Eva Tind: "Ursprung"

Verlorene Orte wiederfinden

Cover des Buches "Ursprung" von Eva Tind. Auf der linken Seite das Wort "Ursprung" in vier Zeilen mit jeweils zwei Buchstaben pro Zeile, in der Bildmitte eine gezeichnete rote Blume.
© Mare-Verlag

Eva Tind

Aus dem Dänischen von Ursel Allenstein

UrsprungMare Verlag, Hamburg 2022

320 Seiten

25,00 Euro

Von Irene Binal · 19.03.2022
Wer bin ich, wo komme ich her? Die Frage nach dem Ursprung beschäftigt uns alle. In Eva Tinds Roman machen sich gleich drei Figuren auf den Weg. Der führt in einem Fall bis auf eine koreanische Insel und doch zum eigenen Selbst zurück.
Alles beginnt mit einem Umzug: Sui, die 18-jährige Tochter des Architekten Kai, möchte mit ihrem Freund zusammenziehen und bringt Kais wohlgeordnete Welt damit ins Wanken. Plötzlich kommen Erinnerungen hoch: etwa an Kais Beziehung zu der viel älteren Künstlerin Miriam, die ungewollt schwanger wurde und Kai das Sorgerecht überließ, um sich ganz ihrer Kunst widmen zu können.
Oder auch an Kais Herkunftsfamilie, an seinen koreanischen Vater, der die Familie verließ und dem Kai sein asiatisches Aussehen verdankt, mit dem er in Dänemark auffällt, obwohl er doch nichts weiter will, als mit seiner Umgebung eins zu werden. Kai droht, in ein tiefes Loch zu stürzen – bis er eine Werbeanzeige für ein Yoga-Retreat in Indien entdeckt und kurz entschlossen einen Flug bucht.
Im Ashram hofft er, Klarheit über sich und seinen weiteren Weg zu finden.

Auf der Suche nach dem Sinn

Kai ist nicht der einzige Suchende im Roman. Miriam, die einen japanischen Kunsthändler geheiratet hat und nach dessen etwas rätselhaftem Tod nach Skandinavien zurückgekehrt ist, sucht in ihrer Kunst nach dem Ursprünglichen. Ihr finales Werk wird ein ummauertes Stück Land, das das Paradies, die unberührte Natur darstellen und gleichzeitig Miriams letzte Ruhestätte werden soll. Und Sui macht sich, nachdem die Beziehung zu ihrem Freund gescheitert ist, auf den Weg zu ihrer Mutter, die sie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hat.
Aus wechselnden Perspektiven erzählt Eva Tind von drei Menschen, die jeder für sich ihren Wurzeln nachgehen, dem, was sie ausmacht und was sie vermissen. „Mir kommt es so vor, als würde ich versuchen, zu einem Ort zurückzufinden, den ich verloren habe“, sagt Sui zu Miriam, aber die kann und will dieser Ort nicht sein. Und so reist Sui weiter, zur Familie ihres Vaters auf die koreanische Insel Marado, die dafür bekannt ist, dass hier Frauen als Perlentaucherinnen das Geld für ihre Familien verdienen.

Heilen und geheilt werden

Es ist ein Roman mit viel Licht und einigen Schatten. In einer klaren Prosa, die sich mal nüchtern, mal humorvoll, dann wieder poetisch-nachdenklich gibt, zeichnet Eva Tind den Weg ihrer Figuren nach – eigenwilliger Figuren wie der kompromisslosen Miriam, die kein Interesse an Liebe hat und ihrer Kunst rigoros alles unterordnet, oder wie Kai, der sich als Nomade sieht, aber gleichzeitig befürchtet, in einem erstarrten Bild seiner selbst festzuhängen.
Gestört wird die Erzählung allerdings durch allzu klischeehafte Passagen, etwa wenn Kai im indischen Ashram seine Spiritualität entdeckt und plötzlich zum Heiler wird, der durch Handauflegen Schmerzen zu lindern vermag.
Auch die letztendliche Botschaft des Romans – dass man das, wonach man sucht, womöglich schon immer in sich getragen hat –, erscheint ein wenig dünn und erinnert fatal an die Weisheiten diverser Lebensratgeber. Wohl weiß Eva Tind geschickt und flink zu erzählen, wohl hat ihr Text durchaus seine Tiefen, seinen hohen Ansprüchen allerdings vermag er nicht immer ganz gerecht zu werden.

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