"Es wird Zeit, dass wir uns übereinander lustig machen"

Von Vanja Budde · 14.03.2006
Im angeblich tobenden "Kampf der Kulturen" kommt eine ARD-Serie genau richtig: In "Türkisch für Anfänger" ziehen die Psychotherapeutin Doris und der Polizist Metin frisch verliebt zusammen. Sie gründen eine ebenso chaotische wie liebevolle deutsch-türkische Großfamilie. Autor Bora Dagtekin hat eigene Familienerfahrungen in die Drehbücher einfließen lassen.
Türkischer Jungmacho gegen deutsche Zicke: In der zusammen gewürfelten Großfamilie müssen in der ersten Folge von "Türkisch für Anfänger" erstmal die Fronten geklärt werden. Drehbuchautor Bora Dagtekin hatte diese Kämpfe selber nicht auszufechten: Seine Schwester ist zehn Jahre älter als er und sein Bruder neun Jahre. Bora ist das Nesthäkchen und durfte dem Vater trotzen, der für seinen jüngsten Sohn ein schickes Jurastudium ins Auge gefasst hatte und ganz bestimmt keine Karriere beim Fernsehen.

Boras Vater kommt aus der Türkei und ist Arzt, seine Mutter Deutsche und Lehrerin. Bora ist in Hannover aufgewachsen, lebt heute in München, ist derzeit Single, raucht wie ein Schlot, liebt die Filme von Tarantino und hört am liebsten deren Soundtracks.

Bora Dagtekin hat die dunklen Augen und Haare seines türkischen Vaters geerbt, Türkisch versteht er einigermaßen, spricht es aber nicht gut. Trotzdem fühlt er sich er als "halber Ausländer", sagt er. Es kommt drauf an, welches Blut dir durchs Herz fließt. Typisch Türkisch ist für ihn eine "gewisse Körperlichkeit", Temperament, Stolz, Familiensinn, lauter Streit, herzliche Versöhnung und Spontaneität. Deutsch-türkisches Zusammenleben war für ihn immer eine Selbstverständlichkeit. Und dieses Grundgefühl will er in "Türkisch für Anfänger" vermitteln.

"Also es ist keine Serie, die sich über Türken lustig macht. Sondern im Gegenteil werden eher so beide klassische Verhaltensweisen genutzt, um jedem Volk mal nahe zu legen, ein bisschen an sich zu arbeiten. Und jeweils den Mittelweg zu finden, der natürlich bei uns immer gefunden wird"

Dagtekins Eltern haben die ersten Folgen von "Türkisch für Anfänger" vorab gesehen und sich gut amüsiert, sagt Bora. Darin stürzen sich die emanzipierte Psychotherapeutin Doris und der sanfte, harmoniesüchtige Kriminalpolizist Metin mit ihren Kindern Cem, Yagmur, Nils und Lena in das Abenteuer Großfamilie.

Die Folgen, die der Zusammenprall der Kulturen hat, erzählt die Comedy-Serie zwar aus Sicht der 16-jährigen Lena. Die brisanteste Figur ist aber die streng gläubige Yagmur mit ihrem Kopftuch, die morgens um fünf zu Allah betet und die ganze Familie mit ihrem religiösen Eifer nervt.

"Wir sind extrem politisch, weil die ARD einfach viel ermöglicht. Und wir sind auch politisch unkorrekt, definitiv, so oft wir können. Wir geben den Türken richtig auf die Fresse, den Deutschen auch, also wir finden sogar noch das Komische in etwas, das ein totales Tabuthema ist: Da sind wir auch auf ne gewisse Art und Weise sehr, glaub ich, mutig, weil wir sagen nicht alle türkischen Mädchen sind prinzipiell unmodern oder sind uncool"

Und eben auch nicht die mit Kopftuch. Zunächst zwölf Folgen hat Bora Dagtekin als Head-Autor geschrieben. In den Tagen vor dem Start der Sendung war ihm schlecht vor Aufregung. Glauben wegen des Karikaturenstreits jetzt alle, dass Moslems keinen Sinn für Humor haben? Werden seine ironischen Gags beim Publikum ankommen? Das Erste will mit "Türkisch für Anfänger" ein innovatives Format anbieten, junges Publikum ködern, Deutsche und Türken gleichermaßen ansprechen. Bislang weiß niemand, ob das klappt, Bora kann nur hoffen.

Bora Dagtekin schreibt seine Drehbücher zu Hause als freier Autor. Er hat als Zeilenschinder für "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" angefangen und für RTL auch "Schulmädchen"-Folgen geschrieben. Dann begann er ein Drehbuch-Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg in Stuttgart und traf mit dem Konzept für "Türkisch für Anfänger" ins Schwarze. "Es wird Zeit, dass wir uns kräftig übereinander lustig machen", sagt Bora Dagtekin, "angesichts der Jahrzehnte, die Deutsche und Türken hier zu Lande schon zusammen leben."