EU-Flüchtingspolitik

Retten und wieder abschieben

Flüchtlingstransport der italienischen Marine vor der Insel Lampedusa im Oktober 2013
Flüchtlingstransport der italienischen Marine vor der Insel Lampedusa im Oktober 2013 © dpa / picture alliance / Marina Militare/Nmcs/Handout
Von Jörg Münchenberg, Studio Brüssel · 02.12.2013
Die EU will das Mittelmeer technisch hochgerüstet überwachen und verspricht auch mehr Hilfe für Flüchtlinge in Seenot. Doch solange sie an ihrer Asylpolitik festhält, bleibt das neue System "Eurosur" ein elektronisches Vehikel zur Abschottung der Außengrenzen.
Während Europa bei einer gemeinsamen Asylpolitik kaum vorankommt, kann die Union zumindest beim Schutz ihrer Außengrenzen bemerkenswerte Fortschritte vermelden. "Eurosur" nennt sich das neue System, das heute seinen Betrieb aufgenommen hat. Es geht um die gemeinschaftliche Nutzung von Daten, um die technisch hochgerüstete Überwachung des Mittelmeeres, um die Verhinderung der illegalen Einwanderung.
Dabei zeichnen die vielen Wortmeldungen zu Eurosur heute – etwa durch die EU-Kommission – ein ganz anderes Bild. Dort wird an erster Stelle immer wieder auch betont, dass das neue System auch Menschenleben retten soll; dass es darum geht, Flüchtlinge schon möglichst frühzeitig in ihren seeuntüchtigen Booten zu entdecken und sicher an Land zu bringen. Um neuerliche Flüchtlingskatastrophen wie vor Lampedusa vor zwei Monaten künftig zu verhindern.
Kein Zweifel, die Tragödie im Mittelmeer mit 300 ertrunkenen Afrikanern hat auch in Brüssel Spuren hinterlassen. Selbst auf dem letzten EU-Gipfel haben sich die Staats- und Regierungschefs damit beschäftigt. Niemand will sich seit Lampedusa dem Vorwurf aufsetzen, letztlich gehe es Europa doch nur darum, seine Grenzen weiter dicht zu machen.
Dabei genügt schon ein Blick in die entsprechende Eurosur-Verordnung. Zunächst einmal stehen der Kampf gegen illegale Migration und die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität an erster Stelle. Das lässt sich die EU mindestens 250 Millionen Euro kosten. Ein wichtiges Element sind dabei auch die anvisierten sogenannten Rückführungsabkommen, etwa mit Libyen. Um Flüchtlinge schnellstens wieder zurückschicken zu können.
Erst an dritter Stelle befasst sich die Verordnung mit dem Punkt, der heute von so vielen herausgestellt wird: die Seenotrettung sowie die Wahrung der Menschenrechte. Dass dieser Aspekt überhaupt mehr Gewicht bekommen hat, ist übrigens vor allem dem Europäischen Parlament zu verdanken, das sich offenkundig einer engagierten europäischen Flüchtlingspolitik weitaus mehr verpflichtet sieht als die 28 EU-Mitgliedstaaten.
Vom europäischen Ufer fernhalten
Das aber ändert dennoch nichts an der grundsätzlichen Ausrichtung des Systems: Mit Hilfe von Drohnen und Satelliten will die EU nicht nur Kriminellen das Handwerk legen. Im günstigsten Fall kommen die Flüchtlinge erst gar nicht in Reichweite der verheißungsvollen europäischen Ufer. Notfalls werden sie dennoch gerettet und dann wieder abgeschoben, sofern ihr Leben in den Drittländern nicht bedroht ist.
Solange aber die EU bei der Asylpolitik am Status Quo festhält; solange sich die Mitgliedstaaten weigern, auch nur ansatzweise über eine europäische Einwanderungspolitik zu diskutieren, um sich damit auch dem wachsenden Problem der Wirtschaftsflüchtlinge zu stellen; solange wird Eurosur vor allem eines bleiben: ein elektronisches Vehikel zur besseren Abschottung von Europas Außengrenzen.
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