Eschwege belebt Zentrum neu

Mit Pop-up-Stores gegen Leerstand

Innenstadt von Eschwege mit Fachwerkhäusern und Marktkirche
Eschwege will sich gegen die Metropolen behaupten und investiert in die Innenstadt. © picture-alliance / dpa / Uwe Zucchi
Von Ludger Fittkau · 17.04.2018
Eschwege hat die Trendwende geschafft: Galt die Stadt noch bis vor wenigen Jahren als Problemfall, blüht die Innenstadt wieder auf. Mit ungewöhnlichen Ideen soll nun auch in die letzten leerstehenden Ladenlokale neues Leben einziehen.
Auf den ersten Blick ist es ein ganz normales Kaufhaus: Tische mit Textil-Sonderangeboten in der Nähe der Rolltreppen. Auf geräumigen Etagen Verkaufsbuchten, in denen Markenartikel angeboten werden. Doch dieser Kaufhausalltag ist in Eschwege ganz und gar nicht selbstverständlich. Denn vor zehn Jahren schloss hier die Filiale der ehemaligen Warenhauskette "Hertie". Es drohte ein Leerstand auf immerhin einem Viertel der gesamten Einzelhandelsfläche der 20.000 Einwohner zählenden Stadt im Nordosten Hessens. Das erzählt Wolfgang Conrad auf der Rolltreppe:
"Das war ja unser ursprünglicher Ansatz. Wenn ein Kaufhaus die Masse der Leute anzieht und es ist nicht mehr da, dann ist auch die Innenstadt davon plötzlich leergefegt, wenn es nicht mehr da ist. Wir haben gesagt, es ist überlebensnotwendig, dass wir das Kaufhaus erhalten."
Wolfgang Conrad ist der Wirtschaftsförderer der Stadt. Dass es gelungen ist, im ehemaligen Warenhaus verschiedene Einzelhändler anzusiedeln und damit Anziehungspunkt für Kauflustige aus einem Einzugsbereich von rund 50.000 Menschen im Grenzgebiet von Hessen und Thüringen zu bleiben, macht Conrad stolz. "Schlossgalerie" nennen die Eschweger heute das wiederbelebte ehemalige Kaufhaus:
"Aber es ist ja nur – auch wenn Hertie rund 25 Prozent der Innenstadtfläche hat, das ist ja sehr viel für eine Kleinstadt - von rund 22.000 Quadratmetern 5500 dann Schlossgalerie, haben wir gewusst: Nur Hertie allein lang ja nicht. Wir müssen auch außen rum die Läden ein Stück weit modernisieren und Instandsetzen und haben mit Hilfe von EU-Mitteln nochmal ein Innenstadt-Programm aufgelegt und haben 15 Leerstände beseitigt, haben 10 Neueröffnungen gehabt, 20 Arbeitsplätze geschaffen, ein paar Ausbildungsplätze. Aber das wichtige war: Es kamen einfach neue Impulse."

Schmucke Fachwerkstadt im ehemaligen "Zonenrandgebiet"

Impulse für neue Laden-Ideen- etwa Outdoor-Geschäfte, die Kleidung und Schuhwerk für Wanderungen in den umliegenden Mittelgebirgen anbieten. Wenn man heute durch die schmucke Fachwerkstadt Eschwege geht, sieht man kaum noch ein leerstehendes Ladenlokal. Die Kunden, die aus dem osthessischen und thüringischen Umland kommen, flanieren gerne durch die Stadt im ehemaligen "Zonenrandgebiet", in der noch vor anderthalb Jahrzehnten viele Läden leer standen. Christa Faubel ist aus dem drei Kilometer entfernten Dorf Oberdünsebach in die Eschweger Innenstadt gekommen und erzählt, was sie am Einzelhandel in der Stadt schätzt:
"Das man noch eine gute Beratung hat. Ja, viele kleine Läden, es ist für mich sehr schön, weil ich eben immer nochmal gerne eine Beratung habe und außerdem kann man schön bummeln, es ist ein schönes Städtchen, mir gefällt es sehr gut in Eschwege."
"Und kommt man hier auch gut hin?"
"Ja, die Busverbindung ist sehr gut. Jede Stunde fährt der Stadtbus, wegen dem Bahnhof und wurde sehr gut angenommen. Es ist sehr schön."
Jürgen Degenhardt schätzt an Eschwege besonders die vor allem an Samstagen sehr belebte Fußgängerzone, die es in manchen Nachbarstädten gar nicht mehr gäbe. Auch weil es weiter Weg in die nächsten größeren Städte wie Kassel, Eisenach oder Erfurt ist, ist Eschwege als Einkaufsort heute wieder gefragt. Aber Jürgen Degenhardt sieht auch, dass nun der Online-Handel den alteingesessenen Händlern zu schaffen macht. Und die steigenden Ladenmieten:
"Die alten Geschäfte gehörten noch den Leuten, dort wo das Objekt noch den Leuten gehört, da sind auch Alteingesessene noch. Aber da wo es öfters wechselt, die Mieten sind dann einfach zu hoch."

Mietfrei für neue Ideen

Auch Wirtschaftsförderer Wolfgang Conrad hält nichts davon, nur dem Online-Handel die Schuld für die Entwicklung in den Innenstädten zu geben. Die hohen Mieten hält auch er für mitentscheidend für Leerstand, den es unbedingt zu vermeiden gelte. Conrad will nun einige noch leerstehende Ladenlokale in einer Altstadtgasse von Eschwege herrichten lassen und zunächst mietfrei an junge Leute mit originellen Geschäftsideen vergeben. Gerne auch für provisorische Verkaufsräume, den sogenannten Pop-up-Stores:
"Ich habe das Programm ‚Durchstarten‘ genannt. Die Idee ist ganz einfach, vor dem Hintergrund der berühmten `Pop-up-Stores´, die jetzt überall aufblühen. Das Schöne an diesen `Pop-up-Stores´ ist, es sind meist junge, frische Marken und haben ein schlichtes, einfaches aber doch irgendwie interessantes Design. Also ein bisschen in Richtung Einkaufserlebnis. Wir werden jetzt im April starten, das Programm ist schon fertig, Gelder haben wir auch schon bekommen, dass wir jungen, innovativen – also 18 Jahre alt müssen sie mindestens sein – jungen innovativen, frischen Ideen die Möglichkeit geben, für sechs bis zwölf Monate mietfrei einen Raum zu bespielen."
Eine Idee, die auf den Straßen von Eschwege gut ankommt. Die Stadt muss dafür sorgen, dass gerade die Jungen nicht abwandern, hört man hier. Obwohl die Arbeitslosigkeit von 14 Prozent im Jahr 2002 auf heute gerade mal fünf Prozent gesunken ist:
"Ja, die jungen Leute, die gehen alle weg. Arbeitsmäßig."
"Ich habe aber gehört, langsam nimmt die Zahl der Arbeitsplätze wieder zu."
"Ja, langsam."
"Die Stadt überlegt jetzt, die Ladenlokale, die noch leer sind, anzumieten und sie den jungen Leuten kostenfrei zu geben. Ist das sinnvoll?"
"Für die jungen Leute müsste es sich dann lohnen, das ist glaube ich schwierig."

Zukunft auch abseits der Metropolen

Wirtschaftsförderer Wolfgang Conrad setzt jedoch auf den Charme der mittelalterlichen Gasse, in dem er das Projekt nur starten will. Und führt mich aus dem Rathaus dort hin:
"Weil wir glauben, wenn wir diese Gasse beleben, könnte es eigentlich mal so eine besondere, ausgefallene Gasse werden. Weil wir sehen direkt vorne den Giebel von einem Haus, der Eigentümer hat hier drei Häuser nebeneinander gekauft, hat mit einem angefangen und hat hier ein großes Sporthaus über das Careé sogar, auf der anderen Seite geht es weiter, ich gehe in der einen Gasse rein und komme in der anderen Gasse raus. Und das ist so schön geworden, da haben wir gesagt: Wir möchten gerne hier sehr ausgefallen diese Gasse beleben. Und wenn es uns noch gelingt, die Eigentümer zusammen zu kriegen, dass wir auch noch den Fußweg künstlerisch gestalten und dann der eine oder andere Tisch dann draußen steht, wo es mal einen Wein oder einen Sekt gibt, einfach so ein bisschen Flair-Einkaufsevent bieten, eben mit diesen jungen Start-up- und Pop-up-Läden, dann haben wir unser Ziel erreicht und diese Gasse ist es wert, neu belebt zu werden."
In der Tat. Eschwege hat Charme und die Krise mit dem großen Leerstand bis vor anderthalb Jahrzehnten gut überwunden. Jetzt muss man es nur schaffen, auch den jungen Leuten eine Perspektive in der Region zu geben. Dann ist Zukunft in der Kleinstadt auch abseits der Metropolen hoffnungsvoll.
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