Europa-Spiele in Baku

PR für das Regime oder relevantes Sportereignis?

Die Altstadt der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku mit Minaretten liegt vor dichtbebauten neuen Hochhäusern.
Die Kaukasusmetropole Baku in Aserbaidschan ist Austragungsort der ersten European Games © Deutschlandradio / Sven Töniges
Von Günter Herkel |
Am 12. Juni werden in Aserbaidschans Hauptstadt Baku die ersten European Games eröffnet - auch Deutschland ist mit rund 270 Sportlern vor Ort. Nach Ansicht von Kritikern dienen die Spiele allerdings vor allem der PR für das repressive Regime.
Umstritten waren die Europa-Spiele von Beginn an, speziell aus politischen Gründen. Nach Ansicht von Kritikern dienen sie vor allem der PR für das repressive Regime. Wie schon vor drei Jahren beim European Song Contest gehe es Präsident Ilham Aliyew hauptsächlich darum, den Kult um die eigene Person zu fördern und von dem Fehlen elementarer demokratischer Rechte und Freiheit im Land abzulenken. Besonders düster steht es um die Pressefreiheit.
"Mit Ausnahme der Info-Agentur Turan und ein paar kleineren Zeitungen werden im Prinzip fast alle Medien von den großen Oligarchen des Landes mit Schwarzgeld finanziert",
sagt der Journalist Idrak Abbasov. Er arbeitete lange für die Zeitung Zerkalo und die aserbaidschanische NGO "Institut für die Freiheit und Sicherheit von Reportern" (IRFS). 2012 wurde er bei Filmaufnahmen von Sicherheitsleuten des staatlichen Ölunternehmens Socar zusammengeschlagen und schwer verletzt. Nach weiteren Repressalien ging er im vergangenen Jahr ins Exil. Seit sechs Monaten lebt er in Norwegen.
"Die Fernsehanstalten stehen unter totaler Kontrolle der Regierung. Es gibt keinerlei Sendungen zu politisch oder gesellschaftlich relevanten Themen, allenfalls Shows und Unterhaltung finden statt. Gleiches gilt auch für das Radio: Musik und Unterhaltung dominieren."
Vergleichsweise frei zugänglich sei weiterhin das Internet. Aber oppositionelle Äußerungen auf Facebook und Twitter würden konsequent verfolgt. Nach Angaben von NGO’s sitzen derzeit an die 100 politische Gefangene hinter Gittern. Welche Möglichkeiten sieht der Deutsche Olympische Sportbund, sich im Rahmen der Spiele gegen die Verletzung von Menschenrechten einzusetzen? DOSB-Generaldirektor Michael Vesper:
Sport als politischer Einflussnehmer überfordert
"Der Sport wäre überfordert, wollte man von ihm verlangen, gesellschaftliche und politische Verhältnisse in einem Land zu verändern oder Regierungspolitik zu beeinflussen. Wir werden natürlich immer wieder darauf hinweisen, dass die Menschenrechte unverzichtbarer Teil der Olympischen Charta sind."
Die Sports & Rights Alliance, ein Bündnis diverser NGO’s wie Amnesty International und Human Rights Watch, hat unlängst eine Art Menschenrechte-TÜV formuliert. Darin wird die Vergabe von sportlichen Großereignissen an die Einhaltung elementarer Grundrechte gekoppelt.
Wieso aber überhaupt Europa-Spiele? Seit Jahrzehnten schon gibt es die African Games, die Panamerican und die Asian Games. Warum also sollten nicht auch die Europäer ihre eigenen Spiele haben? Die Initiative dafür sei aus dem IOC gekommen, berichtet DOSB-Generaldirektor Vesper. Am sportlichen Wert der Spiele lässt er keinen Zweifel.
"In 10 von 20 Sportarten kann man Qualifikationspunkte für Rio de Janeiro, für die Olympischen Spiele erreichen. Also das ist schon ein hoher sportlicher Stellenwert. Ich rechne eigentlich mit sehr spannenden Wettbewerben."
Leichtathletik-Verbände waren gegen die Spiele
Tatsächlich können die Sieger der Wettbewerbe im Tischtennis, Schießen und Triathlon sogar direkt ein Ticket für Rio 2016 lösen. Der DOSB selbst nominierte Athleten aus 16 Sportarten für die Wettkämpfe. Unbesetzt bleibt neben Basketball und Beach Soccer auch eine olympische Kernsportart, die Leichtathletik.
"Der Europäische Leichtathletik-Verband war von Anfang an skeptisch, sicherlich zum einen deswegen, weil sie eine sehr lukrative Europameisterschaft haben, die sie gut vermarkten können."
Die Leichtathletik-Verbände waren – auch wegen des ohnehin übervollen Terminkalenders – gegen die Europaspiele. Daher wird in Baku lediglich die dritte Liga der Leichtathletik-Team-Europameisterschaft 2015 ausgetragen.
Mit seiner Bewerbung um die Olympischen Spiele 2016 war Aserbaidschan gescheitert. Die European Games sind immerhin ein Trostpflaster für das Regime. Dem Vernehmen nach vergab man großzügig Einladungen an ausgewählte Medienvertreter. Die freie Journalistin Silvia Stöber – sie bereist unter anderem für die "Neue Zürcher Zeitung" und "tagesschau.de" den Südkaukasus – warnt ihre Journalistenkollegen davor, den Sirenengesängen des aserbeidschanischen Regimes zu erliegen.
"Ich würde mich auf keinerlei Einladungen einlassen. Man kann natürlich trotz allem versuchen, dort hinzufahren während dieser Spiele und offiziell auch über die Ereignisse dort berichten, aber natürlich auch mal in die Seitenstraßen zu gehen und zu kucken, wie ist es da eigentlich? Wie sieht zum Beispiel die Bausubstanz am Rande von Baku aus und nicht nur in der Nähe der Stadien?"
Die Regierung bereitet unterdessen bereits die nächsten internationalen Sportereignisse vor. 2016 steigt in Baku ein Rennen der Formel Eins, 2020 ein Viertelfinale bei der Fußball-EM.
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