Europawahl

EVP-Politiker Manfred Weber als Spitzenkandidat unbekannt

10:55 Minuten
Weber geht lächelnd an einer blauen Wand mit dem europäischen Sternenkreis vorbei, auf der steht: "Manfred Weber - ein Bayer für Europa".
"Manfred Weber - ein Bayer für Europa" lautet der Werbeslogan des christdemokratischen Spitzenkadidaten bei der Europawahl. © Armin Weigel / dpa
Basil Kerski im Gespräch mit Anke Schaefer  · 27.04.2019
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Nicht nur in Deutschland, auch in Polen sei der EVP-Spitzenkandidat für die Europawahl, Manfred Weber, praktisch unbekannt, sagt der Publizist Basil Kerski. Er bedauert auch, dass der Gewerkschaftsführer Lech Walesa in Berlin selten eingeladen werde und fast vergessen sei.
Mit einer Kundgebung in Münster sind die Unionsparteien in den Europawahlkampf gestartet. Neben Reden von den Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Markus Söder (CSU) hielt der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU), die Hauptansprache. "Als deutscher Politiker erreicht er hier viel mehr Menschen als im Nachbarland Polen, aber auch in Frankreich ist er vollkommen unbekannt", sagte der deutsch-polnische Publizist Basil Kerski. "Keiner kennt ihn." Der CSU-Politiker sei bisher nur Fraktionsvorsitzender der EVP-Fraktion im Europaparlament gewesen.
Porträt von Basil Kerski
Der deutsch-polnische Publizist Basil Kerski.© Deutschlandradio / Malte E. Kollenberg
Eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov hatte vergangene Woche ergeben, dass in Deutschland nur jeder Vierte (26 Prozent) weiß, wer Weber ist. 45 Prozent der Befragten sagten, dass sie keinen der neun Spitzenkandidaten der im Bundestag vertretenen Parteien kennen.
Dass sich Weber jetzt gegen das energiepolitische Projekt Nordstream II ausgesprochen habe, sei allerdings beachtlich und in der europäischen Öffentlichkeit wahrgenommen worden, sagte der Publizist. Der andere europäische Spitzenkandidat, Frans Timmermans, sei als Vize-Chef der EU-Kommission bekannter, auch wenn die europäischen Sozialdemokraten vermutlich schlechter abschneiden würden als die Christdemokraten. Timmermans sei einer der profiliertesten Kritiker der Entwicklungen in Ungarn und Polen. "Das ist schon ein gestandener Europapolitiker, den man doch europaweit wahrnimmt."

Wahlen in Polen

Obwohl es europäische Wahlen seien, würden die Bürger an ihre nationalen Diskurse denken, sagte Kerski. Für Polen sei der 26. Mai der Einstieg in die sehr wichtigen nationalen Parlamentswahlen im Herbst und die Präsidentschaftswahl 2020. "Diese Wahlen gelten als Test für die Stärke der Regierungsparteien und der Opposition." Beachtlich sei, dass es der Opposition gelungen sei, eine einheitliche Wahlliste zusammen zu stellen.
Der ehemalige polnische Präsident Lech Walesa im Februar 2015.
Der ehemalige polnische Präsident und frühere Gewerkschaftsführer Lech Walesa sei in Deutschland fast vergessen, kritisiert Basil Kerski. © picture alliance / dpa / Markus Schreiber
Kerski erinnerte daran, dass das Jahr 1989 die Grundlage für das heutige Europa gelegt habe. Er bedauerte, dass der frühere Gewerkschaftsführer Lech Walesa in Deutschland so stark vergessen sei. Walesa habe vor 30 Jahren nicht nur alle freien Polen vertreten, sondern alle Bürger Mittel- und Osteuropas, die die Freiheit haben wollten. "Man gedenkt immer Gorbatschow, aber die Legende Walesa, die Ikone des 20. Jahrhunderts, lebt in Danzig und wird selten nach Deutschland eingeladen." Dabei sei er mit Havel und Mandela das Gesicht dieser neuen Demokratisierungswelle 1989 gewesen.
Anders als heute hätte der Chef der konservativen polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jaroslaw Kaczynski, noch auf Walesas Seite gestanden und auf dessen Wahlliste kandidiert. Heute stelle Kaczynski das Modell des Übergangs aus dem Kommunismus in die Freiheit von 1989 in Frage. Deswegen gebe es heute eine Gegnerschaft der beiden Politiker.
(gem)

Basil Kerski, deutsch-polnischer Publizist, ist Chefredakteur des Magazins "Dialog" und Direktor des Europäischen Solidarność-Zentrums in Danzig.

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