Europawahl

Grüne wollen zweistellig werden

Von Sarah Zerback · 08.02.2014
Mehr statt, weniger Europa, Reformen mit sozialer Balance, statt strikter Sparkurs. Das sind die Signale der Grünen vom Parteitag in Dresden. Spannend wird die Abstimmung über das Spitzen-Duo für die Europawahl.
Während im russischen Sotschi die Olympischen Spiele eröffnet werden, laufen sich im 2000 Kilometer entfernten Dresden die Grünen für die Europawahl warm. Mit Solidaritätsbekundungen, die ihren Höhepunkt erreichen, als fünf junge Parteimitglieder in bunten Ganzkörperanzügen auf der Bühne die Regenbogenflagge schwenken, Parteichef Cem Özdemir:
"Wir wünschen uns vor allem ein Russland, vor dem sich seine Nachbarn nicht in Acht nehmen müssen, keine Angst haben müssen. Deshalb sind wir Freunde Russlands, aber nicht Freunde der russischen Regierung. Sondern wir sind Freunde der Zivilgesellschaft in Russland, all derjenigen, die für Demokratie, für Menschenrechte, für Minderheitenrechte und für Ökologie in Russland stehen."
Es ist eine Kampfansage: gegen Fremdenhass und für die eigene Partei. Denn nach den schwachen 8,4 Prozent bei der Bundestagswahl 2013, da gebe es nun etwas gut zu machen, so Özdemir. Zehn plus x – mindestens ein zweistelliges Ergebnis, will die Parteispitze am 25. Mai einfahren und dazu wieder verstärkt auf Kernthemen wie Klima- und Umweltschutz setzen. Dabei übt sie heftige Kritik an der Bundesregierung, die nicht nur die Energiewende bremse, sondern – so Parteichefin Simone Peter - auch das europäische Projekt gefährde:
"Die Bundesregierung ist oft genug der Klotz am Bein Europas, wenn es darum geht, gemeinsam voranzugehen und Zukunftsperspektiven aufzuzeigen und weniger nationalstaatlich zu denken und zu handeln. Deshalb kommt es auf Grün an, auch in Europa!"
Kampf um das Spitzen-Duo
Mehr statt, weniger Europa, Reformen mit sozialer Balance, statt strikter Sparkurs: Hier ist sich die Partei weitestgehend einig. Strittig ist jedoch die Haltung zum geplanten Freihandelsabkommen der EU mit den USA. Es ist eines der Themen, das noch im Laufe des Parteitags für Diskussionsstoff sorgen könnte, wenn es denn nicht überlagert wird, vom Kampf um das Spitzen-Duo: Rebecca Harms, Fraktionschefin der Grünen im Europaparlament wird von der 25 Jahre jüngeren Ska Keller herausgefordert, die bereits die europäische Spitzenkandidatur gegen die 57-Jährige gewann. Platz zwei soll von einem Mann besetzt werden. Auch hier gibt es zwei Bewerber: Den früheren Parteivorsitzenden Reinhard Bütikofer und Sven Giegold, Europaabgeordneter und Mitbegründer von Attac. Gewinnt Harms, wird Bütikofer dem jüngeren Giegold den Vortritt lassen. Steht Ska Keller oben, geht Giegold auf Platz vier. Konsens sieht anders aus. Doch Parteichefin Peter verteidigt das Wahlkonzept:
"Und ich finde, wir können stolz darauf sein, dass wir die Auswahl unter so vielen tollen grünen Kandidatinnen und Kandidaten haben. Auswahl ist keine Schande, das ist eine Stärke unserer Partei."
Es ist das Duell zwischen Erfahrung und Erneuerung, zwischen Nachdenklichkeit und Aufbruchselan. Für die Delegierten wird das spannend, für das Partei-Establishment, für die alte Garde der Grünen birgt es Gefahren. Und so gibt sich die Fraktionschefin zwar optimistisch – hat sich aber auch schon für den Fall einer Niederlage gewappnet.
"Ich würde glaube ich erst mal Ausschlafen und mir ein paar Tage frei nehmen und dann für das wofür ich verantwortlich bin auch weiter arbeiten. Ich bin ja Fraktionsvorsitzende, da kann ich mir überhaupt nicht leisten lange Trübsal zu blasen."
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