Esperanza Spalding auf Tour

"Ich bin nur ein hübsches Mädchen, das Musik macht"

Die amerikanische Jazz-Bassistin Esperanza Spalding bei einem Konzert in Prag.
Die amerikanische Jazz-Bassistin Esperanza Spalding bei einem Konzert in Prag. © picture alliance / dpa / Zdenek Pridal
Von Matthias Wegner · 30.10.2015
Die Bassistin und Sängerin Esperanza Spalding kommt für ein Konzert nach Berlin. Die Grammy-Gewinnerin gilt als neuer Superstar der Jazzmusik - tritt aber betont schüchtern auf.
Esperanza Spalding ist schwer zu fassen. Sie wirkt eher schüchtern, ein wenig entrückt, aber gleichzeitig auch selbstbewusst, sehr präsent. Eine seltene, aber äußerst interessante Kombination. Und genau das gilt auch für ihre Musik: Diese ist individuell und durchaus komplex, aber zugleich ohne Anspruch Avantgarde oder gar Hochkultur zu sein.
"Ich bin nur ein hübsches Mädchen, das Musik macht", sagt Esperanza Spalding, zwinkert dabei mit den Augen aber nicht mehr, als nötig. Ihre größtenteils selbstgeschriebene Musik ist stark rhythmisch orientiert, oft gebrochen – mit vielen Wendungen und plötzlichen Wechseln der Tempi. Und darüber liegen oft sehnsuchtsvolle Melodien. Vieles wirkt dabei wie hingetupft, schwebend, verträumt und federleicht. Doch Natürlich steckt – wie so oft – hinter der vermeintlichen Einfachheit – auch hier harte Arbeit.
Einladungen zu David Letterman und ins Weiße Haus
Blicken wir noch ein wenig zurück, um Esperanza Spalding - diese beeindruckende Ausnahme-Escheinung und ihren musikalischen Kosmos - noch etwas besser zu verstehen. Schon jetzt - mit gerade mal 31 Jahren kann sie auf eine interessante Karriere zurückblicken.
Geigenunterricht mit fünf, zehn Jahre später Konzertmeisterin eines Orchesters in Portland/Oregon in ihrer Heimatstadt. Dann wechselte sie zum Kontrabass und fing auch plötzlich an zu Singen. Esperanza Spalding entdeckte den Jazz, ging natürlich zum Studieren nach Boston, aufs Berklee College, wo sie schon ganz bald – mit gerade mal 20 Jahren – die jüngste Professorin aller Zeiten wurde. Und dann ging's gut weiter: Auftritte im Fernsehen bei David Letterman und im Weißen Haus bei Barack Obama.
Die ersten eigenen - ordentlich abgefeierten Alben und im Jahr 2011 bekam sie - dann doch sogar ziemlich überraschend einen Grammy verliehen. Nicht "nur" etwa als beste Jazzmusikerin, sondern als beste neue Künstlerin des Jahres überhaupt. Die Mitkonkurrenten waren damals Justin Bieber, Drake und Mumford & Sons".
Nach dem auch ihr bislang letztes Album "Radio Music Society" äußerst gute Kritiken bekam und sie ihren Ruf als einzigartige Jazz-Künstlerin festigen konnte, ließ es Esperanza Spalding ein wenig ruhiger angehen. Sie genoss es, auch einfach mal nur die Bassistin in einer Band zu sein, spielte in einer reinen Frauenband und sammelte darüber hinaus eifrig Ideen für kommende Projekte.
Ein Schritt in die eigene Vergangenheit
Und nun ist die Zeit reif für etwas Neues: "Emily's D + Evolution" steht also auf der Tagesordnung. Ein Projekt, von dem man musikalisch noch gar nicht genau sagen kann, in welche Richtung es gehen wird. Das dazugehörige Album erscheint erst im Frühjahr 2016 und die erste Single-Auskopplung bewegt sich im weiten – nicht genau definierten - Feld, von Jazz, Funk und Neo-Soul. Doch Esperanza Spalding hat sich – wie könnte es anders sein einiges dazu gedacht. Emily sei ihr zweiter Vorname, sagt sie. D + beziehe sich auf die schlechten Schulnoten, die sie früher hatte und dann ist da natürlich noch der Begriff "Evolution". Es gehe darum, einen Schritt in die eigene Vergangenheit zu wagen, sich auf die brachliegende Neugierde zurückzubesinnen und diese als Kompass zu nutzen, um voranzuschreiten und sich weiterzuentwickeln, sagt Esperanza Spalding.
"Wir wissen ja gar nicht, in welche Richtung die Evolution geht, das wissen wir bei der Zeit ja auch nicht. Die Idee dahinter ist: der Fortschritt ist eine Kombination aus Vergangenheit und Zukunft. Und es ist ja oft so, dass sich im Leben ganz plötzlich etwas ändert und man auf diese Entwicklung reagieren muss. Und wenn man spontan mit einer neuen Realität konfrontiert wird, dann entsteht oft die größte Kreativität."