Hören Sie dazu auch unseren Korrespondenten Florian Kellermann in "Studio 9": So war der Eurovision Song Contest
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Wieder einmal alles richtig gemacht und grandios gescheitert
Der Portugiese Salvador Sobral hat überraschend den ESC gewonnen. Mit seiner langsamen Nummer hat er Europa berührt - unheimlich authentisch wirkte das. Und diese Authentizität und Leidenschaft ist genau das, was Deutschland fehlte. Wieder einmal.
Salvador Sobral hat einfach sein Ding gemacht: Ein spezieller Typ, ein spezielles Lied - beides passte perfekt zusammen, bis in die kleinsten Gesten. Keine Lichtshow, keine Tänzer, keine Windmaschine - Zeit für Minimalismus beim ESC. Damit hat der Jazzsänger Europa berührt - und mit seiner Botschaft am Ende des Abends: "Music is not fireworks, music is feeling!".
Kein Land, von dem Portugal keine Punkte bekam
Das hat Europa verstanden, auch ohne Portugiesisch-Kenntnisse. Seit der ersten ESC-Teilnahme 1964 war Portugal immer mit einem Song auf Portugiesisch angetreten - und sehr oft damit gescheitert. Aber Salvador Sobral und "Amar pelos dois", den übrigens seine Schwester für ihn geschrieben hat, das passte: Kein Land, aus dem Portugal beim Voting keine Punkte bekam.
Auch im vergangenen Jahr gewann mit Jamala schon eine Sängerin, deren Song hundertprozentig zu ihr gehörte - kaum jemand sonst hätte glaubwürdig (und erfolgreich) über die Vertreibung der Krimtataren singen können. Denn für einen Sieg beim ESC muss vieles zusammenkommen: Der Zeitgeist, ein gutes Lied - und vor allem Glaubwürdigkeit. Das war bei Conchita Wurst, Toto Cutugno und auch ABBA nicht anders. Nun scheint es Zeit zu sein für "weniger ist mehr".
Deutschland fehlt es an Leidenschaft
Das gibt auch die Antwort auf die Frage, warum es in diesem Jahr wieder nur der vorletzte Platz wurde für den deutschen Beitrag: Zuviel Perfektionismus, zuviel "Perfect life": Man will hierzulande den Sieg planen, alles richtig machen: Sympathische Sängerin, tolle Stimme, erfolgreicher Komponist - doch das begeistert nicht automatisch Jurys und Zuschauer in ganz Europa. Es fehlt an Glaubwürdigkeit, an Leidenschaft und auch an Mut. Ein ESC-Sieg lässt sich eben nicht planen.