EU zwischen Brexit und Italien-Krise

Stabile Schieflage

Theresa May und Jean-Claude Juncker halten ihre Hände gegenseitig. Sie lachen herzlich.
Theresa May und Jean-Claude Juncker beim EU-Gipfel in Brüssel © AP Photo/Francisco Seco
Moderation: Annette Riedel · 14.12.2018
Das Tauziehen um die Scheidungsbedingungen beim Austritt der Briten aus der EU hat sich erneut dramatisch zugespitzt. Ein "Exit vom Brexit" ist nicht völlig ausgeschlossen. Gleichzeitig entwickelt sich Italien zu einem weiteren Problem.
Zu welcher Art von Brexit es kommen wird – hart und chaotisch oder geordnet und mit Übergangszeit – ist nach den Entwicklungen dieser Woche kaum klarer als zuvor. Auch, dass Großbritannien sein Austrittsbegehren kurz vor Torschluss noch zurückzieht, also ein "Exit vom Brexit", ist nicht völlig ausgeschlossen.

Brüssel gibt Druck aus London nicht nach

Zwar hat die britische Premierministerin May eine krachende Niederlage im Parlament abgewendet, indem sie die Abstimmung über das Austrittsabkommen verschoben hat. Und sie hat auch ein innerparteiliches Misstrauensvotum noch einmal mit einem blauen Auge überstanden. Aber ob es ihr gelingen kann, doch noch eine Mehrheit der Abgeordneten hinter den Brexit-Vereinbarungen mit der EU zu versammeln, ist mehr als fraglich. Die verbleibenden EU-27 haben dem Druck aus London nicht nachgegeben und zeigten sich bei ihrem Brüsseler Gipfel Ende dieser Woche weiter unnachgiebig. Sie weigern sich, das Abkommen noch einmal anzufassen, fanden sich lediglich zu einigen Klarstellungen und politischen Absichtserklärungen bereit. Ob diese ausreichen, um die britischen Abgeordneten so davon zu überzeugen, dass es ein guter "Deal" ist, darf bezweifelt werden.

Italien - ein Schadensfall für die EU?

Gleichzeitig entwickelt sich Italien zu einem weiteren echten Problem mit dem Potenzial zum Schadensfall für die Union. Die Koalitionsregierung in Rom aus rechten und linken Populisten sieht sich nicht an Haushaltsvorgaben aus Brüssel gebunden. Sucht den Konflikt. Schürt daheim die Anti-EU-Stimmung. Keineswegs ausgemacht, dass Italien nicht finanziell so sehr ins Trudeln gerät, dass es im Fall des Falles nicht im Euro zu halten wäre.

Keine leichten Zeiten für Pro-Europäer

Mit diesen Sorgen beschwert, stellt sich das Europaparlament im kommenden Mai zur Wahl. Keine guten Aussichten für Pro-Europäer.
Wie groß wird der tatsächliche Schaden oder Nutzen durch den Brexit sein – für die Briten und für die EU der 27? Wie eng oder distanziert sollen die künftigen Beziehungen sein? War und ist die EU den Briten gegenüber zu wenig kompromissbereit? Wie kann und soll man Rom dazu motivieren, sich an Verträge zu halten, ohne den italienischen Populisten Steilvorlagen für noch mehr Anti-Europa-Rhetorik zu geben?
Darüber diskutieren:

Alexander Graf Lambsdorff, MdB, stellvertretender FDP-Fraktionsvorsitzender: "Exit vom Brexit wäre toll, aber meine Vermutung geht ganz stark in Richtung harter Brexit, weil ich zurzeit nicht sehen kann, wo im Unterhaus eine Mehrheit für das Austrittsabkommen herkommen soll."
Prof. Thomas Mayer, Gründungsdirektor und Leiter der Flossbach von Storch Research Institutes: "Ich denke, dass ein zweites Referendum nicht sehr wahrscheinlich ist, denn das brauchte einen Regierungschef, der das beantragt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es jemand gibt, der das machen würde und damit an die Macht kommen würde."
Dr. Jana Puglierin, Europaexpertin, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik: "Die Chancen steigen eigentlich täglich, dass es tatsächlich dieses zweite Referendum gibt, weil es mit dieser Regierung und diesem Parlament nicht möglich ist, anders zu entscheiden und dass es letztendlich doch an die Bevölkerung zurückgeht."
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