Europäischer Maler mit rheinländischer Frohnatur

Von Ulrike Gondorf |
Hans von Aachen (1552-1615) hat es weit gebracht: Er macht eine Lehre bei einem flämischen Maler in Köln, danach weilt er zehn Jahre in Italien, um schlußendlich Hofmaler von Kaiser Rudolf II. zu werden in Prag. Mit seiner Mischung aus niederländischem Realismus und venezianischer Farbenpracht war er einer der ersten europäischen Maler. Seine prächtigen Werke sind jetzt in einer Schau unter dem Titel "Hofkünstler in Europa" im Aachner Suermondt-Ludwig-Museum zu sehen.
Humor muss er gehabt haben. Und einen originellen Kopf dazu. Das allererste Bild des Hans von Aachen, das den Besucher in der Ausstellung empfängt, zeigt ihn gleich zweimal. Es ist ein Doppel-Selbstporträt. Ein junger Mann mit dichtem dunklen Haar, leicht abstehenden Ohren und hellen Augen schaut den Betrachter frontal an, den Kopf leicht schrägt gelegt, den Mund zu einem so breiten Lachen geöffnet, dass man meint, es auch schallen zu hören. Aus dem Hintergrund blickt ihm, ebenfalls lachend, sein Doppelgänger über die Schulter, und jeder weist mit dem ausgestreckten Zeigefinger der Rechten auf sein Alter Ego.

Thomas Fusenig: "Als er 22 Jahre alt ist, hat er wahrscheinlich schon seine Meisterschaft in Köln erworben und geht als voll ausgebildeter Maler nach Italien."

Über die Anfänge des Hans von Aachen kann auch Ausstellungskurator Dr. Thomas Fusenig nur mutmaßen. Die frühen Jahre des 1552 in Köln geborenen Malers, dessen Vorfahren aus Aachen stammten, sollten eigentlich im Rahmen dieses Projekts erforscht werden. Der Einsturz des Kölner Stadtarchivs vor einem Jahr machte diese Pläne zunichte.

So wird die Person des Künstlers erst mit seiner Reise nach Italien greifbarer, wo er zunächst als Porträtmaler Erfolg hat in Venedig, Rom und Florenz, aber bald auch repräsentative Aufträge für Altargemälde erhält und schließlich Hofmaler des Großherzogs der Toskana in Florenz wird.

Thomas Fusenig: "Dort interessiert er sich weniger für die Antike, aber er lernt offensichtlich viele zeitgenössische Kollegen kennen und tauscht mit denen zeitgenössische Ideen aus und das macht ihn dann zu einem ganz modischen italienischen Maler."

Die realistische Kunstauffassung der Niederländer, die er bei seinem flämischen Lehrer in Köln studiert hat, verbindet Hans von Aachen mit der Hochglanzmalerei, der Farbenpracht und Theatralik des italienischen Manierismus und trifft damit genau den Geschmack seines Zeitalters. Auch sein Lebensweg, den die chronologische Hängung der Ausstellung in Aachen nachvollziehbar macht, lässt ihn als kosmopolitischen Grenzgänger in Europa erscheinen.

Thomas Fusenig: "Es ähnelt eigentlich einem heutigen sehr grenzenarmen Europa. Die Nationalstaaten sind quasi eine spätere Entwicklung. Und das scheint fast ein Spiegel unserer heutigen Verfassung, und insofern ist er ein guter Europäer, in dem wir uns heute wiedererkennen können."

Einige Jahre ist Hans von Aachen in Bayern tätig. Staatsporträts zeugen in der Aachener Ausstellung für seine Reputation am Hof des Kurfürsten in München, ein Altarbild im Auftrag der Bankiersfamilie Fugger für seine Wertschätzung in Augsburg. Den Zenit seiner Karriere erreicht Hans von Aachen am Hof des Kaisers Rudolfs II: 1596, mit 44 Jahren, lässt er sich in Prag nieder.

Der Hof ist zu dieser Zeit ein geistiges und wissenschaftliches Zentrum Europas. Hans von Aachen wird in den Ritterstand erhoben und ist auch in diplomatischen Angelegenheiten für den Kaiser unterwegs. Maßgeblich ist er am Aufbau der berühmten Kunstsammlung der Habsburger beteiligt, die ihn auch für seine eigene Arbeit inspiriert.

Thomas Fusenig: "Er erntet die Früchte der Renaissance, die Darstellung des Aktes oder die Darstellung der Raumtiefe, aber er weist auch voraus auf neue Entwicklungen, indem er die Lichtführung besonders betont. In seinem späten Werk wird deutlich, dass er immer auf der Höhe der Zeit geblieben ist."

Höhepunkt der Ausstellung sind die Gemälde aus diesen Prager Jahren: Biblische oder mythologische Szenen, politische Allegorien und immer wieder Porträts. In Aachen wird das alles raffiniert und effektvoll präsentiert in dunklen Ausstellungsräumen, in denen nur die Bilder herausgeleuchtet werden und magisch zu strahlen und zu leben scheinen.

Eines der schönsten ist als zentraler Blickfang inszeniert, der sich dem Publikum schon am Eingang durch ein Fenster darbietet. "Bacchus, Ceres und Amor" zeigt die drei antiken Götter in einer ländlichen Idylle, die nackten – jugendlich-schönen - Gestalten des weinlaubbekränzten Bacchus und der von Ähren und Blumen gekrönten Ceres wie in einer tänzerischen Umarmung begriffen, der Knabe Amor mit einem überquellenden Obstkorb zu ihren Füßen.

Die langgestreckten Körper, die erotische Raffinesse der Szene, die lebendig bewegte Komposition, die perfekte malerische Oberfläche zeigen, was Hans von Aachen in Italien gelernt hat. Die augentäuschende Genauigkeit macht das Bild auch zu einem Kabinettstück der niederländischen Feinmalerei. Eine luxuriöse Kunst, die im Chaos des Dreißigjährigen Krieges versunken ist, der drei Jahre nach dem Tod des Malers 1615 die höfische Kultur in Mitteleuropa zerstört hat.

Kurator Thomas Fusenig nennt aber noch einen anderen entscheidenden Grund dafür, dass die breite Wiederentdeckung des Hans von Aachen im Westen wie im Osten bis 2010 auf sich warten ließ.

"Dazu kommt, dass sein künstlerischer Lebensweg lange Zeit getrennt wurde durch den Eisernen Vorhang, und erst vor 20 Jahren war es möglich für Kunsthistoriker, sich wieder frei in dieser Region in Zentraleuropa zu bewegen, und insofern ist die Ausstellung eine Frucht dieser politischen Entwicklungen in den letzten 20 Jahren in Europa."

Service:
Die Ausstellung "Hans von Aachen - Hofkünstler in Europa" ist vom 11. März bis 13. Juni 2010 im Suermondt-Ludwig-Museum Aachen zu sehen.