Euroskeptiker

Europa – am besten gar nicht erwähnen

Nigel Farage in einer Kneipe
UKIP-Chef Nigel Farage kann sich freuen: Dank der EU ist seine euroskeptische Partei gut versorgt. © Bild: dpa / picture alliance
Von Jochen Spengler, Studio London · 22.05.2014
Die Briten wählen immer donnerstags und so sind heute die Wahllokale von 7 bis 22 Uhr geöffnet. Rund 46 Millionen Bürger sind wahlberechtigt. Der Wahlsieger steht bereits fest: Die Partei der Nichtwähler dürfte rund zwei Drittel aller Stimmen einsacken. Dabei dürfen die Briten heute nicht nur entscheiden, wen sie ins künftige Europaparlament schicken, sondern auch, wer ihre Gemeindevertreter sein sollen. Ein Fünftel der Gemeinderatssitze wird neu bestimmt.
Verlieren dürften die Konservativen von Premierminister David Cameron, die vor fünf Jahren noch als Sieger einen Stimmenanteil von über 27 Prozent eroberten. Jetzt prognostizieren Wahlforscher 22 oder 23 Prozent für die Tories und schlimmer noch: nur den dritten Platz, hinter Labour und der Unabhängigkeitspartei:
"Es wäre überhaupt das erste Mal dass die Konservativen nur dritter würden in einer britischen Wahl."
… betont Simon Hix, Professor für Europapolitik an der London School of Economics. Schon immer geht es den Briten bei der Europawahl weniger darum, den Einfluss in Brüssel zu stärken, als vielmehr um einen nationalen Testlauf für die Unterhauswahl, die in einem Jahr folgt.
"Generell gibt es da immer einen Umschwung gegen die Regierungsparteien. Doch dieses Mal geht der Swing nicht zu Labour wie normalerweise, sondern zu UKIP als Protestpartei."
"Europa hat UKIP erst groß gemacht"
Die UKIP-Tiraden gegen die EU, gegen Einwanderer und das politische Establishment haben den Wahlkampf dominiert, UKIP kam schon vor fünf Jahren auf über 16 Prozent der Stimmen und könnte unter ihrem Anführer Nigel Farage ihren Anteil nahezu verdoppeln. Die Ironie dabei sei, so sagt LSE-Professor Patrick Dunleavy:
"Obwohl UKIP gegen Europa ist, hat Europa erst UKIP groß gemacht – organisatorisch, finanziell, von den Wählern her. Ohne Europa wäre Nigel Farage ein Niemand."
Was David Cameron keineswegs trösten dürfte, ist es doch Farage, der das konservative Wählerreservoir anzapft. Würde UKIP siegen, so wäre dies aber auch für die Labour-Partei unter Ed Miliband blamabel, meint Simon Hix:
"Labour als Oppositionspartei sollte diese Wahlen gewinnen. Sie sollte erster werden; bei jeder Europawahl bislang hat die Oppositionspartei gewonnen. Es wäre das erste Mal, dass sie nicht gewänne."
Labour hat Europa erst gar nicht erwähnt
Labour werden knapp unter 30 Prozent Wählerstimmen zugetraut. Ihre Strategie: als einzige der Parteien hat Labour Europa erst gar nicht erwähnt. Mehr noch – man hat auch sogar den Genossen Martin Schultz verbannt.
"Miliband wollte Schultz nicht im Land haben, weil er glaubt, dass der viel zu kritisch gegenüber Großbritannien und seinem Bankenzentrum London und zu EU-freundlich ist. Schulz war hier und hat mit Miliband verhandelt, aber der Labour-Chef hat gesagt, ich kann dich nicht unterstützen. Er will nicht über Europa reden, weil seine Partei in dieser Frage gespalten ist."
Wie keine andere britische Partei für Europa sind die Liberaldemokraten – dafür dürften sie büßen. Noch stellen sie elf Europaabgeordnete, aber seit Parteichef Nick Clegg 2010 die Liberalen zur Regierungspartei machte, haben sie ihren früheren Nimbus als Protestpartei an UKIP verloren. Sie könnten sogar hinter den Grünen landen, die für acht Prozent der Stimmen und zwei Sitze gut sind, meint Professor Simon Hix:
"Sie könnten sogar ausradiert werden. Die Prognose sieht die Liberalen nur bei 2 Sitzen; 3 oder 4, das wäre okay, aber auf Null runter, das wäre für sie ein Desaster."
Heute abend um zehn Uhr schließen die Wahllokale. Die Ergebnisse werden erst am Sonntag bekannt gegeben. Schon morgen erwartet man die Resultate der gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahlen; obwohl etwa ein Fünftel der Rats- und Gemeindesitze vergeben wird, darunter die in ganz London, spielten die sogenannten local elections in den Medien kaum eine Rolle. Und da für sie das Mehrheitswahlrecht gilt, kann man von ihnen noch nicht einmal auf das Europawahlergebnis schließen.
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