Eurasische Wirtschaftsunion

"Keine Partner auf Augenhöhe"

Von links: Russlands Präsident Putin, Präsident Nazarbayev aus Kasachstan und Weißrusslands Präsident Lukashenko nach Vertragsschluss
Von links: Russlands Präsident Putin, Präsident Nazarbayev aus Kasachstan und Weißrusslands Präsident Lukashenko nach Vertragsschluss © dpa / picture alliance / Michael Klimentyev
Moderation: Sonja Gerth · 29.05.2014
Die Staatschefs aus Russland, Weißrussland und Kasachstan haben heute die Eurasische Wirtschaftsunion gegründet. Im Gegensatz zum Vorbild EU sei die Macht der Mitgliedstaaten aber ungleich verteilt, meint Kaukasus-Experte Uwe Halbach.
Sonja Gerth: Wir wollen einen Blick darauf werfen, welche politischen Auswirkungen dieser Vertrag auf das Verhältnis zu den westlichen Nachbarn hat. Darum die Frage an Uwe Halbach von der Stiftung Wissenschaft und Politik: Ist die eurasische Wirtschaftsunion quasi ein Ost-Gegenstück zur früheren europäischen Wirtschaftsunion?
Uwe Halbach: Der Integrationsprozess, den Russland für den eurasischen Raum, also für den ehemals postsowjetischen Raum anstrebt, ist durchaus angelegt worden auch an Ähnlichkeiten mit dem europäischen Integrationsprozess, und die Institutionen, die sich gebildet haben, bilden diese Anlehnung teilweise ab. Da gibt es eine eurasische Wirtschaftskommission in Moskau, es gibt einen eurasischen Gerichtshof in Minsk, es gibt einen Rat der Präsidenten. Also die Institutionenbildung innerhalb dieser eurasischen, innerhalb dieses eurasischen Integrationsprozesses ist durchaus an das europäische Vorbild angelehnt.
Gerth: Die Institutionen ähneln sich, aber wie verbunden werden die Länder denn ab dem 1. Januar 2015 tatsächlich sein wirtschaftlich?
Halbach: Also es ist ja ein mittleres Glied in einem Prozess, der mit der Zollunion 2010 begonnen hat, der jetzt in eine Eurasische Wirtschaftsunion ab Januar 2015 einmünden soll, und in der weiteren Zukunft soll dann eine größere Eurasische Union gebildet werden, für die Russland eben auch politische Integrationsprozesse der Mitgliedsstaaten anstrebt. Also auch hier: So gewissermaßen das Vorbild der EU wirkt da nach.
Vorläufig geht es vor allem um wirtschaftliche Integrationsschritte für einen gemeinsamen Markt von 170 Millionen Einwohnern, um gemeinsame Zollpolitiken, um Abstimmungen in der Energiepolitik, in der Industriepolitik und so weiter, in bestimmten Sektoren von Wirtschaftspolitik. Aber Russland wird im Grunde genommen unterstellt, auch von den Mitgliedern der bereits bestehenden Union und von den Kandidaten, die in die Union aufgenommen werden sollen demnächst – das sind vor allem Kirgistan und Armenien –, von ihnen wird doch vermutet, dass Russland hier auch eine politische Integration anstrebt, dass hier ein geopolitischer Entwurf dahintersteht. Und dem steht man dann auch wiederum misstrauisch gegenüber.
Gerth: Also ein nicht ganz gleichberechtigtes Abkommen, in dem es doch einen großen Partner, Russland, geben wird, und dann diese kleineren, in Anführungszeichen, eher assoziierten Staaten.
Russland hat politisch und ökonomisch "großes Übergewicht"
Halbach: Ja, natürlich. Im Unterschied zur EU haben wir hier einen Staat, der ein ganz großes Übergewicht in diesem Integrationsformat hat. Also Russland hat hier auf ökonomischer und eben auch auf politischer Ebene ein Übergewicht, das aus den anderen Staaten allenfalls Juniorpartner macht, aber keine Partner auf Augenhöhe.
Gerth: Was bedeutet das denn auf der politischen Ebene in der Zukunft? Ist diese Eurasische Wirtschaftsunion tatsächlich nur so eine Art Blockbildung, um etwas der Europäischen Union entgegenzusetzen?
Halbach: Ja, also die Eurasische Union wird auch in Russland selber immer mehr jetzt als ein Gegenstück zum Westen, zur EU dargestellt. Also Russland hat gerade auch durch seine Ukraine-Politik den geopolitischen Akzent für diese eurasische Integration noch mal verdeutlicht, noch mal verstärkt. Und gleichzeitig ist es genau dieser geopolitische Akzent, der bei den Mitgliedsstaaten auf Verunsicherung stößt und Misstrauen stößt, das gilt selbst in Kasachstan, derzeit dem ökologisch wichtigsten Partner Russlands in diesem Projekt, aber blickt auch mit Skepsis auf das russische Vorgehen, vor allem auch mit Blick darauf, dass es im Norden Kasachstans Provinzen mit stark russischem Bevölkerungsanteil gibt, und das hat natürlich Erinnerung an das Vorgehen Russlands auf der Krim hervorgerufen.
Also Russland ist einerseits Partner in einem Integrationsprojekt, das vor allem wirtschaftlich artikuliert wird, aber gleichzeitig auch immer noch, ja, ... ihm werden gleichzeitig auch neoimperiale Absichten unterstellt und denen gegenüber sind die Mitgliedsstaaten, die anderen Mitgliedsstaaten natürlich sehr skeptisch.
Gerth: Eine Unterschrift also, die noch mit einigen Fragezeichen versehen ist. Uwe Halbach von der Stiftung Wissenschaft und Politik über die Eurasische Wirtschaftsunion. Vielen Dank!
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