Eurovision Song Contest

"Herr Kümmert hat die Reißleine gezogen"

Andreas Kümmert beim ESC-Vorentscheid mit Moderatorin Barbara Schöneberger
Andreas Kümmert beim ESC-Vorentscheid mit Moderatorin Barbara Schöneberger. © dpa / picture alliance / Peter Steffen
Der Psychoanalytiker Claus Krüger im Gespräch mit Christopher Ricke und Anke Schaefer · 06.03.2015
Andreas Kümmert hat seine Teilnahme am Eurovision Song Contest zurückgezogen - unmittelbar, nachdem ihn ein Millionenpublikum zum Sieger von "Unser Lied für Wien" gekürt hatte. Ein Skandal? Vor allem eine selbstbestimmte und für ihn richtige Entscheidung, meint der Psychoanalytiker, Arzt und Coach Claus Krüger.
Das Fernsehen hat wieder einen kleinen Skandal: Andreas Kümmert, hochgelobter Gewinner des in der ARD ausgestrahlten Wettbewerbs "Unser Lied für Wien", will lieber doch nicht für Deutschland beim Eurovision Song Contest antreten. Das Publikum quittierte diese "Live"-Entscheidung mit verärgerten "Buh"-Rufen und kam sich offenbar verschaukelt vor.
Claus Krüger, Chefarzt der Psychosomatischen Abteilung der Klinik Ebersberg bei München, versuchte im Deutschlandradio Kultur eine Erklärung für Kümmerts Verhalten: Er kenne den Sänger zwar nicht persönlich, doch sein Verhalten lasse den Schluss zu, dass er nach der Devise "Höre auf deine innere Stimme" gehandelt habe.
"Ich glaube, es geht darum, dass jemand sich selbst gegenüber ehrlich ist und sich vielleicht in jedem Moment überlegt: Kann ich das, will ich das - oder wird mir das, aus welchen Gründen auch immer, zu viel?"
Ein weit verbreitetes Phänomen
Vermutlich sei Kümmert aber erst zu spät bewusst geworden, dass ihn die Situation und der große Erfolg überfordert hätten - und dies habe ihn offenbar so sehr beängstigt, dass es zu dem spontanen Rücktritt vor laufender Kamera gekommen sei.
Dieses Phänomen sei auch in ganz anderen Branchen anzutreffen - etwa im Top-Management von Unternehmen. Es sei sogar ein Klassiker bei Menschen, die immer weiter nach oben wollten und die kaum etwas richtig zufriedenstellen könne.
"Es gibt viele Leute, die an die Spitze von großen Unternehmen kommen - und dann erst merken: Auch das macht mich nicht wirklich zufrieden. Und dann doch sehr einbrechen. Und von daher hat Herr Kümmert (...) eigentlich früh genug die Reißleine gezogen."
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