EU-Spitzenjobs

Kleinkariertes Postengeschacher

Von Annette Riedel · 19.07.2014
Die Postenvergabe für die höchsten EU-Jobs gleicht einem Sudoku-Spiel, meint unsere Brüsseler Korrespondentin Annette Riedel. Bei Personalien gehe es zu allerletzt um die Qualifikation der Bewerber. Den frustrierten Wähler könne man nur mit kompetentem und ambitioniertem Spitzenpersonal gewinnen.
Wie ein Sudoku-Spiel, und zwar eines der komplizierteren Variante - so kann einem die Vergabe der Spitzenjobs der EU vorkommen. Bei diesem Spiel, einer Art Kreuzworträtsel mit Zahlen, müssen in einem Quadrat alle Ziffern von 1 bis 9 in jeder Waagerechten und jeder Senkrechten untergebracht werden. Dabei sind einige Zahlen gesetzt; die anderen müssen so ergänzt werden, dass in jeder Reihe am Ende alle Neune genau jeweils ein Mal auftauchen - keine Zahl doppelt; keine Zahl gar nicht. Da gilt es ganz schön zu puzzeln, zu probieren, zu radieren, bis es geschafft ist.
Suche nach Spitzenpersonal wie Quadratur des Kreises
Beim 'Sudoku' der EU-Spitzenjobs ist seit dieser Woche einer endgültig gesetzt, nach erheblichem Gezerre: Jean-Claude Juncker ist vom EU-Parlament zum neuen Präsidenten der EU-Kommission gewählt worden. Alles andere wäre schlechterdings undemokratisch gewesen. Er war der Spitzenkandidat derjenigen Fraktion, die die Europawahlen gewonnen hat und er ist derjenige, dem es gelungen ist, eine Mehrheit im Parlament hinter sich und hinter das, was er inhaltlich vorhat, zu bringen. Erdrückend war die Mehrheit nicht, aber immerhin akzeptabel. Auf alle Fälle geht das Parlament aus der Tatsache, dass sein Kandidat nun Kommissionspräsident geworden ist, gestärkt hervor.
Die 'Kästchen' Konservativer, reiches Land, kleines Land, westliches Land, EU-Gründungsland, Euro-Land, Mann sind mit der Person Juncker vergeben. Was fehlt: Sozialdemokrat, armes Land, großes Land, neues EU-Mitglied, östliches, nördliches, südliches EU-Land, Nicht-Euro-Land, Frau. Die hohe Schule ist, die nun noch zu vergebenden Spitzenjobs so zu besetzen, dass alle diese Kästchen gefüllt werden. Keines darf ausgelassen werden, keines wiederholt auftauchen, so dass am Ende alle 28 EU-Länder das Gefühl haben, dass sie sich im Spitzenpersonal wiederfinden können. Das ist die sprichwörtliche Quadratur des Kreises.
Nun soll es also ein neuer Sondergipfel Ende August richten. Dieser Gipfel muss es richten, wenn der Zeitplan eingehalten werden will, nach dem die neue EU-Kommission unter der Führung von Jean-Claude Juncker am 1. November ihre Arbeit aufnehmen soll. Dieser Gipfel wird es richten, denn letztlich kann niemandem unter den 28 Regierungen der EU-Länder daran gelegen sein, dass die EU sich zum Gespött macht. Ohnehin hat sich der nicht völlig zu Unrecht gehegte Verdacht einmal mehr bestätigt, dass es bei Personalien zu allerletzt um die Qualifikation der verschiedenen Aspiranten geht, sondern vielmehr um den größtmöglichen Einfluss derer, die sie ins Rennen schicken, auf der europäischen Bühne.
Die Bürger überzeugen!
Was die EU in den nächsten Jahren dringend braucht - angesichts der großen außenpolitischen Herausforderungen - das ist starkes Personal, nicht zuletzt einen starken, erfahrenen Außenbeauftragen oder eine Außenbeauftragte, mit einem starken Mandat. Es ist leicht vorstellbar, dass das nicht gerade das Herzens-Anliegen eines jeden der 28 Staats- oder Regierungschefs ist. Denn es gilt: Je schwächer das Personal in Brüssel, desto machtvoller ihr eigener Einfluss. Was aber in Brüssel nicht gebraucht wird, sind Pappkameraden am Gängelband der jeweiligen Hauptstadt. Jean-Claude Juncker ist jedenfalls kein Pappkamerad.
Es ist auch leicht vorstellbar, dass das Großbritannien, das mit dem Austritt aus der EU spielt, nicht schmeckt. Wie sehr der britische Premier am Ausgang der Europawahlen und an der Personalie Juncker knabbert, zeigt Camerons prompte Kabinettsumbildung. Die Europaskeptiker sollen befriedet werden. Die Frage ist, ob das reicht.
Aber nicht sie muss man vom Mehrwert überzeugen, den eine starke, handlungsfähige EU auf der internationalen Bühne gegenüber nationalstaatlichem Tun hat - sie genauso wenig wie die gestiegene Zahl der Europaskeptiker im Europaparlament, die von innen das Auseinanderdriften der EU betreiben. Sie zu überzeugen wäre ein wohl eher aussichtsloses Unterfangen.
Die Bürger, die Wähler müssen überzeugt werden. Das gelingt sicher nicht mit bloßem klein-karierten Kästchen-Füllen nach Proporz, entlang nationaler Empfindlichkeiten der Regierenden bei der Besetzung von Ämtern und Würden in Brüssel. Das gelingt bestenfalls mit überzeugenden, kompetenten, ambitionierten Persönlichkeiten, die für Europa stehen, sprechen, handeln.
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