Eurovision Song Contest 2019

Wie religiös ist der ESC in Tel Aviv?

07:52 Minuten
Die israelische Sängerin Netta Barzilai bei ihrem ESC-Sieg im Mai 2018
Die israelische Sängerin Netta Barzilai bei ihrem ESC-Sieg im Mai 2018 © imago stock&people
Von Lissy Kaufmann · 17.05.2019
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Die Vorentscheide des ESC finden am Schabbat, dem jüdischen Ruhetag, statt. Orthodoxe kritisieren das, aber spielt Religion überhaupt eine Rolle?
Der Eurovision Song Contest findet an einem Samstagabend statt, also kurz nach Ende des Schabbats. Das heißt also, dass die Vorentscheide und Vorbereitungen für das Finale in den jüdischen Ruhetag fallen. Deswegen gab es bereits im Vorfeld einen Aufschrei seitens der Orthodoxen.

Eine schöne Erfahrung für alle

Doch auch der modern-orthodoxe Rabbiner Ariel Konstantyn aus Tel Aviv lässt sich vom Songcontest begeistern. In seiner Synagoge wird sogar beim kommenden Gottesdienst ein Kantor auftreten, der nicht nur traditionelle Lieder singt, sondern auch Eurovision Songs. Das ist bemerkenswert.
"Ich finde halt, dass der ESC zu allererst eine schöne Erfahrung für alle darstellt. Es kommen so viele Menschen aus verschiedenen Ländern, die ihre Kulturen und ihre Musik präsentieren. Gerade über die Musik schafft man ja verbindende Erfahrungen. Musik ist eine vereinende Kraft. Das kann Brücken bauen und Menschen zusammenführen!"
Natürlich hat auch er seine Probleme mit der Entweihung des Schabbats. Der Rabbiner findet, dass die Veranstalter flexibler hätten sein müssen und sich an die lokalen kulturell-religiösen Gegebenheiten anpassen müssten. Es sei auch eine Frage des Respekts.

Freiwilliger Ausschluss

In der israelischen Vorauswahl stand auch die Gruppe "Shalva Band". Unerwartet hatten sie großen Erfolg, sodass die Diskussion aufkam, was man denn machen soll, wenn man gewinne. Denn einige Mitglieder der Band sind religiös und wollten eben den Schabbat nicht für Vorentscheide und Proben entweihen. Sie entschlossen sich, dass das nicht geht und zogen ihre Kandidatur zurück. Rabbiner Konstantyn findet das enttäuschend.
"Die Eurovision steht doch eigentlich für Inklusion, Diversität und Einigkeit. Darum geht es hierbei doch. Immerhin heißt ja auch das diesjährige Motto: Dare To Dream - Trau Dich zu träumen! Genau das hat die Band gemacht und dennoch gab es seitens der Veranstalter keine Unterstützung für sie."
Dennoch kann man zur ESC in Tel Aviv das Judentum kennenlernen. Rabbiner Konstantyn hat dafür vergangene Woche sogar einen Kabbalat Schabbat am Strand abgehalten, um so auch möglichst viele Passanten und Touristen zu erreichen. Hunderte seien gekommen, so der Rabbiner.

Zu Gast bei Juden

Doch nicht nur die Synagogen öffnen die Türen für Besucher und Touristen. Auch die Stadt hat ein Programm auf die Beine gestellt. Wer sich anmeldet, wird am Freitagabend zum Schabbat bei einer Gastfamilie eingeladen. Das kann dann vegan, vegetarisch, orthodox oder säkular sein. In Tel Aviv wird gerade letzteres wahrscheinlich am meisten erlebt werden. Ist die Stadt doch die Insel der Weltlichkeit in einem religiösen Land.
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