Europäische Kulturhauptstadt Esch an der Alzette

"Sport ist einfach Teil unserer Kultur"

06:25 Minuten
Plakat von Esch als Kulturhauptstadt Europas
Sport hat in Esch eine große Bedeutung: Fast ein Viertel aller Vereine der Stadt sind Sportvereine. © dpa / picture alliance / Harald Tittel
Von Heinz Schindler · 30.10.2022
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Die luxemburgische Stadt Esch an der Alzette ist nicht nur eine der drei europäischen Kulturhauptstädte in diesem Jahr, sondern auch bekannt für ihre zwei Fußballklubs. Wir haben uns umgesehen, welche Rolle dem Sport darüber hinaus dort zufällt.
Etwa 2000 Termine umfasst das Programm zur Kulturhauptstadt in Esch an der Alzette sowie in den angrenzenden französischen Gemeinden im Hochtal der Alzette. Neben Film, Theater und darstellender Kunst, die oftmals den Bezug der Region zu ihrer Geschichte als Standort der Stahlindustrie aufgreifen, gibt es auch sportliche Veranstaltungen aus den Bereichen Tanz oder Radfahren.
Das ist dann nicht allein der Kulturlauf, der schon seit 15 Jahren stattfindet, so Georges Mischo, der Bürgermeister von Esch:
„Das ist ein Laufwettbewerb, bei dem man zehn Kilometer, 16 Kilometer oder Halbmarathon laufen kann. Rund 20 Künstler sind über die Strecke verteilt. Ob das eine Gruppe ist oder ein DJ ist, ob das Einzelkünstler sind, die Musik machen und damit die Läufer und Läuferinnen unterstützen. Das ist auch ein Teil von der Kultur. Außerdem haben wir zum Beispiel auch den Minett Trail, bei dem die Leute mit dem Fahrrad durch den ganzen Süden fahren und so Kultur erleben können.“

Menschen aus 136 Nationen

Die Minette, das Land der roten Erde. Diesen Beinamen hat die Region um Esch aufgrund ihrer Eisenerzvorkommen. Sie waren die Basis für die Entwicklung der Stadt. Heute sind die Hochöfen im Stadtteil Belval längst stillgelegt und eine Attraktion für die Besucherinnen und Besucher. Auf etwa 650 Hektar alter Industriebrache befinden sich unter anderem eine Konzerthalle sowie die Universität des Landes Luxemburg.
Geblieben sind die Familien der eingewanderten Arbeitskräfte von damals. Oft kamen sie aus Italien oder Portugal. Esch hat heute 37.000 Einwohner und 136 Nationalitäten. Das sportliche Leben hat für Bürgermeister Mischo daher vor allem verbindenden Charakter.

Sport ist einfach Teil unserer Kultur - da Kultur nicht nur materiell, sondern auch immateriell ist: das Zusammenleben zwischen den verschiedenen Menschen, zwischen 136 verschiedenen Nationen. Jeder hat seine Kultur und bringt sie mit in den Sport ein. Und dann gibt es das Zusammenleben - und das ist für uns natürlich ein Teil der Kultur und auch Teil des Sports. Die unzähligen Sportvereine sind aus der lokalen Escher Kultur nicht mehr wegzudenken.

Bürgermeister Georges Mischo

Zahlreiche Sportvereine

Etwa 400 Vereine gibt es in Esch, 92 davon sind Sportvereine. Dazu gehören auch der Handballclub Europapokalfinalist HB Esch, sowie die beiden über Luxemburg hinaus bekannten Fußballclubs Fola und Jeunesse – der älteste und der erfolgreichste Club des Landes.
Jean-Claude Conter ist Vizepräsident bei Rekordmeister Jeunesse und verweist auf die Verzahnung von Sport, Kultur und Stadt: „Esch bekam 1906 den Namen Stadt. Jeunesse Esch wurde 1907 gegründet. Ich würde sagen, dass Sport schon ein Teil von Kultur ist. In diesem Sinne tragen wir den Namen der Stadt Esch eigentlich durch das Land und, wie unsere Geschichte zeigt, durch Europa.“
In das Programm zur Kulturhauptstadt sind die großen Vereine nicht eingebunden. Jeunesse Esch kommt dies entgegen, gesteht der Schriftführer des Vereins, Marc Volkmann.
„Die Probleme, die wir zur Zeit haben, sind dermaßen wichtig, dass wir leider nicht auch noch die Energie haben, uns in diese aktuellen Projekte so reinzuarbeiten, wie wir uns das vielleicht gerne gewünscht hätten.“

Ein nationales Sportmuseum ist geplant

Bürgermeister Georges Mischo, der früher selbst Torwart bei Jeunesse war, dachte hinsichtlich eines Museums in Esch – mit Erfolg. „Das nationale Sportmuseum kommt jetzt nach Esch. Die ersten Ideen kamen im Jahre 1986 und ich habe mir das auf die Fahne geschrieben, dass ich das unbedingt nach Esch bringen will. Jetzt habe ich das geschafft. Das heißt, mit dem Sportministerium hier in Luxemburg sind wir jetzt so weit, dass wir das Sportmuseum für 2025 hier in Esch haben. Mit all den Geschichten, die sich um den Escher Sport drehen, aber natürlich auch um den nationalen Sport.“
Georges Mischo (Bürgermeister Esch-sur-Alzette) spricht bei der offiziellen Eröffnung von Esch 2022 zur Kulturhauptstadt Europas.
BürgermeisterMischo bei der offiziellen Eröffnung von Esch 2022 zur Kulturhauptstadt Europas.© dpa / picture alliance / Harald Tittel

Integration durch Breitensport

Bei allem Stolz, dieses Prestigeobjekt in seine Stadt geholt zu haben, richtet Bürgermeister Mischo seinen Blick aber auch auf den Breitensport. Freie Angebote für Senioren – sie bilden ein Sechstel der Bevölkerung –, für Jugendliche oder für die mehr als 50 Prozent Ausländer in der Stadt sollen Menschen und Kulturen einander näherbringen.
„Dann haben wir aber auch 'intégration par le sport', das heißt Integration mit Hilfe des Sport. Das sind Sportvereine, die zum Beispiel muslimische Frauen aufnehmen und dann ein Training nur für Damen anbieten, weil es in der muslimischen Kultur nicht erwünscht ist, dass Frauen und Männer zusammen Sport machen. Trotzdem möchten wir aber auch muslimischen Damen die Möglichkeit geben, Sport zu machen."
In interkulturellen Belangen will Georges Mischo koordinieren, aber keine Marschroute vorgeben. Die Initiative zur Entwicklung des Sports soll von den Vereinen ausgehen, die Stadtverwaltung sorgt für die Infrastruktur. Der Bürgermeister ist von Beruf Sportlehrer – es gäbe gewiss schlechtere Voraussetzungen für den Sport, um integrierender Faktor in einer multinationalen Stadt zu sein.

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