Ex-Diktatur Simbabwe vor Wahlen

Marodes Land braucht Neustart

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Simbabwes Interimspräsident Mnangagwa vor der Zentrale der Zanu-PF-Partei in der Hauptstadt Harare mit erhobenen Händen.
Simbabwes Interimspräsident Mnangagwa will die Wahlen im Juli gewinnen. © AFP/MARCO LONGARI
Von Sebastian Engelbrecht · 03.05.2018
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Simbabwe ist stehengeblieben. Häuser, Infrastruktur, Industrie - alles verkam in der 37-jährigen Regentschaft von Robert Mugabe. Gut ein halbes Jahr nach seinem Abtritt stehen im Juli Wahlen an. Der Wandel könnte trotzdem auf sich warten lassen.
Am 21. November 2017 musste Robert Mugabe nach 30 Jahren als Präsident und sieben Jahren als Ministerpräsident zurücktreten. Zuvor gab es Massenproteste und einen Militärputsch. Emmerson Mnangagwa, die Nummer zwei aus der Regierungspartei, übernahm das Amt kommissarisch.
Im Juli sollen Neuwahlen folgen. Eigentlich ist der Ärger über die herrschende Partei ZANU–PF sehr groß, aber der 40-jährige Oppositionsführer Nelson Chamisa hat Probleme, sein Lager zu einen.
Nelson Chamisa steht in seinem Büro im Anzug. Er will im Juli in Simbabwe zum Präsidenten gewählt werden.
Nelson Chamisa ist Oppositionsführer in Simbabwe.© Deutschlandradio / Sebastian Engelbrecht
So könnte die "Mugabe-Partei" an der Macht bleiben und ein wirklicher Wandel in dem reformbedürftigen Land ausbleiben. Alle Hintergründe hören Sie im Audio.

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Der weiße Farmer darf zurück

Eine der Ursachen für die Krise: Seit dem Jahr 2000 enteignete die Regierung des damaligen Präsidenten Robert Mugabe 4000 der etwa 4500 weißen Farmer in Simbabwe, verstaatlichte das Land, überließ es schwarzen Kleinbauern. Mugabes offizielle Begründung für die Landreform war: Die Ungerechtigkeiten durch die britische Kolonialzeit sollten beseitigt werden. Was tatsächlich passierte: Mitglieder der Regierungspartei ZANU-PF bereicherten sich und übernahmen ganze Farmen. Aber den meisten fehlte das Wissen, wie sie die großen Ländereien betreiben sollten und auch das Geld. Das führte zu arbeitslosen Arbeitern und Brachland.
Betroffen war auch Rob Smart. Seine Eltern wanderten aus dem Vereinigten Königreich in die damalige Kolonie aus, er wurde dort 1946 geboren, baute wie seine Eltern auf der Lesbury Farm Tabak, Mais und Gemüse an und musste im Juni 2017 fliehen.
Farmer Rob Smart vor seinem Büro.
Farmer Rob Smart vor seinem Büro.© Deutschlandradio / Sebastian Engelbrecht
"Eines Tages kamen sie mit zwei großen Lastwagen und bewaffneter Polizei, und sie brachten ein paar einfache Leute mit. Wir mussten in die Berge fliehen und blieben dort, mein Sohn, meine Schwiegertochter und ihre kleinen Söhne, acht und sechs Jahre alt. Es war traumatisch für alle von uns, auch für unsere Arbeiter. Sie wurden auch aus ihren Häusern vertrieben von diesen gierigen Typen."
Nach dem Machtwechsel in Simbabwe erhielt Rob Smart Ende November 2017 einen Anruf von Interimspräsident Emmerson Mnangagwa. Die Familie könne auf die Lesbury Farm zurückkehren. Die simbabwische Armee vertrieb die Besatzer. Eigentümer ihrer Farm sind sie trotzdem nicht mehr. Das Land gehört nun dem Staat. Smart verhandelt derzeit mit der Regierung über einen Pachtvertrag für 99 Jahre. So wie es bei den schwarzen Farmen schon bisher ist. Die haben dadurch finazielle Probleme, einen Kredit zu erhalten, weil ihnen das Land nicht gehört. Rob Smart hat es durch seine langen Kontakte besser. Die Firma British American Tobacco hilft seiner Farm beim Neuanfang.
Arbeiter wie Mike Chinoiunoiu sind froh, dass sein Chef wieder da ist:
"Dieses Land sollte einem Weißen gehören. Wir brauchen einen Weißen, der diese Farm betreibt. Wenn das Schwarze versuchen, schaffen sie es nicht. Sie haben kein Geld. Aber wenn er da ist, arbeiten hier alle und verdienen ihr Geld."
Der Arbeiter Mike Chinoiunoiu vor einem Kartoffelfeld.
Der Arbeiter Mike Chinoiunoiu vor einem Kartoffelfeld.© Deutschlandradio / Sebastian Engelbrecht

Armensiedlung unter Felsen

Wie selten eine regelmäßige, gute Bezahlung in Simbabwe ist, zeigt die Armensiedlung Epworth in einem Vorort der Hauptstadt Harare. Hier leben die Händler und Tagelöhner, die sich mit ein paar Dollars am Tag durchschlagen. Sie gelten als der "informelle Sektor", der in Simbabwe rund 90 Prozent der Wirtschaft ausmacht.
Die "Balancing Rocks" in Epworth, ein Vorort von Harare. Neben der Straße stehen große Granitblöcke aufeinander.
Die "Balancing Rocks" in Epworth, ein Vorort von Harare.© Deutschlandradio / Sebastian Engelbrecht
Unter, auf und neben riesigen Granitbrocken leben Tausende in einfachen Hütten, bauen mal Mais oder anderes Gemüse an, verkaufen Brennholz oder alte Kleider, wie Belinda und Meidei:
"Wir gehen in die Stadt, um Arbeit zu suchen. Es gibt da Leute, für die wir alte Kleider verkaufen. Dafür bekommen wir etwas, so dass wir am Ende des Tages etwas zu essen kaufen und nach Hause bringen können. Wir suchen Arbeit in der Stadt, damit wir unseren Kindern etwas zu essen geben können."

"Wir sind ein Volk, weiß oder schwarz"

An die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Juli haben sie kaum Erwartungen, weil ihre Oppositionspartei sowieso keine Chance hätte:
"Wir hoffen auf gar nichts. Wir wissen jetzt schon: Auch wenn wir zur Wahl gehen, wird ZANU-PF am Ende regieren. Wählen oder nicht wählen gehen – am Ende kommt dasselbe dabei heraus."
Sebastian Engelbrecht im Gespräch mit Belinda und Meidei.
Sebastian Engelbrecht im Gespräch mit Belinda und Meidei.© Columbus Mavhunga
Dokas Mabuei, die daneben gerade Wäsche in einem großen Emaillebottich wäscht, ergänzt:
"Wir leiden einfach. Kein Geld, keine Arbeit. Die haben den Profit. Wir, die Menschen, die hier leben, haben nichts. Immer noch kein Wasser, kein Strom. Die sagen, sie tun was, aber wir haben davon nichts gesehen, seit der neue Präsident an der Macht ist. Es ist dasselbe: Er und Mugabe. Dasselbe."
"Es begann, als den weißen Farmern ihr Land genommen wurde. Seither wurde es schlechter. Es ist unser Land, aber wir sind ein Volk, weiß oder schwarz. Wir sollten unser Land gemeinsam zum Blühen bringen."
Ihre Mutter habe früher gut verdient auf der Farm eines Weißen. Jetzt wachse da nur noch Gras. Das Wort "Hoffnung" verbinden die meisten hier in Epworth mit ihrer Kirche, kaum mit der Wirklichkeit.
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