EU und Ukraine

Opfert Brüssel Timoschenko?

Von Sabine Adler · 18.11.2013
Kein Abkommen mit der Ukraine ohne die Freilassung der Ex-Regierungschefin Timoschenko. So lautet die offizielle Brüsseler Position bei den Verhandlungen mit der Ukraine. Doch EU-Diplomaten basteln bereits an einem Plan B. Denn Kiew hat ein Druckmittel.
Die Ukraine macht es spannend. Möglich, dass Julia Timoschenko in zehn Tagen, wenn der Gipfel beginnt, immer noch im Krankenhaus von Charkow wie im Gefängnis sitzt.
Ein Ultimatum nach dem anderen haben Präsident Janukowitsch und seine Partei der Regionen verstreichen lassen, auch heute wiesen sie im Parlament einen Kompromissentwurf der Opposition zurück. 26 Mal sind die EU-Unterhändler Pat Cox und Alexander Kwasniewskie in Kiew gewesen, immer ohne Erfolg. Die Werchowna Rada hat eine Fristverlängerung bis morgen bekommen, ob sie die nutzt, einen Entwurf vorlegt und am Donnerstag darüber abstimmt, ist möglich, aber fraglich.
Logisch, dass hinter den Kulissen die Diplomaten an einem Plan B tüfteln: Wenn Viktor Janukowitsch seine verhasste Rivalin schmoren lässt, sie nicht begnadigt, sie nicht einmal zur medizinischen Behandlung ausreisen darf, wird die Europäische Union dann die Unterschrift unter das Assoziierungsabkommen verweigern? Bis vor ein paar Tagen lautete die Antwort einhellig: ja. Ohne Timoschenko kein Abkommen.
Jetzt bringt vielleicht erst der Gipfel in Vilnius die Entscheidung. Ihr Fall könnte sogar noch danach geregelt werden. Wenn sich Janukowitsch dazu auf dem Gipfel verbindlich erklärt.
In Kiew gibt es seit einer Woche viele Anzeichen dafür, dass der ukrainische Präsident nicht nur schwankt, sondern gar in Richtung Moskau umkippt, der Zollunion mit Russland den Vorzug gibt. Das möchte Brüssel verhindern und legt die Hürden für den unentschlossenen ukrainischen Präsidenten deshalb niedriger.
Nach der Behandlung zurück ins Gefängnis?
Janukowitsch müsste den EU-Vertretern darlegen, wie er sich eine humanitäre Lösung für die inhaftierte Ex-Regierungschefin vorstellt. Denkbar ist, dass sie sich in Deutschland behandeln lassen darf, danach aber zurückkehren muss, womöglich sogar ins Gefängnis. Eine Variante, die vor Wochen noch völlig inakzeptabel schien, jetzt jedoch nicht ausgeschlossen wird.
Die Opposition wäre zu einem derartigen Kompromiss bereit, die EU möglicherweise ebenso. Auch noch nach dem Gipfel. Das politische Überleben von Viktor Janukowitsch hängt von Timoschenko ab. Käme sie frei, würde sie wieder politisch aktiv, wäre er erledigt.
Ein Kompromiss würde ihm eine Zukunft sichern, bei den Ukrainern stünde er als Europäer da, würde gefeiert werden. Und die EU wäre um ein Land reicher, das größer als Polen ist. Eine Märtyrerin ist Timoschenko bereits jetzt. Nicht ausgeschlossen, dass sie geopfert wird.
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