EU und China legen Textilstreit bei

Von Peter Kapern |
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso sprach von einer freundschaftlichen Lastenteilung, auf die sich die EU und China geeinigt hätten. Und in der Tat: Er hatte allen Grund, Süßholz zu raspeln, als der Verhandlungspoker, nach wochenlangem Feilschen und Zerren, endlich zu Ende gegangen war.
Und das nicht nur, weil sich Barroso gerade in China aufhält und natürlich alles tun wollte, um seine Gastgeber nicht zu vergrätzen. Den Kotau vor den Chinesen musste der Kommissionschef deshalb machen, weil die Regierung in Peking mit ihrem Handschlag den Europäern aus einer selbstverschuldeten Notlage geholfen hat. Es war nämlich die EU, die vor nicht einmal drei Monaten den chinesischen Textilexporteuren das für sie teure Zugeständnis abgerungen hatte, ihre Ausfuhren in die Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu drosseln. Dieses Agreement sorgte dafür, dass aus den Nähstuben im Reich der Mitte deutlich weniger BHs, Hosen, Hemden und Pullover geliefert werden durften, als dies möglich gewesen wäre. Die Produzenten in China verzichteten also auf Einnahmen, die Konsumenten in Europa auf günstige Kleidungsstücke.

Doch an die Verbraucher und die Händler in Europa hatte niemand gedacht, als die EU-Kommission im Auftrag der Mitgliedstaaten das verhängnisvolle Abkommen aushandelte. Der EU ging es um den schieren Protektionismus zugunsten der Textilindustrie in Italien, Spanien, Frankreich und Portugal. Die Kleiderfabriken in diesen Ländern hatten es schlichtweg unterlassen, sich auf die Änderungen des Weltmarktes einzustellen. Bis zum Beginn dieses Jahres war der weltweite Textilhandel nämlich noch stark reglementiert. Doch im Zuge der Liberalisierung des Welthandels wurden diese Schranken eingerissen, im Januar lief das Welttextilabkommen aus. Das kam nicht überraschend, umso überraschender jedoch waren die Nöte, die der freie Welthandel in der Textilindustrie der Südeuropäischen Staaten auslöste. Nachdem sie es unterlassen hatten, sich durch Schrumpfen oder die Spezialisierung auf hochwertige Produkte auf die neuen Gegebenheiten einzustellen, blieb den europäischen Herstellern nur noch ein Ausweg: Der Hilferuf an die Adresse der EU. Und dort wurde der Ruf gern aufgenommen. Als gerade im Zusammenhang mit dem Verfassungsreferendum in Frankreich die EU als Hort des Neoliberalen gebrandmarkt wurde, ergriffen die Regierungschefs die Chance, ein Exempel zu statuieren. Sie errichteten Dämme gegen die Textilflut aus China, und sorgten so dafür dass der Handel und die Verbraucher in der EU auf dem Trockenen landeten.

Millionen und Abermillionen Pullover Hosen und BHs türmten sich in den Zolllagern der EU und dürften nicht mehr eingeführt werden. Ein Sturm der Entrüstung brach los, dessen Folgen weit gravierender zu werden drohten als die Konsequenzen der so genannten Textilflut. Um das Problem zu lösen, war die EU auf das Entgegenkommen Chinas angewiesen. Nun hat Peking also zugestimmt, die hälfte der sich auftürmenden Kleidungsstücke auf seine Exportquoten für das kommende Jahr anzurechnen. Das bedeutet wiederum Einnahmeverluste für die chinesische Industrie. Gut möglich, dass sich die chinesische Regierung Kompensation an anderer Stelle gesichert hat. Und die EU zahlt einmal mehr Lehrgeld für ihren untauglichen Versuch, der Globalisierung Einhalt zu gebieten.