Europapolitiker Michael Cramer

"Maut ist derbe Niederlage für Merkel"

Michael Cramer, Verkehrsausschuss-Vorsitzender im Europaparlament
Michael Cramer, Verkehrsausschuss-Vorsitzender im Europaparlament © picture alliance / ZB / Nestor Bachmann
Michael Cramer im Gespräch mit Andre Zantow · 28.03.2015
Die umstrittene PKW-Maut hat es durch den Bundestag geschafft. Der Grünen-Abgeordnete Michael Cramer hält dieses Gesetz für falsch, auch wenn er persönlich nicht betroffen ist, da er andere Verkehrsmittel bevorzugt.
Deutschlandradio Kultur: 36 Seiten mit Änderungen als Zeichen des Widerstandes der Sozialdemokraten gegen die Pkw-Maut, so der SPD-Politiker Martin Burkert, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag. Aber am Ergebnis ändert das wenig. Die Maut kommt ab dem kommenden Jahr. Das ist seit gestern klar. Die Jahres-Vignette soll pro Jahr durchschnittlich 74 Euro kosten – und 500 Millionen Euro einbringen für den Erhalt der Straßen.
So steht es in dem Gesetz, das der Bundestag gestern mit den Stimmen der Großen Koalition beschlossen hat – durchgesetzt von der CSU, umgesetzt vom eben gehörten Bundesverkehrsminister Dobrindt.
Über Auswirkungen, Sinnhaftigkeit und wohl wichtigere Verkehrsprojekte in Europa – Stichwort „vereintes Bahnsystem" - sprechen wir heute Tacheles mit Michael Cramer, Verkehrspolitiker bei Bündnis 90/ Die Grünen, seit 11 Jahren im Europaparlament und dort Vorsitzender des Verkehrsausschusses. Schönen guten Tag, Herr Cramer.
Michael Cramer: Schönen guten Tag.
Deutschlandradio Kultur: Zunächst allerdings, zur EU-Verkehrspolitik, Herr Cramer, gehört auch der Flugverkehr. Nach dem Unglück in Frankreich mit 150 Toten was kann die EU zur Erhöhung der Sicherheit tun in der Luft?
Michael Cramer: Zunächst mal geht's darum, unser Mitgefühl zu erklären mit den Angehörigen, mit den Freunden der Opfer, die ums Leben gekommen sind. Bedrückt hat mich vor allen Dingen, da war eine Schulklasse dabei, die einen Schüleraustausch macht mit Barcelona. Und die 16 Schüler sind alle ums Leben gekommen. Deshalb haben wir im Ausschuss auch eine Schweigeminute dafür eingelegt. Das ist jetzt das Wichtigste, damit die Opfer und deren Familien nicht alleine sind.
Deutschlandradio Kultur: Trotzdem gehen die Diskussionen natürlich los. Wie kann man die Lage verbessern bei der Flugsicherheit? Was sind da Ihre Ideen? Kann es aus Europa Impulse in diese Richtung geben?
Michael Cramer: Es geht ja zunächst darum genau festzustellen, was waren die Ursachen. Viel wird noch spekuliert. Aber die Untersuchungen sind da. Und, was ich gehört habe, die französischen Behörden sind an dem Punkt sehr zuverlässig. Sie werden unabhängig recherchieren und dann die Ursachen feststellen. Und wenn es sein sollte, dass immer im Cockpit vier Augen anwesend sein müssen, was einige Airlines schon durchsetzen, was in den Vereinigten Staaten schon längst gängige Praxis ist, dann sollten wir das auf Europa übertragen.
Wir wissen, hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben. Aber das Höchstmaß an Sicherheit muss die oberste Priorität im europäischen Flugverkehr haben.
Deutschlandradio Kultur: Das heißt, wir hören dort bald über eine EU-Richtlinie sprechen?
Michael Cramer: Man kann ja bestimmte Sachen auch schnell machen. Wir haben das damals bei den Liquids, also den Flüssigkeiten, die mitgenommen werden können, was allerdings im Nachhinein nicht so überzeugend war. Aber das kann man machen. Wir hatten auch die Debatte über die Flugzeiten der Piloten. Ich möchte nicht von einem Piloten geflogen werden, der 22 Stunden schon im Dienst ist. Denn der EUGH, der Europäische Gerichtshof, hat einst beschlossen, dass Bereitschaftsdienst wie Arbeitszeit gewertet werden muss. Und da konnten wir uns nicht durchsetzen gegen den Rat. Ich hoffe, dass wird auch ein Thema sein, dass wir die Flugzeiten für Piloten reduzieren. Denn um Geld kann es gar nicht gehen. Selbst wenn wir einen dritten Piloten bei Langstreckenflügen hätten, kostete das pro Passagier zwei Euro mehr. Und ich zahle gerne diese zwei Euro mehr und habe dann zehn Stunden größere Sicherheit als sonst.
Kritik an der CSU
Deutschlandradio Kultur: Nun ist der Luftverkehr allerdings global. Es gibt sehr viele Linien. Welche Standards kann die EU überhaupt setzen?
Michael Cramer: Die EU hat natürlich ein großes Gewicht, weil die meisten Flüge im internationalen Verkehr innerhalb der EU auch sind. Und wenn man bei den Amerikanern das anschaut, wenn die beiden entschieden dafür sind, dann kann man das auch weltweit durchsetzen. Es gibt eine weltweite Organisation. Und da kann man diese Regeln durchsetzen.
Deutschlandradio Kultur: Belassen wir es jetzt hier erstmal dabei, Herr Cramer, und kommen zur PKW-Maut, die gestern der Bundestag beschlossen hat – nach viel Kritik und gegen große Widerständen. – Sind Sie denn jetzt froh, dass dieses quälende Thema erstmal vom Tisch ist?
Michael Cramer: Das ist nicht vom Tisch. Das beschäftigt uns weiter. Zunächst mal ist es eine derbe Niederlage für Angela Merkel, weil sie ihr Wort gebrochen hat. Sie hatte vor der Wahl gesagt, „mit mir wird es eine Pkw-Maut nicht geben". Und sie gilt als zuverlässig und hat ja wenig konkrete Äußerungen im Wahlkampf gesagt. Das war eine der wenigen. Dieses Wort bricht sie nun. Das ist ihre Niederlage. Sie hätte es verhindern können. Das ist der erste Punkt.
Der Bundestag hat es beschlossen und diese drei Koalitionsfraktionen auch, nur weil es eine kleine Regionalpartei aus Bayern so will. Und da geht es nicht um Geld, es geht auch nicht um die Maut, sondern es geht um das Schüren fremdenfeindlicher Gesinnung. Das wird unterstützt. Das verurteile ich schon aufs Schärfste.
Deutschlandradio Kultur: Rechnen Sie denn damit, dass dieses Gesetz trotz gewisser Änderungen vom Europäischen Gerichtshof einkassiert wird? Und wenn ja, wann?
Michael Cramer: Wir haben ja mehrere Beispiele. Aus Fehlern wird man klug, heißt es, aber für Dobrindt sind offensichtlich zwei Fehler nicht genug und für die gesamte Bundesregierung, für die drei Parteien. Denn 1990, Sie können sich vielleicht nicht daran erinnern, wollte der damalige Verkehrsminister Zimmermann die Lkw-Maut durchsetzen und gleichzeitig die Kfz-Steuer für Lkw senken. Das hat der EUGH gestoppt, und zwar hat er es sofort gestoppt, obwohl das Urteil erst zwei Jahre später kam, weil der EUGH überzeugt war, wenn es erstmal läuft, kann es zu spät sein. Deshalb wurde das unterbunden.
Das ist auch heute möglich. Nach § 279 kann eine einstweilige Anordnung der Kommission beim EUGH eingelegt werden. Und dann kann der EUGH sagen, okay, wir müssen das endgültige Urteil abwarten. Ähnlich war es 2004, als die damalige rot-grüne Bundesregierung die Lkw-Maut dann eingeführt hat. Also, Zimmermann hat es dann gelassen. Da war dasselbe. Dann wurde sie aber trotzdem eingeführt. Deshalb war die Lkw-Branche enttäuscht, weil ihnen vorher gesagt wurde, das wird reduziert. Aber sie wurde eingeführt. Und von daher ging das. Also, da haben wir zwei Beispiele. Und Dobrindt glaubt, er käme damit durch. Der EUGH wird sich doch nicht selber blamieren und auch die EU-Kommission.
Und wenn die EU-Kommission, wenn Juncker das durchwinkt, dann kann er sich verabschieden. Die Kommission sind die Hüterinnen und Hüter der Verträge. Sie müssen sich an Gesetz halten. Und was hier läuft in Deutschland, ist eine absolute Ausländerdiskriminierung und eine Bevorteilung der Deutschen. Das ist weder mit dem EU-Recht, noch mit dem Grundgesetz vereinbar.
Deutschlandradio Kultur: Was sehen Sie denn als Konsequenz daraus, wenn das wirklich gekippt werden würde? Denn ich denke mal, dass die Bürger die gezahlte Maut dann nicht rückwirkend nochmal zurückerhalten. Ab 2016 soll sie ja kommen. Gibt es dann einfach eine allgemeine Maut?
Michael Cramer: Nein, zunächst mal, ich denke, der EUGH wird das unterbinden. Es werden ja auch Klagen, von Österreich sind die angekündigt worden, auch von den Niederlanden. Deutschland, der Musterknabe der EU, hat sich durch diese einjährige Pkw-Maut für Ausländer zum Prügelknaben Europas entwickelt. Und der Vorsitzende der EU-Generaldirektion Verkehr, Machado aus Portugal, hat im Ausschuss gesagt: Wir sind für das Nutzerfinanzierte Verfahren, aber wir sind dagegen, dass praktisch nur die Ausländer zahlen müssen. Und da weiß ich, dass die Kommission überprüft, wie kann sie das jetzt so anlegen, dass sie eine einstweilige Anordnung einreicht, dass es gestoppt wird. Und wenn das passiert, dann passiert zunächst überhaupt nichts.
"Ich habe seit 1979 kein Auto"
Deutschlandradio Kultur: In zwei Jahren soll die Maut ja in Deutschland nochmal überprüft werden. Das hat jetzt die SPD rein verhandelt. Außerdem gibt es keine Pauschalvignetten, sondern die 10-Tages- und die 2-Monats-Vignette, jeweils dann etwas teurer, umso mehr Schadstoffe das Auto ausstößt. Als Grüner müssten Sie doch eigentlich sagen: Jawohl, da kann ich jetzt zustimmen.
Michael Cramer: Natürlich wissen wir, dass der Autoverkehr die Kosten nicht begleicht, die er verursacht. Auch wenn der ADAC immer sagt, die Autofahrer sind die Melkkuh der Nation, das Gegenteil ist der Fall. Wir haben eine Untersuchung in Auftrag gegeben, dass in der EU jedes Auto in Europa mit 1700 Euro vom Steuerzahler unterstützt wird, wenn man die Folgekosten – Klimakosten, Unfallkosten usw. – mit berechnet. Das heißt, wir alle zahlen, auch die, die kein Auto haben, zahlen, damit das Autofahren billiger ist. Ich habe seit 1979 kein Auto. Ich habe schon mehr als 70.000 Euro bezahlt, damit das Autofahren billig wird. Das ist ja verrückt.
Jetzt kommt aber hinzu, dass dieser Gesetzesvorschlag immer trennt zwischen Inländern und Ausländern. Also, die deutschen Autofahrer, die werden entlastet über die Kfz-Steuer, die Ausländer nicht. Die deutschen Autofahrer sollen aber eine Maut bezahlen auf Bundesstraßen und auf Autobahnen, die Ausländer nur auf Autobahnen. Wir streben Europa an und verfallen in die Kleinstaaterei. Das ist doch alles verrückt. Aber das ist offensichtlich Realität. Deshalb geht's nicht ums Geld.
Wir brauchen viel Geld für die Infrastruktur. Da gebe ich Ihnen Recht. Aber wir können zum Beispiel, mit der Erhöhung der Mineralölsteuer um einen Cent hätten wir 400 Millionen ohne Bürokratie sofort. Das ist der einfachste, schnellste und effizienteste Weg, eine Win-Win-Win-Situation. Aber die ist in der Politik schwer durchzusetzen.
Deutschlandradio Kultur: Ich möchte Sie trotzdem nochmal fragen: Unter welchen Bedingungen, wir haben jetzt gerade über die Abstufung nach Schadstoffausstoß gesprochen, unter welchen Bedingungen würden Sie denn einer Maut zustimmen? Oder sind Sie generell, einfach nur, weil es eine Maut ist, dagegen?
Michael Cramer: Nein. Wir sind ja dafür, dass die Nutzerfinanzierung oder Internalisierung der externen Kosten, da sind wir unbedingt dafür, weil das natürlich die Bahn sehr benachteiligt, die ja die Kosten alle selber aufbringen muss.
Aber zunächst Mal, das Einfachste wäre gewesen, die Lkw-Maut, die wir in Deutschland haben, nicht zu senken. Die hat ja Dobrindt gesenkt. Gleichzeitig sagt er, ich brauche mehr Geld. Also, das verstehe, wer will – ich nicht.
Der zweite Punkt wäre: Wir haben eine Maut, eine Schienen-Maut in Europa für jede Lokomotive auf jedem Streckenkilometer in der Höhe unbegrenzt. Die Straßenmaut ist eine freiwillige Angelegenheit der Mitgliedsstaaten, ob sie sie überhaupt erheben. Dann gilt sie in Deutschland nur für Autobahnen, einigen Bundesstraßen und für Lkw ab 12 Tonnen. Der nächste Schritt müsste sein, sie zu senken, ab 7,5 bis 3,5 Tonnen.
Die Schweiz zeigt das schon seit über zehn Jahren. Da gibt es die leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe. Die gilt für jeden Lkw ab 3,5 Tonnen auf jedem Streckenkilometer. Deshalb hat die Schweiz keine Verlagerung von Autobahn auf Bundesstraßen oder von großen Lkw auf kleine Lkw. Das wäre die richtige Variante.
Dann kann man auch zur Pkw-Maut kommen, aber nicht in dem Zusammenhang, nur die Ausländer zahlen, wir nicht. Denn auf deutschen Straßen gibt es nur fünf Prozent Ausländer. Dafür sich ein Jahr lang so abzurackern und dann mit so einem Gesetzentwurf zu kommen, das ist verrückt, aber in Deutschland Realität.
"Die 500 Millionen sind eine Luftnummer"
Deutschlandradio Kultur: Trotzdem ist natürlich Alexander Dobrindt von der CSU da erstmal mutig, wenn er sagt, wir brauchen eine neue Abgabe. Das ist ja erstmal ein unpopuläres Thema. Und er versucht jetzt eben dadurch 500 Millionen Euro, so sagt er es, pro Jahr einzunehmen. Da müssten Sie doch eigentlich als Verkehrspolitiker bei einem Kollegen, der jetzt eben mehr Geld in den Erhalt ihres Bereichs bringt, froh sein.
Michael Cramer: Die 500 Millionen sind eine Luftnummer. Alle bestreiten das, selbst Schäuble. Aber Angela Merkel hat da nicht mehr zu Wolfgang Schäuble gestanden. Deshalb hat er dann seine Kritik zurückgezogen. Wir werden sehen, was bei rauskommt. Wenn da 200 Millionen rauskommen, das wäre viel. Möglicherweise müssen wir noch drauf zahlen. Das hat Schäuble ja befürchtet.
Also, wenn es um Geld geht, wäre die einfachste Sache Mineralsteuererhöhung. Natürlich bräuchten wir auch europaweit eine Maut. Und was bei der Schiene möglich ist, das haben ja die Mitgliedsstaaten alle entschieden, das könnte man übertragen, das Prinzip, auch auf die Straße. Und dann müssten wir noch eine Harmonisierung haben, dass wir mit dem Auto nicht sechs oder sieben unterschiedliche Systeme haben muss, wo die Maut abgerechnet wird. Das wäre die richtige Richtung. Aber die fängt doch nicht damit an, dass man zwischen Ausländern und Inländern unterscheidet, sondern da muss ich Europa im Blick haben und nicht die bayerische Provinz.
Deutschlandradio Kultur: Das heißt, wir brauchen eine europäische Maut oder ein europäisches System, wie eine Maut abgerechnet wird?
Michael Cramer: Genau. Wir haben ja unterschiedliche Steuersysteme. Das ist ja das Problem. Also, nicht überall gibt es eine Kfz-Steuer. Natürlich könnte man dann auch sagen, wenn wir eine europäische Maut haben, dann wird die Kfz-Steuer gesenkt, aber nicht so, dass es nur für die Inländer gilt und nicht für die anderen. Das ist doch der Hauptpunkt.
Deutschlandradio Kultur: Soweit erstmal zur Maut ab 2016 in Deutschland.
Herr Cramer: Sie haben Ihre berufliche Laufbahn ja angefangen als Lehrer in Berlin-Neukölln. – Wie würden Sie denn den europäischen Verkehrsraum als Ganzes benoten, also aus Sicht eines Nutzers, der schnell, unkompliziert, sicher, kostengünstig und umwelterhaltend reisen möchte? Welche Note würden Sie dem EU-Verkehrsraum geben?
Michael Cramer: Den würde ich unterscheiden. Der Straßenverkehrsraum ist optimal. Ich kann ohne Probleme mit dem Lkw von Lissabon nach Tallin fahren, mit dem Pkw ebenfalls. Wir haben die Grenzen, die ich als Jugendlicher noch immer kannte, Anhalten, Pass zeigen, Untersuchung, das ist vorbei in weiten Teilen. Also, auf der Straße sind wir sehr weit vorangekommen, im Flugverkehr ebenfalls. Aber bei der Schiene ist es eine Katastrophe. Bei der Schiene ist die Kleinstaaterei die Realität.
Wir haben heute die Verbindungen, die sind schlimmer als vor dem Zweiten Weltkrieg, manchmal sogar schlimmer als vor dem Ersten Weltkrieg. Ich will Ihnen gerade drei Beispiele nennen, weil wir in Berlin sind. Ohne Solidarnosc wäre die Mauer 1989 nicht gefallen und der Eiserne Vorhang in Europa nicht gebrochen worden. Die haben viel riskiert. Und wie sehen die Verbindungen nach Polen aus?
Die Polen haben zum Beispiel von Breslau bis zur deutschen Grenze die Strecke elektrifiziert und saniert. Die Deutschen haben das nur bis Cottbus gemacht. Deshalb brauchen wir heute mit der Bahn von Berlin nach Cottbus fünf Stunden, vor dem Krieg zweieinhalb Stunden. Weil jetzt der Fernbus schneller ist, weil, die 50 km muss man zweimal umspulen, zweimal die Lokomotive wechseln, brauchen wir eben fünf Stunden, und weil der Fernbus jetzt schneller ist, wurde diese Eisenbahnverbindung eingestellt, obwohl wir 2016 die Kulturhauptstadt Europas in Breslau haben. Das ist eine Beleidigung der Polen, dass wir das in 25 Jahren nicht hinbekommen, diese Verbindung ordentlich zu gestalten.
Ich sage mal, das ist ein Prozent der Kosten. Für 100 Millionen könnten wir zwei Stunden einsparen. Wir geben zehn Milliarden aus in Stuttgart, um eine halbe Stunde Fahrtzeit einzusparen zwischen Stuttgart und Ulm. Das ist verrückt, aber Realität. Dasselbe ist nach Swinemünde, Świnoujście. Usedom ist die Badewanne von Berlin. Da brauchen wir heute mit der Bahn vier Stunden, weil die Karniner Brücke, die in den letzten Kriegstagen zerstört wurde, auch nach 70 Jahre nicht wieder aufgebaut wurde. Wir könnten auch dort mit 100 Millionen zwei Stunden einsparen. Das heißt, dann wären die Berliner in zwei Stunden auf Usedom. Das wäre super. Das machen wir nicht. Und nach Stettin ist dasselbe. Da fehlen 35 Kilometer Elektrifizierung. Deshalb gibt es keine direkte Verbindung nach Stettin. Auch da muss die Lokomotive gewechselt werden.
Deutschlandradio Kultur: Ich habe noch ein anderes Beispiel, Herr Cramer. Und zwar war ich auf der Homepage der Deutschen Bahn. Wenn man da eingibt "München nach Rom", dann kriegt man als Antwort: „unbekannter Auslandstarif". Also, man kann das Ticket da gar nicht buchen. – Woran liegt das? Das kann ja nicht an technischen Möglichkeiten liegen, sondern woran?
Michael Cramer: Also, das Parlament hat sich schon im dritten Eisenbahnpaket, das war vor sieben oder acht Jahren...
Forderung nach besseren Informationen zu Bahn-Verbindungen
Deutschlandradio Kultur: Welches Parlament? Das Europäische?
Michael Cramer: ..., das Europäische Parlament, dafür ausgesprochen, dass wir einmal alle Informationen europaweit haben und alle Tickets auch kaufen können. Das geht nicht, selbst die Information nicht. Wenn ich in Brüssel zum Bahnhof gehe und will ein Ticket nach Ennepetal, dann sagt er, ist kein Problem. Dann geht er an den Computer: Gibt's nicht. Also, ich komme aus Ennepetal, deshalb sage ich das.
Warum ist das so? Weil, ich sage immer, die Eisenbahnunternehmen, das sind die letzten nationalistischen Behörden in Europa. Die gucken nur auf ihr System. Die haben ein System, aber das könnten sie ja weitergeben. Dann bräuchten wir ein übergeordnetes System, was alle Informationen aufnimmt und dann dem Kunden anbietet. Im Flugverkehr ist es möglich. Im Flugverkehr kriege ich alle Verbindungen, egal, ob welche Airlines das sind, ob das unterschiedliche Airlines sind, das kriege ich alles. Das brauchen wir auch bei der Bahn.
Deutschlandradio Kultur: Warum sind das denn nationale Behörden?
Michael Cramer: Weil sie nur so in ihren nationalen Kategorien denken. Wir haben zum Beispiel in Europa 20 unterschiedliche Zugsicherungen und Signalsysteme. Wir haben mehr als sechs Stromspannungen. Wir haben vier Spurweiten. Deshalb schauen die nur auf ihre Gegend. Und im Güterverkehr haben wir mehr als 50 Prozent grenzüberschreitende Verkehre, aber im Personenverkehr nur acht Prozent. Das liegt eben daran, weil da möglicherweise die Lok gewechselt werden muss, weil wir den europäischen Führerschein, den haben wir vor sieben Jahren schon beschlossen, der ist aber noch nicht so weit gekommen, dass das normal ist. Und da tut sich wenig.
Und die Länder wollen nicht. Die gucken nicht auf die Grenze.
Ich kann Ihnen ein Beispiel nennen. Im letzten Jahr, ich will auch ein positives Beispiel nennen, ich habe ja schon drei negative genannt, zwischen dem deutschen Sebnitz und dem tschechischen Dolní Poustevna gibt es eine Schienenlücke von 660 Metern. Die ist im letzten Jahr geschlossen worden. Die Fahrgastzahlen steigen. Und das als Schneckentempo zu bezeichnen, ist eine Beleidigung der Schnecke. Denn die schafft mehr als 660 Meter in 25 Jahren. Aber warum ist es so? Warum kann das nicht machen?
Und auch die Verkehrsprojekte Deutsche Einheit gingen nur bis Berlin, als wäre der Eiserne Vorhang nicht gefallen. Also, Adenauer hat schon gesagt, östlich der Elbe ist alles Asien. Aber der Horizont muss erweitert werden.
Deutschlandradio Kultur: Ich habe auch noch ein anderes Beispiel, wenn Sie Tschechien gerade ansprechen. Wer schon mal von Berlin nach Prag gefahren ist, der wird sich auch noch erinnern können, wie schön die Strecke war, weil man auch sehr gut rausgucken konnte, denn es war auf der tschechischen Seite sehr, sehr langsam.
Warum ist es Ihnen jetzt, Sie sind seit elf Jahren im Europaparlament, noch nicht gelungen, da etwas durchzusetzen, dass man entsprechende Fördermittel in diese Bereiche geben kann, damit Strecken ausgebaut werden, schneller werden?
Michael Cramer: Weil, ohne die Mitgliedsstaaten geht es nicht. Wir haben zum Beispiel, als wir die transeuropäischen Netze beschlossen haben, das ist so wie der Bundesverkehrswegeplan für Europa, mehrere Änderungsanträge eingebracht. Wir hatten eine große Mehrheit im Ausschuss. Dann hat Deutschland zum Beispiel gesagt, die Strecke nach Świnoujście, die Bundesregierung, nee, wollen wir nicht, interessiert uns nicht. Und dann geht das nicht, weil, die Europäische Union gibt nur eine Co-Finanzierung, 30 oder 40 Prozent.
Deutschlandradio Kultur: Welches Kalkül vermuten Sie denn dahinter, dass da auf die Bremse getreten wird?
Michael Cramer: In Deutschland ist die absolute Priorität die Straße. Die Schiene spielt kaum eine Rolle. Und dann spielen die nationalen Projekte eine Rolle. Das europäische Geld wird hauptsächlich – nicht nur von Deutschland, auch von anderen Ländern – abgegriffen für die nationalen Projekte. Erfurt-Nürnberg zum Beispiel hat mit Europa nichts zu tun. Es wird aber gesagt, das ist der Korridor Stockholm-Palermo, obwohl wir von München bis zur Grenze noch nicht mal eine Planfeststellung haben, geschweige denn Baurecht. Aber da geht eine Milliarde hin. Oder Stuttgart-Ulm geht auch viel Geld hin, aber in grenzüberschreitenden Projekte kaum. Deshalb haben wir als Grüne den Antrag im Europäischen Parlament gestellt und haben gesagt: Von der Grenze bis zum nächsten Bahnknoten, dieser Abschnitt, der nicht im nationalen Interesse ist, aber im hocheuropäischen Interesse, der müsste co-finanziert werden wie die Strukturfondmittel und Kohäsionsfondmittel bis 85 Prozent und nicht nur bis 30 oder 40 Prozent.
Da haben wir leider im Parlament keine Mehrheit für gekriegt. Aber das wäre der europäische Mehrwert, um den sich die Kommission kümmern müsste. Und das macht auch die Kommission nicht. Aber ein europäisches Gesetz gibt's nur, wenn die drei Institutionen sich einig sind. Und solange Deutschland blockiert, passiert da nix.
Zu viel Geld wird für den Fernverkehr ausgegeben
Deutschlandradio Kultur: Nun haben Sie erzählt, dass der Fokus in Deutschland auf der Straße liegt von den derzeitigen Regierungen. Aber auch auf der Schiene ist ja ein großes Wachstumspotenzial. – Warum gelingt es nicht, das auch als Chance, als Wirtschaftsfaktor zu sehen, grenzüberschreitender Reiseverkehr mit der Bahn?
Michael Cramer: Weil die Bundesregierung und die Bahn denkt, so schnell wie möglich von A nach B und nicht so schnell wie nötig. Die Schweiz hat zum Beispiel eine Hochgeschwindigkeitsstrecke gebaut, Bern-St.Olten, mit der Begründung, dass dann von dieser Geschwindigkeitsverbesserung 70 Relationen in der Schweiz profitieren. So wird in Deutschland nicht gedacht, schon gar nicht gehandelt.
Und das Geld wird ausgegeben für den Fernverkehr, obwohl aber 90 Prozent der Bahnkunden auf Strecken unter 50 Kilometer sind. Wir haben seit der Bahnreform etwa 100 Milliarden Euro in den Fernverkehr investiert in Deutschland. Und wenn Sie sich die Fahrgastzahlen angucken im Fernverkehr, der Interregio ist gestrichen worden, jetzt sind die Nachtzüge gestrichen worden, die sind heute nach 20 Jahren und 100 Milliarden Investitionssumme um zwei Millionen kleiner als damals.
Die Bahn sagt, die Bahnreform war ein Erfolg, weil sie auf die Zahlen jetzt insgesamt gucken. Der Nah- und Regionalverkehr, der stiefmütterlich behandelt wird, da muss ich Ihnen von der S-Bahn hier nichts erzählen, der hat Gewinne. Und da wird aber wenig investiert. Das müssen wir umkehren. Da sind die Entscheidungen gerade in dem Nah- und Regionalverkehr. Das müssten wir machen. Und dann könnten wir nachher auch die Großprojekte finanzieren. Aber wenn wir mit den Großprojekten anfangen, die vielleicht in 30 oder 40 Jahren zu 50 oder 60 Prozent fertig sind, dann wird Geld vergraben, aber die Effizienz ist nicht da.
Deutschlandradio Kultur: Herr Cramer, einer Ihrer häufigsten Sätze, sie haben ihn heute auch schon kurz genannt, ich bin seit 1979 ohne Automobil, sagen Sie. Sie propagieren also mit Ihrem Vorbild ein Leben ohne eigenes Auto. Aber damit stehen Sie ziemlich allein da. Denn bei einem Blick auf die Statistik zeigt sich, der Kraftfahrzeugbestand in Deutschland steigt jedes Jahr immer weiter an. Es gab mal eine große Delle durch die Abwrackprämie 2008, aber sonst ein stetiges Wachstum. Inzwischen sind 54 Millionen Fahrzeuge in Deutschland angemeldet. – Wie erklären Sie sich denn diese ungebremste Begeisterung fürs Auto?
Michael Cramer: Also, ich bin kein Exot. Jeder zweite Haushalt in Berlin ist so mobil wie ich ohne eigenes Auto. In Berlin haben wir Spitzenwerte, knapp über 300 Autos auf tausend Einwohner. Das erreicht sonst kaum eine Stadt. Und trotzdem baut diese Landesregierung eine Autobahn, die in den 50er Jahren geplant war, für 500 Millionen drei Kilometer mit 150 Millionen pro Kilometer die teuerste Autobahn der Republik. Und damals war das unumstrittene Leitbild die autogerechte Stadt.
Wir haben nach dem Fall der Mauer acht Wendeschleifen der Straßenbahn vor der Mauer gehabt. Das Einfachste wäre gewesen, die Straßenbahnlinien ein oder zwei Kilometer zum nächsten westlichen U- oder S-Bahnhof zu verlängern. Dann wäre die Stadt zusammengewachsen. Das haben wir jetzt in 25 Jahren an zwei Stellen, vielleicht demnächst die dritte. Das heißt, da haben wir die falschen Prioritäten. Mittlerweile kann ich Ihnen sagen, dass ich überzeugt bin, dass 90 Prozent der Großprojekte im Verkehr mit Verkehr nichts zu tun haben. Das ist die Bedienung der Bankenlobby und der Baulobby.
Das alternative Modell: Car-Sharing
Deutschlandradio Kultur: Eine der Ideen, um umzusteigen von einem eigenen Auto auf andere Verkehrsmittel ist ja das Car-Sharing. Nun hat Car-Sharing allerdings auch noch nicht nachgewiesen, dass dadurch weniger Autos auf den Straßen sind, im Gegenteil. Leute, die wie zum Beispiel, wie Sie gesagt haben, in Berlin gar kein eigenes Auto mehr haben, nutzen jetzt eben zusätzlich zum Nahverkehr auch noch Car-Sharing hin und wieder. – Wie sehen Sie das Modell Car-Sharing?
Michael Cramer: Also, Car-Sharing ist zunächst mal ein Modell gerade für die, die umsteigen wollen, weil sie immer noch sagen können, okay, ich weiß, ich bin an mein Auto gewöhnt, wenn ich es brauche, dann will ich eins zur Verfügung haben. Das ist okay. Ich mache das mit dem Taxi. Taxi gehört zum öffentlichen Nahverkehr. Als ich mein Auto abgeschafft habe, habe ich die Taxiquittungen gesammelt. Wenn man ein Auto hat, ist man ja geizig mit Taxi, weil man ja selber eins hat. Ich hatte in einem Jahr so viel Taxiquittungen wie mein Auto in einem Monat kostet. Also, das war alles wunderbar.
Car-Sharing ist richtig und es gibt die guten Beispiele aus Bremen, wo durch Car-Sharing nachgewisen wurde, dass der Autobestand sinkt, weil die Leute diese Möglichkeit haben. Und wenn man sich einmal dran gewöhnt hat, ist es ja wieder was anderes. – Und vielleicht noch eins: Das ist eine Zahl von Peter Ramsauer, der bestimmt kein grüner Verkehrsfreund ist. 90 Prozent aller Autofahrten in deutschen Städten sind kürzer als sechs Kilometer. Das sind ideale Distanzen zum Umsteigen auf Bus, Bahn, Fahrrad, Straßenbahn und zu Fuß gehen. In diese Richtung muss es gehen. Aber das ist nicht so interessant.
Auch hier die U-Bahn, die Kanzlerbahn, die U5-Verlängerung, die kostet auch ein Schweinegeld. Dafür hätten wir 120 Kilometer Straßenbahn in zehn Jahren bauen können, statt fünf Kilometer U-Bahn in 30.
Deutschlandradio Kultur: Gehen wir mal aus Berlin raus und gucken mal allgemein. Viele wohnen ja auch im ländlicheren Bereich, müssen das Auto eben auch nutzen. Nun ist das Auto allerdings auch, und das ist auch eine Statistik, die man nicht so gerne anguckt, das tödlichste Verkehrsmittel in Europa. Die Zahl der Verkehrstoten in der EU sind in den vergangenen Jahren zwar gesunken, aber immer noch 25.000 Menschen sind im vergangenen Jahr auf europäischen Straßen gestorben. 25.000 Tote, das ist eine erschreckende Zahl.
Ihr Vorschlag im Europaparlament lautet: Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in den Städten. Was erhoffen Sie sich davon?
Michael Cramer: Also zunächst mal, wenn Sie jetzt über die Unfallzahlen reden, die 25.000, das bedeutet in Europa jeden Tag 70 Tote. Das heißt, die Toten, die wir jetzt bei dem Flugzeugunglück beklagen, die haben wir auf der Straße in zwei Tagen. Aber über dieses Unglück wird jetzt weltweit berichtet, aber an die anderen Toten auf der Straße haben wir uns gewöhnt, dass es kaum noch eine Nachricht wert ist.
Deshalb ist es ganz wichtig, die Zahlen zu senden. Wir stützen auch die Kommission. Die will die Unfallzahlen bis 2020 halbieren.
Wir haben Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in Städten vorgeschlagen, wobei die Städte selber entscheiden können, wo man schnell fährt. Ich werde mich nicht hinstellen und sagen, an der Heerstraße soll Tempo 30 sein. So blöde bin ich nicht. Aber wir können eine ganze Menge machen. Und dieser Vorschlag Tempo 30 vom Europäischen Parlament, der ist mit großer Mehrheit beschlossen worden. Der Berichterstatter war Dieter Lebrecht-Koch von der CDU aus Thüringen, der diesen Kompromissvorschlag gemacht hat.
Und der Regelgeschwindigkeit in den Städten Tempo 30 wurde von allen deutschen Abgeordneten, ich habe genau aufgepasst, auch von denen von CDU-CSU und FDP, zugestimmt. Das ist ein gewaltiger Schritt, weil man dann sich daran gewöhnt. Wir haben ja in Berlin fast 80 Prozent der Straßen Tempo 30 und die müssen wir alle ausschildern. Das würde wegfallen. Wir würden also Geld sparen. Aber wenn auch die Geschwindigkeit gesenkt wird, bei einem Zusammenprall bei Tempo 30 mit einem Fußgänger oder Fahrradfahrer ist die Wahrscheinlichkeit zu Tode zu kommen, 10 Prozent. Bei Tempo 50 80 Prozent. Das wird auch in der Diskussion nicht so richtig wahrgenommen, weil der Bremsweg sich enorm verkürzt. Das wäre ein Schritt.
Und der zweite wäre auch eine Höchstgeschwindigkeit. Überall gibt es ein Tempolimit auf Autobahnen, nur nicht in Deutschland. In Brüssel gibt es einen Gag: Was haben Afghanistan und Deutschland gemeinsam? Es sind die einzigen Länder auf der Welt ohne Tempolimit auf Autobahnen. Wo unterscheiden sie sich? Afghanistan hat keine.
Also, da könnte Deutschland auch eine ganze Menge tun. Und wenn wir dann eine einheitliche Regel hätten, dann sparten wir auch die Schilder an den Grenzen und alle wären daran gewöhnt. Die Akzeptanz ist möglich auch im dicken Auto, wie wir es in den USA sehen. Da ist eben 90 Meilen, das sind 120 auf der Autobahn, die Norm.
Bundesregierung als zahnloser Tiger
Deutschlandradio Kultur: Herr Cramer, zum Abschluss: Sie haben gesagt, da hat jetzt das Europäische Parlament mit großer Mehrheit zugestimmt aus verschiedenen Parteien. Letztlich hat das aber jetzt zu keinem Ergebnis geführt. Sind Sie als europäischer Verkehrspolitiker ein zahnloser Tiger, weil die Nationalstaaten das Wichtigste entscheiden?
Michael Cramer: Wir sind nicht zahnlos, wir können auch was durchsetzen. Wir haben zum Beispiel die Fahrgastrechte bei der Bahn durchgesetzt, dass man bei Verspätungen nach einer Stunde und nach zwei Stunden schon 50 Prozent des Fahrgeldes zurückkriegt. Das haben wir gegen den Rat und die Kommission durchgesetzt.
Aber ein europäisches Gesetz gibt es nur, wenn die drei Institutionen sich alle einig sind. Wenn immer gesagt wird, was haben die da in Brüssel wieder beschlossen, muss man sofort fragen: Wie war denn die Bundesregierung? Ich kenne kein Gesetz von Relevanz in Europa, wo die Bundesregierung, egal welcher Couleur, nicht vorher zugestimmt hat. Also, auch die Bundesregierung hat eine Verantwortung. Manchmal ist die ein zahnloser Tiger, meist aber wir. Aber wenn wir gut zusammenstehen, können wir eine ganze Menge durchsetzen.
Deutschlandradio Kultur: Danke fürs Zuhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Michael Cramer stammt aus Nordrhein-Westfalen, lebt in Berlin und arbeitet in Brüssel und Straßburg. Seit elf Jahren ist er Abgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen im Europaparlament, seit einem Jahr Vorsitzender des Verkehrsausschusses. Sein Slogan lautet: "Seit 1979 bin ich ohne Auto mobil". Cramer kämpft für einen stärker ausgebauten Bahnverkehr in Europa. Von der neuen PKW-Maut, die vom Bundestag verabschiedet wurde, hält er wenig, denn er vermisst die ökologischen Steuerungssignale.

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