EU-Abgeordnete Mann: Zeichen für eine Einigung im Kosovo

Moderation: Hanns Ostermann |
Trotz des Scheiterns der vierten Wiener Kosovo-Gespräche sieht die Europaabgeordnete Erika Mann positive Zeichen für eine Einigung zwischen den Volksgruppen im Kosovo. Der UN-Beauftragte für das Kosovo, der frühere finnische Staatspräsident Martti Ahtisaari, werde eine Lösung für die serbische Provinz finden, sagte die SPD-Politikerin. Die wichtigste Frage sei noch immer, wie die Unabhängigkeit der Provinz definiert werde.
Hanns Ostermann: Es sind mühsame Gespräche zwischen Albaner und Serben, wenn es um die politische Neuordnung des Kosovo geht. Seit 1999 wird die südserbische Provinz von den Vereinten Nationen verwaltet. Wie die politische Neuordnung aussehen könnte, das bleibt nach wie vor ein ungelöstes Problem. Vier Verhandlungsrunden hat es bereits gegeben, vier Mal ging man ohne konkrete Ergebnisse auseinander. Die Kosovo-Albaner fordern die vollständige Unabhängigkeit ihres Gebietes, Belgrad lehnt das ab. Bis zum Ende dieses Jahres soll ein Kompromiss gefunden sein. Erika Mann sitzt für die SPD im Europaparlament, sie hält sich derzeit im Kosovo auf. Guten Morgen, Frau Mann.

Erika Mann: Schönen Guten Morgen.

Ostermann: Jetzt will sich auch der UN-Beauftragte für das Kosovo verstärkt einschalten, der frühere finnische Staatspräsident Martti Ahtisaari. Was kann er tun, um einen Ausweg aus der Sackgasse zu finden?

Mann: Nun, er kann sehr viel tun, er ist ja offiziell Beauftragter und er hat sein Mandat bis Mitte November und bis zu diesem Zeitpunkt muss er, oder will er, auf jeden Fall auch eine Lösung finden. Er ist ja ein sehr erfahrener Verhandler und sehr anerkannt hier sowohl auf serbischer Seite wie aber auch natürlich auf albanischer Seite. Und ich denke, er ist der richtige Mann und wird auch schon eine Lösung finden. Es geht ja immer noch um die Frage, wie definiert man eben Unabhängigkeit und da gibt es den Streit drum, dass es also auf jeden Fall eine Trennung gibt, das ist keine Frage. Der einzige Streit geht eben darum, wie unabhängig, und ich denke, es wird schon eine vollständige Unabhängigkeit geben. Aber darum wird eben jetzt noch gerungen.

Ostermann: Aber die Frage ist ja: Welchen Status erhält die nicht-albanische Bevölkerung? Belgrad will 15 bis 16 Gemeinden mit serbischer Minderheit, Priština nur drei oder vier neue Kommunen. Wo könnte da eine Kompromisslinie verlaufen?

Mann: Das kann ich Ihnen jetzt auch noch nicht sagen. Ich bin selber erst ... ich habe mir die Gegend mehrmals angeschaut, ich bin jetzt noch einmal am, warten Sie mal, am Sonntag, dort gewesen, habe mir also den nördlichen Teil noch einmal angeschaut, auch mit Leuten dort vor Ort geredet. Ich glaube, wenn alle eine Zukunftsperspektive sehen, das ist das Hauptproblem, dass sie eben eine ökonomische Zukunftsperspektive sehen, dass sie sehen, dass sie in dem Land leben können, dass eine gemeinsame Zukunft möglich ist, so dass es eben keine Ausgrenzung von ethnischen Minderheiten gibt. Wenn das alles vernünftig geregelt ist, dann, denke ich, wird man auch einen Kompromiss finden.

Und insofern muss erst mal, und deshalb bin ich ja hier, muss erst mal die ökonomische Perspektive gesehen werden, und sie muss eben auch entwickelt werden. Und dann wird eben sehr, sehr vieles einfacher. Wenn man immer in dieser Ecke sitzt und seine eigene Zukunft gar nicht definieren kann, und man dann zusätzliche Ängste hat, nationale oder eben ethnische Ängste dann noch hinzukommen, dann verschärft sich natürlich das Problem.

Ostermann: Was kann denn da die Europäische Union tun, um vor allem ökonomisch hier Wege aufzuzeigen, und damit vielleicht auch den Konflikt zu entschärfen?

Mann: Wir machen ja schon sehr viel. Die Europäische Union ist ja schon vor Ort und schon seit vielen Jahren in verschiedenen Missionen. Es ist natürlich formal im Moment, und bis Ende des Jahres auslaufen wird die Mission wahrscheinlich dann Mitte kommenden Jahres, ist ja zuständig noch die UN, aber wir haben ja natürlich auch in vielen Bereichen, Gott sei Dank, eine Art gemischte Zuständigkeit, also man schaut schon, dass man hier nicht, dass die Europäische Union dann nicht eines Tages etwas übernehmen muss, ohne dass sie eben auch das entsprechende Verständnis hat und vor Ort ist. Es geht im Wesentlichen darum natürlich, erst mal die großen Bereiche vernünftig auf die Beine zustellen, Privatisierung läuft weitgehend schon. Auch wenn die Lage noch juristisch nicht immer ganz klar ist, aber auf jeden Fall läuft der Privatisierungsvorgang, das sind vor allem die großen Energieunternehmen, das sind natürlich auch der Minenbereich, also Kohle abgebaut wird, ja Gott sei Dank, relativ leicht abgebaut werden kann, um mal zwei Beispiele zu sagen. Dann im Wasserbereich muss unglaublich viel gemacht werden. Wir haben hier überhaupt keine vernünftige und gesunde Wasserversorgung, im Abfallbereich.

Also es sind gigantische Aufgaben, und dann natürlich noch überall Straßenbau, wo auch überall natürlich dann Jobs entstehen werden. Man hat, Gott sei Dank, eine sehr lebendige, kleine Wirtschaft, die funktioniert ziemlich gut. Also wenn Sie sehen, ich bin das letzte Mal ungefähr vor einem Jahr hier gewesen, vielleicht auch etwas weniger, und also allein die Geschäfte, die entstehen, die ganzen Gemüsestände, die Restaurants, also da gibt es eine sehr lebendige Kultur und auch sehr viel Willen, etwas auf die Beine zu stellen, also das ist keine Bevölkerung hier, von der man nicht erwarten kann, dass sie ihre eigenen Geschäfte steuern kann, das wird schon alles klappen. Aber man hat auch gleichzeitig eine sehr junge Bevölkerung, extrem ungefähr 70 Prozent, rund gerechnet, wahrscheinlich stimmen die Zahlen nicht ganz genau, aber unter 30 Jahren, und die müssen natürlich auch alle integriert werden immer wieder in einen Wirtschaftsprozess. Das heißt, man braucht ein Wirtschaftswachstum, was rund gerechnet, damit sie das können, zwischen sieben und zehn Prozent liegt. Im Moment hat man, Gott sei Dank, letztes Jahr und dieses Jahr schätzt man etwas um drei Prozent herum, aber das reicht natürlich nicht aus. Wir machen viel, wir sind dabei überall zu helfen. Also bei den großen Umstrukturierungen, natürlich immer alles unter dem UN-Dach ist man natürlich schon dabei, natürlich auch die kleinen Unternehmen, zu helfen. Es gibt viele Projekte, die hier laufen, Gott sei Dank. Nicht ausreichend, es muss viel mehr gemacht werden.

Ostermann: Frau Mann, bei Ihren Gesprächen, die Sie geführt haben, wie groß, wenn Sie das festgestellt haben, wie groß ist generell eigentlich die Bereitschaft der Albaner, der serbischen Minderheit entsprechende Rechte einzuräumen?

Mann: Ja ja, das ist schon gegeben. Also, aber wissen Sie, das ist auch immer natürlich mit wem Sie reden, und wie politisch das Thema wird. Man muss da realistisch sein, wenn das Thema sich politisch natürlich wieder zuspitzt, dann haben sie natürlich mehr Frustrationen, die sich wieder aufbauen. Wenn das Thema politisch entspannt und vernünftig gehandelt wird, dann kann natürlich auch die Bevölkerung entspannter und vernünftiger damit umgehen. Es ist ja nicht so, das es keine Verbindungen gibt, es ist natürlich hier, wenn sie, ich sag mal, es ist nicht, man kann nicht davon reden, dass es nun überhaupt keine Kontakte oder überhaupt keine Verbindungen gibt, also das ist ja wirklich überzogen.

Ostermann: Und Sie sind insgesamt optimistisch, dass auch der UN-Beauftragte für das Kosovo, dass der Finne Martti Ahtisaari, dass er in der Tat diese schwierigen, vor allen Dingen ja auch hoch sensiblen Probleme, dass er sie lösen kann innerhalb diese Jahres?

Mann: Ob er alles lösen kann, ich denke er wird auf jeden Fall eine Lösung finden, und wenn er keine Lösung finden wird, dann wird er etwas empfehlen, was gemacht werden muss, weil man kann die Situation nicht weiter so laufen lassen, wie sie ist, das geht nicht, das ist für beide Seiten nicht akzeptabel und insofern muss es zu einer Entscheidung kommen, und wenn es, ich hoffe, dass es eine Lösung ist, die beide Seiten dann auch tatsächlich akzeptieren können. Und mein Gefühl ist, dass wenn es jemand machen kann, dann kann er das, er hat einfach das Geschick dazu und er hat auch das Wissen dazu.

Ostermann: Erika Mann war das, die sich im Augenblick im Kosovo aufhält. Sie sitzt für die SPD im Europäischen Parlament.