ESV Neuaubing in München

Offen für Freizeitsportler und Flüchtlinge

Der 21-jährige Amar Omar Yado, der als Flüchtling aus dem Irak kam, spielt beim Training der Integrationsmannschaft des ESV Neuaubing in München mit einem Ball, aufgenommen 2016.
Der 21-jährige Amar Omar Yado, der als Flüchtling aus dem Irak kam, beim Training der Integrationsmannschaft des ESV Neuaubing in München © picture alliance / dpa / Matthias Balk
Von Lisa Weiß · 06.03.2016
Früher brachte der ESV Neuaubing Olympia- und WM-Teilnehmer hervor. Heute konzentriert sich der Verein auf den Breitensport. Zu den neueren Erfolgen gehört ein erfolgreiches Flüchtlingsteam. Den März hat der ESV zum Monat der offenen Tür für Flüchtlinge gemacht.
"Machen wir eine Hausführung sozusagen, jetzt muss ich mal schauen, was da grad stattfindet, ich glaub es ist Ringen … Griaß eich …"
Christian Brey, der Vizepräsident des ESV Neuaubing, steckt seinen Kopf durch die Tür in die Dreifachturnhalle: Knapp zehn ältere Männer sind gerade mitten beim Ringen, die Seniorengruppe trainiert. In den 50er- und 60er-Jahren war Neuaubing eine süddeutsche Hochburg im Ringen, der ESV war viermal deutscher Mannschaftsmeister, es gab Olympia- und WM-Teilnehmer aus dem Verein. Heute ist Ringen in Neuaubing nur Breitensport, erzählt Christian Brey und geht ein paar Schritte weiter, zeigt die Kegelhalle mit den Sportkegelbahnen.
Der ESV Neuaubing konzentriert sich schon seit einigen Jahren vor allem auf den Breitensport; die einzige Leistungssportabteilung ist mittlerweile der Kraftdreikampf. Ein entscheidender Wandel im Verein, sagt Brey. Er war nicht unumstritten, schließlich hat Neuaubing eine große Vergangenheit.
"Seit 32 Olympia war immer einer bei den Olympischen Spiele, bis 2000 durchgehend, irgendeiner hat’s immer geschafft. Es ist letztlich so: Den demografischen Wandel, den kann man nicht anders reden , es gibt gesellschaftliche Veränderungen, es geht immer mehr hin zu Gesundheitssport als Aufbausport und Leistungssport ist halt teuer und das kannst du nur betreiben, wenn du's halt ein bissl aussortierst."
Aber der ESV will keine seiner mehr als 25 Abteilungen schließen – durch den Verzicht auf den Leistungssport hat der Verein stattdessen das Angebot für die Freizeitsportler ausgebaut. Gesundheit, Fitness, Angebote für die Generation 60 Plus, das sind die Schwerpunkte, sagt Brey.
"Man sieht das Gebäude ist auch nicht ganz jung mehr, ist errichtet worden zu den Olympischen Spielen 1972. Also ist wirklich ein Olympia-Gebäude, nicht nur ein Olympia-Verein, mit den vielen Abteilungen, die schon bei Olympia waren."

Nachwuchsprobleme in den Teamsportarten

Vieles im weitläufigen Gebäude am Münchner Stadtrand ist noch original wie aus den 70ern: Die orangefarbenen Kacheln, die blauen Türen. Das hat Charme, aber auch Nachteile: Die alte Sauna ist nicht mehr funktionsfähig, eine Reparatur kann sich der ESV nicht wirklich leisten. Auch das alte Schwimmbad war zu teuer im Unterhalt: Der Verein hat es jetzt in eine Judohalle umgewandelt. Aber die Erinnerung an die Olympischen Spiele 1972 in München ist noch lebendig beim ESV. Besonders für Werner Thalhammer: Denn damals durften Vertreter von Münchner Sportvereinen die Fackel mit dem olympischen Feuer tragen. Der 82-Jährige war einer von ihnen. Wochenlang hat er trainiert, um die schwere Fackel die ganzen tausend Meter bis zur Stadtgrenze mit ausgestrecktem Arm tragen zu können. Es hat geklappt ..
"Und wie wir dann an der Stadtgrenze angekommen sind, Ende Neuaubing, waren die Fackelübernehmer nicht da. Dann haben wir gefragt, ja wo sind die? Ja, haben's gsagt, die Stadtgrenze haben's verlegt, und dann hamma die Fackel nachad nochmal 1000 Meter getragen."
Thalhammer wirkt deutlich jünger als 82, das T-Shirt von Olympia 72, das er trägt, passt ihm noch perfekt. Sport ist sein Leben, noch heute gibt er beim ESV Rücken-Fit-Kurse für Senioren. So viel Engagement ist selten geworden – zwar gibt es auch beim ESV noch junge Menschen, die ehrenamtlich viel Zeit für den Sport aufwenden. Aber wie so viele Vereine hat man gerade in den Teamsportarten Probleme, genug Spieler aufzutreiben. Als die erste Herrenmannschaft im Fußball auseinanderbrach, hatte der ESV eine besondere Idee: Der Verein gründete ein Flüchtlingsteam, das fast nur aus Spielern aus Afghanistan, Eritrea oder dem Irak besteht, sagt Alexander Hensel aus der Fußballabteilung
"Das hat funktioniert, man hat sich schnell angefreundet, das ganze Projekt kam auch im Verein sehr gut an. Und dann ging es ratzfatz, binnen kürzester Zeit wurde das Team angemeldet, die Pässe organisiert, dass die Jungs auch spielen können. Und dann ging es auch im Sommer direkt los."
Die neue Mannschaft war bayernweit die erste, die am Ligaspielbetrieb des DFB teilnimmt. Momentan steht sie im Mittelfeld der C-Klasse. Ein Erfolgsmodell für den ESV: Der Verein hat den März zum Monat der offenen Tür gemacht – Flüchtlinge können einfach vorbeikommen und alle Sparten ausprobieren.
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