Essen mit Verstand

Von Udo Pollmer · 09.02.2013
"Fast Food macht Kinder krank" und "Pommes erhöhen Asthmarisiko" titelten Medien, die sich mit ihren Berichten auf eine Studie stützten. Darin wird ein Zusammenhang zwischen Fast Food und Allergien bei Kindern beschrieben. Eine kritische Betrachtung dieser Ergebnisse kann allerdings nicht schaden.
Eine Allergiestudie mit hunderttausenden Kindern und Jugendlichen sorgt für Aufregung: "Fast Food kann richtig krank machen", warnte kürzlich sogar eine Website für Lehrer. Die Folgen seien "Asthma und Ekzeme". Fast Food macht also nicht nur dick sondern verursacht auch noch Juckreiz. Zum Glück weiß die Studie auch Erfreuliches zu berichten: Viel Obst schützt vor den allergischen Reaktionen.

Klingt irgendwie komisch. Bisher dachten wir immer, auch Obst könne Allergien auslösen, nun sollen Kiwis, Äpfel oder Haselnüsse die Kinder davor schützen. Ein triftiger Grund, ein bisschen tiefer in die Materie einzusteigen. Um welches Fastfood handelt es sich? Zählen Fertigsuppen in der Schulkantine auch dazu? Wie ist das mit dem Linseneintopf am Imbissstand? Oder mit dem Sushi to go? Ist der fertige Obstsalat im Plastiknapf des Fast-Food-Shops bereits Fast Food oder noch Obst? Darüber schweigt sich die Studie leider aus. Ohne Definition ist es keine große Kunst, das Ergebnis zu frisieren.

Dabei sollen in diese Studie Daten aus aller Welt eingeflossen sein. Beispielsweise aus Thailand. Dort gilt das Fast Food aus den Garküchen seit jeher als natürlichste Form der Verköstigung. Dort sind die Allergieraten eher niedrig. Am wenigsten leiden die Menschen übrigens auf dem indischen Subkontinent unter Allergien. Die höchsten Raten gibt es mitnichten dort, wo das Fast Food boomt: Nicht Nordamerika ist Spitzenreiter sondern kurioserweise Ozeanien, gefolgt von Südamerika.

Die viel zitierte Studie wirft Fragen über Fragen auf. Besonders stutzig macht die statistische Auswertung. Denn die Konfidenzintervalle – sie sagen etwas die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse aus – sind höchst eigenartig, sprich unglaubwürdig. Gleiches gilt für die Signifikanzen – sie wurden verschleiert. Trotzdem ist der Einfluss von Fast Food und Obst auf Häufigkeit von Allergien erstaunlich gering.

Stellen wir uns einfach mal dumm und tun so, als würden wir die Zahlen glauben. Schon gibt es die nächste Überraschung. Denn nicht etwa Obst schützt Kinder am zuverlässigsten vor Allergien – nein an der Spitze steht etwas ganz anderes: Nämlich Eier und Fleisch. Kinder zeigen umso weniger allergische Reaktionen, je mehr Eier und je mehr Fleisch sie essen. Hier sind die Korrelationen wesentlich klarer als bei Fast Food und Obst. Aber es sind auch hier nur Korrelationen.

Die Studie fand in vielen Ländern rund um den Globus statt, der Fragebogen wurde in zahlreichen weiteren Untersuchungen eingesetzt. Diese Studien liefern ein anderes Bild – eines, das wesentlich plausibler klingt. Allergische Reaktionen werden gefördert:

- durch Smog, Tabakrauch, Stäube und - Federkissen
- durch einen Befall der Wohnung mit Milben, Kakerlaken und Schimmel
- Auch das Wetter hat erheblichen Einfluss: Kälte und Nässe fördern Infektionen der Atemwege – und die sensibilisieren das Gewebe. Irgendwann wird es chronisch und dann nennt man es Allergie.
- Auch beim Einsatz von Antibiotika steigt die Rate etwas: Vermutlich weil Kinder, die dauernd husten, erst mal Antibiotika bekommen. Das würde die Korrelation auf höchst simple Weise erklären. Doch damit sind die Medikamente noch nicht aus dem Schneider: Inzwischen werden das Schmerzmittel Paracetamol und bei den Teenies die Antibabypille als Mitursache diskutiert.
- Und last not least: je mehr Ärzte, desto mehr allergische Kinder. Anscheinend werden auf der ganzen Welt immer so viele Menschen krank, bis die Ärzteschaft ihr Auskommen hat.

Das waren die wesentlichen Befunde der weltweiten Untersuchung. Kein Wort davon in den deutschen Medien oder jenen pädagogischen Zirkeln, die keine Gelegenheit auslassen, am Essen der Kinder herumzunörgeln. Wenn hier etwas unsere Jugend gefährdet, dann nicht Pizzen und Pommes sondern Lehrer, Ärzte und Journalisten mit notorischer Lese- und Rechenschwäche. Mahlzeit!

Literatur:
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