Ethik-Unterricht bei der Bundeswehr
Soldaten der Bundeswehr werden zum Kämpfen ausgebildet – und in letzter Konsequenz auch zum Töten. Immer mehr von ihnen verweigern aus Gewissensgründen den Dienst an der Waffe. Ist der Krieg in Afghanistan dafür der Grund, oder haben interne Ethik-Kurse etwas damit zu tun?
Schuld. Angst. Tod. Es sind die großen Themen jeder Religion, die hier besprochen werden, aber es ist keine Kirche. Vor Hauptmann Marcel Bohnert sitzen 30 junge Offizieranwärter. An der Bundeswehr-Universität in Hamburg läuft ein Ethik-Kurs. Gerade geht es darum, welches Leitbild die jungen Menschen eigentlich haben. Brücken bauen und Brunnen bohren? Das ist nicht die Realität, die Marcel Bohnert als Chef einer Kampfkompanie in Kundus erlebt hat:
"Der Kern des soldatischen Handelns ist nach wie vor die Befähigung zum Kampf, deshalb sind wir Soldaten, und da fällt auch mal dieses Wort, wo man immer gleich so ein schlechtes Gewissen hat, wenn man das so nennt – Kämpfer."
Seit zwei Jahren gibt es die Ethik-Kurse an der Hamburger Bundeswehr-Universität. Jetzt hat deren Leitung einen Verdacht: Kann die Beschäftigung mit Tod und Verwundung Grund dafür sein, dass die Zahl der Kriegsdienstverweigerer unter ihren Soldaten sprunghaft angestiegen ist? Auch Soldaten haben das Recht, den Dienst an der Waffe aus Gewissensgründen zu verweigern. In den letzten drei Jahren hat sich die Zahl der Antragsteller auf 35 verdoppelt. An der zweiten Bundeswehr-Universität Deutschlands, in München, sind es nur acht. Vielleicht, weil es hier keine Ethik-Kurse gibt?
Der evangelische Militärseelsorger Michael Rohde aus Hamburg glaubt nicht, dass es daran liegt:
"Einen direkten Zusammenhang zwischen Ethik-Kursen und Kriegsdienstverweigerung würde ich so nicht sehen, und das würde ja auch bedeuten, dass sich Soldatinnen und Soldaten vorher keine Gedanken über ihre Position und ihre Entscheidung gemacht haben. Und das glaube ich nicht."
Rohde hat eine andere Vermutung, warum die Zahl der Kriegsdienstverweigerer unter den Soldaten so dramatisch angestiegen ist.
Es sind die immer härter werdenden Gefechte der Bundeswehr in Afghanistan, glaubt der Militärgeistliche, die zu einem Anstieg der Verweigerer-Zahlen beitragen. Nicht nur an der Hamburger Uni: In der gesamten Truppe hat sich die Verweigerer-Zahl in den letzten drei Jahren auf 412 verdoppelt.
Professor Heinz-Gerhard Justenhoven hat eine weitere Erklärung. Der Direktor des katholischen Instituts für Theologie und Frieden beschäftigt sich seit Jahren aus theologischer Sicht mit dem Afghanistankrieg:
"Wir erleben, dass viele Soldaten sich intensive Gedanken über die Einsätze, in denen sie beteiligt sind, machen, und dass der Bedarf, dies zu reflektieren, auch mit professioneller Unterstützung, groß ist."
Es ist nach Meinung des Theologen also eher die Sinnfrage, die sich die Soldaten stellen. Sie erkennen: Trotz der Opfer, die wir bringen, können wir die Lage am Hindukusch nicht langfristig verbessern.
"Ein junger Mann, der zu dem Ergebnis kommt, nachdem er vielleicht ein erstes Mal intensiv damit konfrontiert ist, dass er das nicht mehr kann, da zählt es wirklich zu der Größe eines demokratischen Staates, auch hier einen ehrenvollen Weg zu öffnen, dass man da rausgehen kann."
Oberst Uwe Hartmann hat das Ethik-Curriculum an der Hamburger Bundeswehr-Universität entwickelt. Von einem Zusammenhang zwischen seinem Kurs und den steigenden Verweigerer-Zahlen geht auch er nicht aus:
"Ich hab in den Jahren 2010 und 2011 mit allen, die einen Antrag gestellt haben, gesprochen. Mein Eindruck war schon, dass da sehr, sehr persönliche Motive dahinterstehen. Da gab es jemanden, dessen Bruder verstorben ist und der im Rahmen seiner eigenen Trauerarbeit erkannt hat, dass er tatsächlich nicht mit dem Tod von nahen Angehörigen, auch nicht mit dem Tod von Kameraden, umgehen könnte."
Hartmann sagt, er müsse den Verweigerern glauben, wenn sie von Gewissensgründen sprechen. Aber dennoch:
"Ich bin eigentlich ganz froh, dass ich nicht beurteilen muss, ob die Gewissensgründe wirklich stichhaltig sind oder nicht."
Die Leitung der Bundeswehr-Universität Hamburg indes wiegelt ab. Man habe zwar den Ethik-Kurs als einen von vielen Gründen für steigende Verweigerer-Zahlen untersucht, aber da bestehe sicher kein Zusammenhang. Stattdessen kommt der dezente Hinweis, es könne den Verweigerern auch um Geld gehen. So mancher Student wolle sich um die Pflichterfüllung nach dem Gratisstudium drücken. Zwar fordert die Bundeswehr nach Angaben des Hamburger Fachanwaltes Joachim Kudoweh von jedem Studenten, der verweigert, rund 35.000 Euro zurück. Vor Gericht einige man sich dann aber meist auf Summen um die 20.000 Euro. Ihr Gehalt dürfen die Verweigerer in jedem Fall behalten. Rund 2000 Euro bekommt ein Leutnant im Monat.
Welche Auswirkungen die Ethik-Kurse auf Kriegsdienstverweigerung auch haben mögen – sie sind absolut notwendig, findet Militärseelsorger Michael Rohde. Der evangelische Geistliche hat kürzlich mit Soldaten gesprochen, die in Kundus viele Gefechte durchstehen mussten:
"Und da haben viele Soldatinnen und Soldaten gesagt, es war gut, dass wir über dieses Thema Tod und Verwundung und über den Umgang damit, grade in Bezug auf unsere Angehörigen, schon mal nachgedacht haben."
"Der Kern des soldatischen Handelns ist nach wie vor die Befähigung zum Kampf, deshalb sind wir Soldaten, und da fällt auch mal dieses Wort, wo man immer gleich so ein schlechtes Gewissen hat, wenn man das so nennt – Kämpfer."
Seit zwei Jahren gibt es die Ethik-Kurse an der Hamburger Bundeswehr-Universität. Jetzt hat deren Leitung einen Verdacht: Kann die Beschäftigung mit Tod und Verwundung Grund dafür sein, dass die Zahl der Kriegsdienstverweigerer unter ihren Soldaten sprunghaft angestiegen ist? Auch Soldaten haben das Recht, den Dienst an der Waffe aus Gewissensgründen zu verweigern. In den letzten drei Jahren hat sich die Zahl der Antragsteller auf 35 verdoppelt. An der zweiten Bundeswehr-Universität Deutschlands, in München, sind es nur acht. Vielleicht, weil es hier keine Ethik-Kurse gibt?
Der evangelische Militärseelsorger Michael Rohde aus Hamburg glaubt nicht, dass es daran liegt:
"Einen direkten Zusammenhang zwischen Ethik-Kursen und Kriegsdienstverweigerung würde ich so nicht sehen, und das würde ja auch bedeuten, dass sich Soldatinnen und Soldaten vorher keine Gedanken über ihre Position und ihre Entscheidung gemacht haben. Und das glaube ich nicht."
Rohde hat eine andere Vermutung, warum die Zahl der Kriegsdienstverweigerer unter den Soldaten so dramatisch angestiegen ist.
Es sind die immer härter werdenden Gefechte der Bundeswehr in Afghanistan, glaubt der Militärgeistliche, die zu einem Anstieg der Verweigerer-Zahlen beitragen. Nicht nur an der Hamburger Uni: In der gesamten Truppe hat sich die Verweigerer-Zahl in den letzten drei Jahren auf 412 verdoppelt.
Professor Heinz-Gerhard Justenhoven hat eine weitere Erklärung. Der Direktor des katholischen Instituts für Theologie und Frieden beschäftigt sich seit Jahren aus theologischer Sicht mit dem Afghanistankrieg:
"Wir erleben, dass viele Soldaten sich intensive Gedanken über die Einsätze, in denen sie beteiligt sind, machen, und dass der Bedarf, dies zu reflektieren, auch mit professioneller Unterstützung, groß ist."
Es ist nach Meinung des Theologen also eher die Sinnfrage, die sich die Soldaten stellen. Sie erkennen: Trotz der Opfer, die wir bringen, können wir die Lage am Hindukusch nicht langfristig verbessern.
"Ein junger Mann, der zu dem Ergebnis kommt, nachdem er vielleicht ein erstes Mal intensiv damit konfrontiert ist, dass er das nicht mehr kann, da zählt es wirklich zu der Größe eines demokratischen Staates, auch hier einen ehrenvollen Weg zu öffnen, dass man da rausgehen kann."
Oberst Uwe Hartmann hat das Ethik-Curriculum an der Hamburger Bundeswehr-Universität entwickelt. Von einem Zusammenhang zwischen seinem Kurs und den steigenden Verweigerer-Zahlen geht auch er nicht aus:
"Ich hab in den Jahren 2010 und 2011 mit allen, die einen Antrag gestellt haben, gesprochen. Mein Eindruck war schon, dass da sehr, sehr persönliche Motive dahinterstehen. Da gab es jemanden, dessen Bruder verstorben ist und der im Rahmen seiner eigenen Trauerarbeit erkannt hat, dass er tatsächlich nicht mit dem Tod von nahen Angehörigen, auch nicht mit dem Tod von Kameraden, umgehen könnte."
Hartmann sagt, er müsse den Verweigerern glauben, wenn sie von Gewissensgründen sprechen. Aber dennoch:
"Ich bin eigentlich ganz froh, dass ich nicht beurteilen muss, ob die Gewissensgründe wirklich stichhaltig sind oder nicht."
Die Leitung der Bundeswehr-Universität Hamburg indes wiegelt ab. Man habe zwar den Ethik-Kurs als einen von vielen Gründen für steigende Verweigerer-Zahlen untersucht, aber da bestehe sicher kein Zusammenhang. Stattdessen kommt der dezente Hinweis, es könne den Verweigerern auch um Geld gehen. So mancher Student wolle sich um die Pflichterfüllung nach dem Gratisstudium drücken. Zwar fordert die Bundeswehr nach Angaben des Hamburger Fachanwaltes Joachim Kudoweh von jedem Studenten, der verweigert, rund 35.000 Euro zurück. Vor Gericht einige man sich dann aber meist auf Summen um die 20.000 Euro. Ihr Gehalt dürfen die Verweigerer in jedem Fall behalten. Rund 2000 Euro bekommt ein Leutnant im Monat.
Welche Auswirkungen die Ethik-Kurse auf Kriegsdienstverweigerung auch haben mögen – sie sind absolut notwendig, findet Militärseelsorger Michael Rohde. Der evangelische Geistliche hat kürzlich mit Soldaten gesprochen, die in Kundus viele Gefechte durchstehen mussten:
"Und da haben viele Soldatinnen und Soldaten gesagt, es war gut, dass wir über dieses Thema Tod und Verwundung und über den Umgang damit, grade in Bezug auf unsere Angehörigen, schon mal nachgedacht haben."