Europa-Wahl

    Poker um Spitzenposten

    Zuschauer warten in Brüssel vor einer Videoleinwand, die Bilder aus dem Europäischen Parlament überträgt, auf die Ergebnisse der Europa-Wahl 2014.
    Zuschauer warten in Brüssel vor einer Videoleinwand, die Bilder aus dem Europäischen Parlament überträgt, auf die Ergebnisse der Europa-Wahl 2014. © picture alliance / dpa / Olivier Hoslet
    27.05.2014
    Wer wählt den EU-Kommissionspräsidenten? Gibt es dafür eine Deadline? Ab wann gilt ein Zusammenschluss als Fraktion im EU-Parlament? Eine Übersicht über die wichtigsten Posten und darüber, wie sie vergeben werden.
    Nach der Europawahl beginnt nun der Poker um den politischen Spitzenposten in der EU. Bereits am Dienstagabend wollen die 28 EU-Staats- und Regierungschefs - der Europäische Rat - in Brüssel zusammenkommen und über die Nachfolge des scheidenden Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso beraten. Die Amtszeit des Portugiesen endet am 31. Oktober 2014.
    Der EU-Rat muss dem Europäischen Parlament einen Kandidaten vorschlagen. Diplomanten erklärten aber im Vorfeld, die 28 Spitzenpolitiker werden auf dem Treffen noch keinen offiziellen Kandidaten bestimmen.
    Anspruch auf das Amt des EU-Kommissionspräsidenten haben die konservativen Parteien mit ihrem Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker angemeldet, die bei der Europawahl stärkste Kraft im Europaparlament wurden.
    Obwohl Juncker im vergangenen Jahr nach einer Geheimdienst-Affäre als luxemburgischer Premierminister noch zurückgetreten war, wollen die Luxemburger ihn dennoch als starken Mann an der Spitze der EU-Kommission sehen.
    Die Sozialisten suchen dennoch weiterhin nach Möglichkeiten, eine Mehrheit für ihren Spitzenkandidaten Martin Schulz zu bekommen.
    Langwieriges Verfahren
    Erschwert wird die Neuwahl durch das komplizierte Verfahren: das Vorschlagsrecht liegt bei den Staats- und Regierungschefs, das Europäische Parlament muss aber zustimmen. Und das ist einer der Knackpunkte, denn das Parlament ist zukünftig viel differenzierter besetzt als in der Vergangenheit.
    Der konservative Parteienblock EVP errang nach vorläufigem Stand nur noch 213 (bisher 273) der insgesamt 751 Sitze im Europaparlament. Die Sozialdemokratische Partei Europas (SPE) kam mit 190 Sitzen (bisher: 196) auf Platz zwei. Auf Platz drei liegen die Liberalen mit 64 Sitzen (bisher: 83).
    Rechtsorientierte und populistische Parteien erreichten insgesamt 143 Mandate. Unklar ist allerdings, ob Parteien wie die französische Front National, deren Sieg Frankreich in eine Tiefe Sinnkrise gestürzt hat, oder die niederländische Partei für die Freiheit (PPV) von Geert Wilders eine Fraktion bilden werden.
    Entscheidung erst im Juli
    Im Juni finden sich die neuen Fraktionen erstmals zusammen. Damit eine Fraktion entsteht, müssen sich 25 Volksvertreter aus sieben EU-Staaten zusammentun. Ohne Fraktion sind die Gewählten praktisch machtlos.
    Kanzlerin Angela Merkel mit Jean-Claude Juncker während des Wahlkampfes zur Europawahl
    Kanzlerin Angela Merkel mit Jean-Claude Juncker während des Wahlkampfes zur Europawahl© picture alliance / dpa / Foto: Uwe Anspach
    Zwischen dem 1. bis 3. Juli werden die konstituierenden Sitzungen des Parlaments stattfinden. Dann werden der Parlamentspräsident und seine 14 Stellvertreter gewählt. Die ersten Fraktionssitzungen werden vom 7. bis 10. Juli abgehalten. Zwischen dem 14. und dem 17. Juli soll der neue Kommissionspräsident gewählt werden. Er muss die Mehrheit der EU-Abgeordneten hinter sich bringen, das sind mindestens 376 Stimmen.
    Kompliziert wird die gesamte Situation aber auch deshalb, weil es auch innerhalb der eigenen Fraktionen Vorbehalte gegen die Spitzenkandidaten Juncker und Schulz gibt. Vorwürfe der Mauscheleien bei der Besetzung des Präsidentenpostens wurden laut. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hatten aber bereits vor der Wahl deutlich gemacht, dass sie sich am Willen der Wähler orientieren wollen. Wer den Machtkampf um das Amt des EU-Kommissionspräsidenten am Ende entscheiden wird, Juncker oder Schulz, ist daher noch völlig offen.
    Neubesetzung von weiteren Spitzenposten
    Der Zuwachs populistischer und rechter Parteien erschwert nun eine Mehrheitsfindung der zwei großen Fraktionen. Kanzlerin Angela Merkel rechnet mit wochenlangen Verhandlungen über die Besetzung aller Führungsämter: Das Mandat des EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy läuft Ende November aus. Seine Nachfolge hängt im wesentlichen von der Besetzung der EU-Kommission ab. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton wird auch Ende des Jahres ausscheiden. Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski, der lange als Nachfolgefavorit galt, ließ verlauten, dass er wegen der Ukraine-Krise wohl in Warschau bleibe.
    jad