechtlichen Hauptverhandlung postuliert hat. Daran hält sich jede vernünftige Strafkammer heutzutage und dann ist die Sache auch aus meiner Sicht in Ordnung. Ob man überhaupt den Deal will oder nicht, das ist eine andere Frage, aber ich erinnere noch mal daran: dem Mandanten ist im Zweifel an einem langen Verfahren nicht gelegen.
Kolkmann: Vielen Dank! – Das war Rüdiger Spormann, Fachanwalt für Strafrecht und Lehrbeauftragter an der Uni Düsseldorf. Ich bedanke mich für das Gespräch in Deutschlandradio Kultur!
Spormann: Frau Kolkmann, alles Gute. Danke! Tschüß!
Rüdiger Spormann: Frau Kolkmann, schönen guten Morgen!
Kolkmann: Herr Spormann, kann Klaus Zumwinkel mit einem schnellen Prozess rechnen?
Spormann: Ich vertrete Herrn Zumwinkel nicht und kenne daher keine Interna. Aber nach allem, was man über das Verfahren gelesen hat und erfahren hat, ist davon auszugehen, dass es sicher eine Einigung geben wird.
Kolkmann: Eine Einigung, weil es eine Kooperation gibt zwischen Gericht und Angeklagtem, eine Kooperationsbereitschaft, für die es einen guten Tarif gibt beim Urteil?
Spormann: Ja, gut. Die Medien berichten ja unterschiedliche Varianten. Es ist natürlich so – und das haben wir als Strafverteidiger regelmäßig in unseren Verfahren -, wenn man mit der Staatsanwaltschaft spricht, hat man das Gericht zunächst nicht eingebunden. Und letztendlich: das Urteil spricht das Gericht. Also was als Urteil nachher ausgesprochen wird, kann der Strafverteidiger, wenn er nur mit der Staatsanwaltschaft gesprochen hat, nicht abschätzen.
Kolkmann: Aber mit der Staatsanwaltschaft wird sehr viel gesprochen. Es wird auch viel abgesprochen. Kann man da schon manchmal von Mauschelei sprechen?
Spormann: Ich würde das nicht Mauschelei nennen. Es ist aus meiner Sicht absolut sinnvoll und es dient auch dem Interesse von Mandanten, dass der Verteidiger mit der Staatsanwaltschaft im Dialog ist. Natürlich stehen wir auf verschiedenen Seiten, natürlich haben wir unterschiedliche Interessen, aber wenn man das Gefühl hat, auf der Gegenseite einen Staatsanwalt oder eine Staatsanwältin zu haben und es ist ein sinnvoller Dialog, dann sollte man als Verteidiger diesen Dialog auch aufnehmen. Es hat sich stets bewährt.
Kolkmann: Sie sagen, es hat sich bewährt. Inwiefern hat es sich bewährt, denn es gibt ja durchaus für gleiche Vergehen unterschiedliche Urteile? Ist das noch gerecht?
Spormann: Frau Kolkmann, die Gerechtigkeitsfrage stellt man sich als Strafverteidiger natürlich in erster Linie zunächst nicht, sondern in erster Linie denkt man – das ist auch die Pflicht des Strafverteidigers – an das Interesse des jeweiligen Mandanten. Und wenn dem Mandanten – das dürfen wir ja bei all diesen Verfahren nicht vergessen – ein Kraft raubender und Nerven beanspruchender Prozess erspart bleiben kann oder er kann jedenfalls wesentlich verkürzt werden und das Ergebnis ist gleichwohl gut, ja dann sollte man diesen Dialog führen. Das Wort Mauschelei würde ich da gar nicht in den Mund nehmen, sondern ich würde sagen, das ist eine Frage der Verständigung und eine Frage der Abkürzung des Verfahrens, das in beiderseitigem Interesse liegt.
Kolkmann: Nun sprechen Sie vor allen Dingen davon, dass dem Mandanten ein langer Prozess zu ersparen wäre. Nun hat er ja immerhin was verbrochen, nämlich in diesem Fall wie Zumwinkel Steuern hinterzogen. Da geht es doch vor allen Dingen darum, dass der Staat das wieder kriegt, was ihm weggenommen wurde, oder?
Spormann: Gut. Meines Wissens hat Herr Zumwinkel ja erhebliche Beträge gezahlt und es gibt ja einen anderen Fall, der nicht so medienwirksam inszeniert wurde von der Staatsanwaltschaft, im Grunde das erste Liechtenstein-Urteil, wo ein Beschuldigter beziehungsweise ein Angeklagter auch erhebliche Mittel aufgewandt hat, um den Schaden wiedergutzumachen, und dann eben damit auch durch ein, wie ich meine, sehr vorteilhaftes Urteil belohnt wurde. Dagegen ist doch nichts zu sagen.
Kolkmann: Es gibt ja Strafrechtler, die genau diese Deals vor Gericht doch sehr stark kritisieren, weil sie sagen, es gibt sozusagen einen Kurzstreckentarif, einen Mittelstreckentarif und einen Langstreckentarif für Leute, die dann erst ganz spät ein Geständnis ablehnen und wo erst lange verhandelt werden muss, und die Wahrheit und Klarheit bleibt dann dabei auf der Strecke.
Spormann: Frau Kolkmann, ich stimme Ihnen vollkommen zu. Auch ich bin gelegentlich enttäuscht darüber, dass heute so viel gedealt wird – ganz sicher -, weil diese Situation, in die der Angeklagte oder Beschuldigte gebracht wird, teilweise ja eine Nötigungslage ist, in der er sich befindet. Man stellt ihm in Aussicht eine Strafe X, und wenn er aber ein Geständnis ablegt, bekommt er X Minus. Das ist vollkommen richtig. Auch ich bin da ein Kritiker dieser Situation. Nur andererseits, wenn ich weiß, es gibt die Situation, und ich muss für meine Mandanten eintreten und das Beste für sie herausholen, ja dann muss ich dort mitmachen, auch wenn es manchmal vielleicht etwas nicht ganz glücklich erscheint.
Kolkmann: Nun gibt es ja Überlegungen, diese Form der Deals vor Gericht auch im Gesetz festzuschreiben. Wie gesagt: es gibt Strafrechtler, die die Dinge vielleicht etwas dogmatischer sehen, die sagen, damit werden alle Gerichte zu Basaren.
Spormann: Sie haben in gewisser Weise Recht. Ich denke, auch die Kollegen haben Recht, die das kritisieren. Ich glaube nur nicht, dass wir eine gesetzliche Regelung brauchen. Wir haben feste Vorgaben des Bundesgerichtshofes, der in einem, wie ich meine, ganz klugen Urteil Voraussetzungen eines Deals in der strafrechtlichen Hauptverhandlung postuliert hat. Daran hält sich jede vernünftige Strafkammer heutzutage und dann ist die Sache auch aus meiner Sicht in Ordnung. Ob man überhaupt den Deal will oder nicht, das ist eine andere Frage, aber ich erinnere noch mal daran: dem Mandanten ist im Zweifel an einem langen Verfahren nicht gelegen.
Kolkmann: Vielen Dank! – Das war Rüdiger Spormann, Fachanwalt für Strafrecht und Lehrbeauftragter an der Uni Düsseldorf. Ich bedanke mich für das Gespräch in Deutschlandradio Kultur!
Spormann: Frau Kolkmann, alles Gute. Danke! Tschüß!