Etwas Warmes braucht der Mensch

17.01.2010
Der Wissenschaftler Richard Wrangham untersuchte fossile Funde und Verhaltensformen indigener Völker, um etwas über die Ernährung unserer Vorväter zu erfahren. Seine These: Erst gekochtes Essen habe ein großes Gehirn und somit den Homo sapiens hervorgebracht.
Ohne Kochen gäbe es den modernen Menschen wahrscheinlich nicht. Davon ist der englische Anthropologe Richard Wrangham überzeugt. Erst das Feuer und damit verbunden das gekochte Essen habe ein großes Gehirn und damit den Homo sapiens hervorgebracht. Eine gewagte These, die gut begründet sein will. Das aber ist alles andere als einfach, wie der Wissenschaftler auch in seinem neuen Buch "Wie uns das Kochen zum Menschen machte" eingesteht. Feuer hinterlässt selten Spuren. Und Kochen lässt sich noch schwerer nachweisen. Die ältesten Feuerfunde sind 400.000 Jahre alt.

Doch die Gehirnvergrößerung begann schon früher: Während beim Vormenschen, dem Australopithecus, der vor rund zweieinhalb Millionen Jahren lebte, das Gehirn kaum größer als beim Schimpansen war, hatte bereits der auf ihn folgende Frühmensch, der Homo erectus, vor rund zwei Millionen Jahren doppelt soviel Gehirnmasse. Die wuchs im Verlaufe der Evolution dann immer weiter an, bis sie vor rund 200.000 Jahren ihre heutige Größe von rund 1400 Kubikzentimetern erreichte. Auf der Bildfläche erschien der moderne Mensch.

Richard Wrangham ist überzeugt, dass das Anwachsen des Gehirns und damit die Steigerung der Intelligenz vor allem auf die Nutzung des Feuers und die damit verbundene geänderte Ernährung zurückzuführen sind. Seine Beweiskette ist in Einzelkapitel gegliedert, die jeweils eine Frage zu beantworten versuchen. Er befasst sich dabei ebenso mit dem Nährwert von Rohkost wie mit dem Energiegehalt des Essens, schaut nach den ersten Spuren des Kochens und den sozialen Veränderungen, die es mit sich brachte. Er erklärt die Zusammenhänge einleuchtend und leicht verständlich.

Als Beweis dient ihm etwa der Körperbau. Je größer das Gehirn wurde, desto kleiner wurde der Mund, desto schwächer wurden die Kiefern und Zähne. Ideal für das Verspeisen weicher und - so der Autor - gekochter oder gebratener Nahrung, schlecht für Rohkost und blutiges Fleisch. Auch der Nährwert der Nahrung steigt an. Gekochtes und Gebratenes wird bei der Verdauung leichter zerlegt. Während der Verdauungstrakt bei Pflanzen- und Fleischfressern ziemlich voluminös ist, weil es lange dauert, Rohkost aufzuschließen, ist er beim Menschen deutlich kürzer.

Der Vorteil: ein kleiner Verdauungsapparat braucht weniger Energie. Es bleibt mehr für die Entwicklung des Gehirns übrig. Zudem eliminierte das Kochen Pflanzengifte und erweiterte damit das Nahrungsspektrum. Weiche Nahrung erlaubte ein früheres Abstillen der Kinder. Der höhere Nährwert erhöhte deren Lebenserwartung.

Systematisch klopft Richard Wrangham fossile Funde sowie Verhaltensformen indigener Völker daraufhin ab, was sie uns über die Ernährung unserer Vorväter verraten können. Er zieht immer wieder zum Vergleich Tiere heran, die nur von Rohkost leben. Gibt es keine Indizienbeweise, beruft er sich auf nachvollziehbare logische Schlussfolgerungen.

Seine Beweisführung umschließt auch das Sozialverhalten. Außer Schutz vor Raubtieren lud das Feuer auch zu gemeinsamen Mahlzeiten ein, stärkte also das Gruppendenken und -handeln, förderte soziale Bindungen. Allerdings fesselte das Kochen die Frauen auch an den Herd, begründete die Geschlechterrollen, verfestigte männliche Überlegenheit. Beim Mentalitätswandel wird die Beweisführung etwas dürr und spekulativ. Ansonsten jedoch spricht vieles für Richard Wranghams Hypothese, dass das Kochen die Evolution der Menschwerdung entscheidend beeinflusst hat.

Besprochen von Johannes Kaiser

Richard Wrangham: Feuer fangen - Wie uns das Kochen zum Menschen machte
Aus dem Englischen Udo Rennert
DVA, München 2009
299 Seiten, 22,95 Euro