Europas Antworten auf die Krise

Von Ernst Rommeney, Deutschlandradio Kultur |
Barack Obama äußert sich mittlerweile diplomatischer. Paul Krugman dagegen formuliert unverändert scharf die amerikanische Kritik an den Europäern. Sie verweigerten sich einem gemeinsamen Handeln, vor allem einer international koordinierten Konjunkturpolitik.
Für ihn, den populären Kolumnisten und Träger des Wirtschaftsnobelpreises, hat der ökonomische Irrtum diesseits des Atlantiks einen Namen: Peer Steinbrück. Man mag deutsche Ökonomen für stur, für wenig lernfähig halten und die ordnungspolitische Kontroverse für Nonsens. Doch taugen der deutsche Finanzminister und die Große Koalition nicht zum Buhmann. Denn sie haben seit 2005 – konjunkturell gesehen – eher pragmatisch, denn orthodox gehandelt.

Nein, es ist die politische Emotion, das Lebensgefühl, das sich beiderseits des Atlantiks so sehr unterscheidet. Die Europäer sind lediglich erleichtert, dass die Bush-Administration nicht mehr hinderlich ist. Die amerikanischen Demokraten aber wollen mit Barack Obama eine andere Politik einführen und ihr Land erneuern.

Doch sie spüren scharfen Gegenwind – durch die Folgen der Rezession, die alten schlechten Sitten der Finanzbranche, die republikanische Opposition. Und nun mobilisieren sie nicht nur ihre Anhänger, sondern erwarten auch von den europäischen Partnern, dass sie den Politikwechsel aktiv unterstützen.

Das wäre sicher sinnvoll. Leider setzt Washington andere Prioritäten als Brüssel oder Berlin. Das Bankensystem sei zu stabilisieren, soweit sei man sich einig, argumentieren die Amerikaner. Zugleich sollten weltweit Konjunkturprogramme aufgelegt werden und zwar großzügig, über mehrere Jahre verteilt.

Die neuen Regeln für die Finanzmärkte dagegen, an denen die Europäer so eifrig arbeiten, könnten noch warten. Doch das wäre falsch, denn nach spekulierenden Banken und Finanzinvestoren begeben sich derzeit rettende Notenbanken und Regierungen auf das Glatteis der Märkte.

Natürlich dürfen die Europäer nicht die ernste Warnung an den alten Kontinent überhören. Weil die USA selbst in wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken, werden die Amerikaner der Weltwirtschaft nicht erneut zum Aufschwung verhelfen können, schon gar nicht durch ein Wachstum auf Krediten. Sie sollten es jedenfalls nicht.

Weshalb sie erwarten, dass Europa und Deutschland die eigene Binnenwirtschaft beleben, also nicht allein auf den nächsten Exportboom hoffen. Denn das Geschäft in der Fremde ist auf Dauer nur gesichert, wenn umgekehrt Waren und Dienste des Auslandes hierzulande einen attraktiven Absatzmarkt finden.

Um sich selbst, aber auch um Amerika zu helfen, soll Europa politisch mitziehen. Es ist ein Ruf nach Solidarität. Lauert doch überall das Misstrauen, der eine wolle sich auf Kosten des anderen aus der Krise holen. Und auch das Misstrauen hat seine Namen, nämlich Protektionismus und Inflation.

Die Empfehlung, jetzt alles auf eine Karte zu setzen, nochmals viel Geld in die Hand zu nehmen und auch Europa zu modernisieren, klingt verlockend. Doch niemand weiß, wie lange die konjunkturelle Talfahrt dauert. Noch Jahre, sagen die Pessimisten. Außerdem werde der Euro im Kurs steigen, die Währungszone auseinanderfallen und einige EU-Mitglieder würden im Staatsbankrott landen, bevor eine nur mäßige Erholung und der nächste Ölpreisschock kämen.

Und so setzen die Europäer darauf, ihr Pulver nicht gleich im Jahr 2009 zu verschießen. Es machen ja nicht nur die weiter wachsenden öffentlichen Schulden Angst und Bange, sondern auch die Billionen, welche Notenbanken und Regierungen in den Wirtschaftskreislauf pumpen. Sie bekämpfen die Kreditkrise mit Krediten – unter dem Risiko, anderen Schuldnern das Wasser abzugraben, mit niedrigen Zinsen die nächste Spekulationswelle zu befeuern und eine neue Liquiditätsblase entstehen zu lassen.

Da ist es schon begründet, dass Brüssel seinen Ehrgeiz darin legt, eine Finanzarchitektur zu schaffen – in der Gruppe der 20 Industrie- und Schwellenländer und gemeinsam mit der neuen amerikanischen Administration. Parallel dazu will die alte EU-Kommission, noch bevor sie im Herbst abtritt, ihr Konzept einer europäischen Finanzaufsicht fertig stellen.

Gerade der derzeit laufende Prozess, internationale Standards festzulegen, belegt, dass sich die wichtigsten Länder durchaus weltweit abstimmen können, wenn sie denn wollen. Und diese Erfahrung wäre schon mal eine gute europäische Antwort auf die amerikanische Kritik.