EVP-Fraktionschef Daul: Merkel macht gute Politik

17.01.2007
Joseph Daul hat die deutsche EU-Ratspräsidentschaft unter Angela Merkel gelobt. Die Bundeskanzlerin mache eine Politik, die der Europäischen Union zugute komme, sagte der neue Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament. Zugleich betonte er, nur wenn es Fortschritte beim Verfassungsprozess gebe, könne Europa funktionieren.
Hanns Ostermann: Wie geht es weiter mit der Europäischen Union? Heute will die Kanzlerin, will Angela Merkel ihre Vorstellungen dem Parlament in Straßburg erläutern. Für ein halbes Jahr hat Deutschland den Ratsvorsitz übernommen. An Aufgaben besteht wahrlich kein Mangel. Klimaschutz und Energie sollen groß geschrieben werden. Wie sind die Perspektiven weiterer Beitrittskandidaten? Und wie will man in der Verfassungsfrage vorankommen, nachdem sie Frankreich und die Niederlande ablehnten? – Es gibt jede Menge zu tun, um die Europäische Union ihren Bürgerinnen und Bürgern schmackhaft zu machen. Über die Chancen der deutschen Ratspräsidentschaft möchte ich mit Joseph Daul reden. Er ist seit vorgestern der neue Vorsitzende der Europäischen Volkspartei im Europaparlament. Guten Morgen Herr Daul!

Joseph Daul: Guten Morgen!

Ostermann: Teilen Sie den Optimismus von so manchem Politiker, Deutschland wird vieles richten, oder sind die Erwartungen vielfach zu hoch?

Daul: Nein, ich teile das mit. Ich glaube, man muss schon daran glauben. Das ist der Weg eines Politikers. Und was schon noch unmöglich war, das war auch schon als man das erste Mal von einem Euro gesprochen hat. Ich glaube aber die Politiker müssen weiter sehen und weiter arbeiten und müssen scharf arbeiten. Ich glaube unsere Kanzlerin, die heute kommt, unsere jetzige europäische Präsidentin, die macht schon eine sehr gute Politik. Die hat jetzt schon vorgesehen, mit zwei anderen Präsidentschaften zu arbeiten. Das ist das erste Mal und ich glaube das ist eine sehr, sehr gute Sache.

Ostermann: Das ist schon ganz interessant, dass Sie von "unserer Kanzlerin" sprechen. Ist die Identität wirklich schon so weit fortgeschritten?

Daul: Ich habe natürlich mit der Kanzlerin Angela Merkel gemeint: das ist jetzt unsere Präsidentin von Europa seit dem 1. Januar und die gehört auch zu unserer Fraktion. Deswegen sage ich, das ist auch unsere Kanzlerin, unsere Präsidentin.

Ostermann: Herr Daul, die Verfassungsfrage ist wohl das größte Problem, das jetzt anzupacken ist. Wie kann dieser Prozess wieder in Gang gebracht werden?

Daul: Das ist effektiv das größte und da müssen wir eine Lösung finden. Ich hoffe, dass wir sie finden in den nächsten sechs Monaten. Das wird schwierig sein, das weiß ich, aber ich glaube das ist eine große Arbeit. Da müssen wir weiterkommen, sonst kann Europa nicht funktionieren. Ich glaube jeder in Europa, der nur ein bisschen ein kluger Mensch ist, weiß das heute und muss daran arbeiten, dass wir weiterkommen mit dieser Verfassung.

Ostermann: Aber die Frage ist doch, ob die Substanz des Textes Bestand haben kann. Die Grünen zum Beispiel fordern einen neuen Konvent, den der Gipfel im Juni beschließen könnte. Ist das für Sie sinnvoll?

Daul: Nein. Ich glaube bis Juni können wir das nicht. Wir haben auch Wahlen in Frankreich. Das wissen Sie. Mein Parteichef Sarkozy hat ja gesagt, er wird wenn er im Mai gewählt ist sofort – das wird seine erste Arbeit sein – der Präsidentschaft helfen, dass wir in dieser Frage vorwärts kommen.

Ostermann: Das betrifft Frankreich, aber damit sind sie in den Niederlanden noch nicht weiter.

Daul: Ich habe auch gehört, aber das habe ich nur gehört und das kann ich noch nicht bestätigen, dass auch in den Niederlanden etwas im Gange ist.

Ostermann: Etwas im Gange ist in der Hoffnung, dann in der Tat die Verfassung auf den Weg zu bringen?

Daul: Ja, ich glaube das. Sonst können wir nicht weiter funktionieren in Europa. Dessen sind sich alle Länder und alle Verantwortlichen bewusst.

Ostermann: Herr Daul, Angela Merkel hat immer wieder darauf hingewiesen, die Europäische Union stößt an ihre Grenzen, was weitere Mitglieder betrifft. Wie geht man mit Kroatien, Mazedonien und den anderen Westbalkanstaaten um?

Daul: Ich glaube, was die Balkanstaaten angeht, müssen wir weiter arbeiten. Das ist notwendig und daran müssen wir jetzt arbeiten. Dort gibt es so viele Probleme und da wird so viel Kommerz betrieben. Daran müssen wir arbeiten. Das sind unsere Grenzen jetzt auch fast.

Ostermann: Wir müssen weiter arbeiten. Was bedeutet das konkret?

Daul: Das bedeutet konkret mit Kroatien und diesen Ländern, so wie wir es getan haben mit Rumänien und mit Bulgarien. Ich glaube, dass dies konkret bedeutet, dass die so schnell wie möglich in Europa hinein kommen.

Ostermann: Und die Türkei, mit der derzeit verhandelt wird?

Daul: Das ist ein anderes Problem. Die Türkei ist nicht bereit und wir sind nicht bereit. Ich glaube, da müssen wir jetzt einen Punkt haben, wo wir mal die Grenzen von Europa festsetzen. Das soll aber nicht heißen, dass wir die Türkei verlassen. Wir haben ganz enge Partnerschaften und können vielleicht noch engere Partnerschaften gründen mit Europa.

Ostermann: Sie sprechen da ähnlich wie Kanzlerin Angela Merkel von einer privilegierten Partnerschaft, die Ihnen vorschwebt. Ich habe sowieso den Eindruck bei vielem, was Sie gesagt haben, das ist ein enger Schulterschluss mit der derzeitigen Ratsvorsitzenden, mit Angela Merkel. Trotzdem: wo könnte es zwischen Rat und Parlament ernsthafte Konflikte geben?

Daul: Im Moment für die nächsten sechs Monate glaube ich nicht, dass wir große Konflikte haben. Wissen Sie, wir haben das Reach-Problem beendet. Das war kein Konflikt, aber ein großes Dossier, wo wir manchmal mit dem Rat Probleme hatten. Sonst glaube ich nicht. Wir kommen mit der Komitologie, das ist das Verfahren, wo wir arbeiten mit der Kommission, mit dem Rat und mit dem Parlament. Das haben wir mit der österreichischen Präsidentschaft gemacht. Das muss jetzt in Gang gesetzt werden. Da könnte es eine kleine Schwierigkeit geben, aber keine große. Ich glaube nicht, dass es große Probleme in den nächsten sechs Monaten gibt. Das große Problem ist effektiv die Verfassung. Das ist die große Arbeit von der neuen Präsidentschaft.

Ostermann: Die Abhängigkeit Europas in Fragen der Energie von Russland ist gerade vor wenigen Tagen wieder deutlich geworden. Was muss hier zuerst geschehen?

Daul: Bei der Energie muss geschehen, was in vielen anderen Bereichen auch geschieht. Ich glaube die Umwelt, Energie, Justiz, Immigration, das sind auch die Probleme, die unsere Bürger beschäftigen. Die wollen sehen, ob wir etwas tun können für unsere Bürger. Ich glaube bei diesen Problemen wird sie wahrscheinlich auch ganz streng arbeiten in den nächsten sechs Monaten und dann mit den anderen zwei Präsidentschaften.

Ostermann: Und das ist etwas sehr Sinnvolles, dass sozusagen über das halbe Jahr hinweggeschaut wird und langfristig Politik angesetzt wird?

Daul: Das ist notwendig. Das erste halbe Jahr, das sind sechs Monate Arbeit. Aber wenn sie das zweite halbe Jahr anschauen, da sind schon zwei Monate Urlaub dabei und dann bleiben nur noch vier. Das ist auch ein Problem und deswegen brauchen wir auch die Verfassung.

Ostermann: Joseph Daul war das, der neue Vorsitzende der Europäischen Volkspartei im Europaparlament. Ich danke Ihnen für das Gespräch im Deutschlandradio Kultur.