EU-Sondertreffen

Kann ein Gipfel Flüchtlingsleben retten?

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Bundesinnenminister Thomas de Maizière beim Treffen der EU-Außen- und Innenminister in Luxemburg am 20. April 2015.
Außenminister Steinmeier, Österreichs Innenministerin Mikl-Leitner und Bundesinnenminister de Maizière beim Treffen der EU-Außen- und Innenminister in Luxemburg am 20. April 2015. © imago / ZUMA Press
Von Annette Riedel · 23.04.2015
Um Flüchtlingstragödien im Mittelmeer künftig zu verhindern, haben die EU-Außen- und Innenminister einen Zehn-Punkte-Plan vorgelegt - die Staats- und Regierungschefs werden über ihn auf einem Sondergipfel am Donnerstag entscheiden. Geplant ist, die Anrainerstaaten stärker zu unterstützen und die Mittel für die Rettung Schiffbrüchiger im Mittelmeer aufzustocken.
Es ist nicht das erste Mal, dass die EU-Staats- und Regierungschefs über Flüchtlinge reden; es ist auch nicht das erste Mal, dass dies vor dem Hintergrund eines Dramas geschieht. Beispiel: Oktober 2013. Da waren gerade vor Lampedusa über 300 Menschen an einem Tag umgekommen.
Federica Mogherini: "Wir haben jetzt ein neues Bewusstsein dafür, dass die Flüchtlinge eine europäische Herausforderung sind und nicht eine von einzelnen EU-Ländern. Wir müssen jetzt handeln – und zwar schnell und gemeinsam. Das ist unsere gemeinsame Verantwortung."
Und dem von der EU-Außenbeauftragten Mogherini beschworenen neuen Bewusstsein, will die EU nun gerecht werden.
Dimitris Avramopoulos: "We have agreed to implement a Ten-Points-Plan."
Diesem Zehn-Punkte-Plan, von dem EU-Kommissar Avramopoulos spricht, und den die EU-Außen- und Innenminister in gemeinsamen Beratungen – ungewöhnlich genug – am Montag in Luxemburg diskutiert haben, sollen nun heute die EU-Staatenlenker die politische Zustimmung geben.
Schlepper sollen auch militärisch bekämpft werden
Ein Punkt: Die Mittelmeer-Anrainer, allen voran Italien, sollen unterstützt werden. Aber zu allererst sollen die Mittel für die Rettung Schiffbrüchiger im Mittelmeer aufgestockt werden. Das heißt: Verdoppelung der Finanzen und der Schiffe – und zwar für Triton, für die EU- Grenzüberwachungsmission. Eine verstärkte Grenzüberwachungsmission sei nicht der richtige Weg, kritisieren Flüchtlingsorganisationen und Europaparlamentarier, wie die Grüne, Ska Keller.
Ska Keller: "Je mehr Schiffe auf dem Mittelmeer unterwegs sind, desto besser – ganz, ganz klar. Nichtsdestotrotz brauchen wir eine europäische Anstrengung zur Seenotrettung, zum Zwecke der Seenotrettung und nicht eine Seenotrettung, die mit erfolgt, wenn es eigentlich um etwas ganz Anderes geht, nämlich um die Abschottung Europas."
Ein weiterer der zehn Punkte, mit denen die EU der dramatischen Situation vor Europa begegnen will: Schlepper auch militärisch zu bekämpfen – im Rahmen einer Mission der Gemeinsamen EU-Sicherheitspolitik, gegebenenfalls mit einem Mandat der Vereinten Nationen, wie schon im Falle der EU-Piraten-Bekämpfung vor Somalia.
Ska Keller sieht auch diesen Punkt eher kritisch:
"Es gibt ja die Schlepper, weil es einen ganz großen Bedarf gibt zu fliehen. Vor Krieg und Verfolgung zu fliehen. Und dieser Bedarf wird nicht weniger. Das heißt, wenn man wirklich etwas gegen die Schlepper tun will, dann muss man eben die legale und sichere Einreisemöglichkeit schaffen für Flüchtlinge."
Das ist nicht Teil des Zehn-Punkte-Plans. Jenseits eines Pilotprojekts, das eine solche sichere und legale Einreise für einige Tausend Flüchtlinge ermöglichen soll. Man könne aber nun mal nicht alle aufnehmen, die sich auf den Weg machten, gibt der CDU-Europaparlamentarier Herbert Reul zu bedenken.
Herbert Reul: "Wenn sie das bei all denen machen, die berechtigte Gründe hätten, sind das Mengen, die sich mehr händeln können. Und dann entsteht Ärgernis oder Unruhe bei uns in den europäischen Völkern."
90 Prozent der Flüchtlinge kommen über Libyen
Weitgehend einig ist man sich, bei den Aspekten des Zehn-Punkte Plans, bei denen es darum geht, mehr gegen die Ursachen der Fluchtbewegungen zu tun. Das heißt, einerseits die Entwicklungszusammenarbeit mit den Herkunftsländern zu stärken, wie gestern in Brüssel auch die Kommissions-Vorsitzende der Afrikanischen Union, Dlamini-Zuma betonte.
Nkosazana Dlamini-Zuma: "Es ist klar, dass wir mehr Ausbildung brauchen und bessere Perspektiven. Afrika ist ein sehr junger Kontinent und wir brauchen in allen afrikanischen Ländern mehr Jobs."
Es geht andererseits zudem um bessere Zusammenarbeit mit den Transit-Ländern. Allerdings kommen zurzeit rund 90 Prozent der Flüchtlinge über Libyen, ein Land im Bürgerkrieg, in dem chaotische Zustände herrschen.
Mogherini: "Wir müssen unsere gemeinsamen diplomatischen Anstrengungen verstärken, die vielen Kriege und Konflikt zu lösen, Armut effektiver zu bekämpfen und gegen Menschenrechtsverletzungen vorzugehen, die es weltweit gibt."
Ob der heutige Gipfel den politischen Willen zu dem aufbringen wird, was Mogherini fordert – der Europaabgeordnete Reul jedenfalls zweifelt daran.
Reul: "Jeder weiß, er kommt in dieser aufgeregten Zeit nicht an solchen Gipfel vorbei, aber jeder weiß auch: Ein Gipfel löst das Problem überhaupt nicht."
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