"Es wird von den Medien übertrieben"
Nach Einschätzung von Andreas Schockenhoff gibt es in der Debatte um eine europäische Wirtschaftsregierung kein Zerwürfnis mit der französischen Seite. Zwar gebe es unterschiedliche Lösungsansätze für eine Spar- und Sanierungspolitik, aber in den wirklichen Fakten seien Deutschland und Frankreich nicht auseinander, sagte der Fraktionsvize der Union.
Hanns Ostermann: Gehen sie sich nun auf die Nerven, wie hinter vorgehaltener Hand getuschelt wird, oder kriselt es nur ein bisschen wie in jeder Beziehung? Ungewöhnlich war es schon, dass vor einer Woche das geplante Abendessen zwischen Angela Merkel und Nicolas Sarkozy ausfiel. Dabei war der französische Präsident schon fast auf dem Weg zum Flughafen.
Nun findet das Treffen heute statt, beide werden sich vor den Kameras freundlich begrüßen und die inhaltlichen Differenzen in kleinem Kreis diskutieren. Am Telefon ist Andreas Schockenhoff, der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag und Vorsitzende der deutsch-französischen Parlamentariergruppe. Guten Morgen, Herr Schockenhoff.
Andreas Schockenhoff: Guten Morgen, Herr Ostermann.
Ostermann: Warum stottert der deutsch-französische Motor?
Schockenhoff: Also zunächst finde ich es nicht ungewöhnlich, dass man einen Termin absagt. Am letzten Montag hat die Bundesregierung ihr Sparpaket vorgestellt, das hat in den Fraktionen länger gedauert, und da gab es Erklärungsbedarf, und dass man dann untereinander sagt, es wird schwierig, es wird eng terminlich, lasst uns den Termin verschieben, das ist nichts Außergewöhnliches. Und was daraus gemacht wurde, ist übertrieben.
Ostermann: Aber es klang in den französischen Zeitungen jedenfalls wesentlich anders?
Schockenhoff: Es klang in den französischen Zeitungen anders, und es klingt ja auch in der deutschen Presse anders. Dort wird von einem Zerwürfnis geredet. Die Franzosen haben grundsätzlich andere Auffassungen. Die Franzosen wollen Wachstum, wollen die Binnennachfrage stärken. Die Deutschen wollen Sparpolitik machen, wollen Sanierung machen.
Aber in den wirklichen Fakten sind Deutschland und Frankreich nicht auseinander. Wir wissen, dass wir langfristig eine stabile Haushaltspolitik brauchen, und wir wissen, dass nur, wenn Deutschland und Frankreich eine klare Vorgabe machen für Europa, Europa auch international bei der Regulierung der Währungsmärkte ein Wort hat, bei den G20 oder bei den anderen internationalen Gremien überhaupt gehört wird.
Ostermann: Also stottert der deutsch-französische Motor aus Ihrer Sicht nicht. Aber so ein bisschen hat man ja schon den Eindruck, es geht möglicherweise darum, wer in Europa das Sagen hat, Paris oder Berlin?
Schockenhoff: Ich glaube, dass es in Deutschland und in Frankreich Diskussionen gibt, innenpolitisch, aber die Diskussionen sind nicht zwischen Deutschland und Frankreich, sondern bei uns wird ja gefragt, ist die Sparpolitik richtig, können wir langfristig mit einer Verschuldung leben, oder müssen wir, wenn wir die Zukunft der nächsten Generation sichern wollen, eine solide Politik machen, und die gleiche Diskussion gibt es in Frankreich. Also das ist nicht eine Diskussion zwischen Deutschland und Frankreich, sondern das ist eine innenpolitische Diskussion, die hier und dort stattfindet, und es wird von den Medien übertrieben, meiner Meinung nach.
Ostermann: Trotzdem hagelte es zuletzt aus Paris immer wieder Kritik wegen des deutschen Handelsüberschusses, wegen des Zauderns bei der Griechenland-Hilfe. Fehlt der Kanzlerin der Umgang mit diesem doch wirklich temperamentvollen Präsidenten nicht vielleicht doch schwer?
Schockenhoff: Nein! Die Kanzlerin hat ja nicht gezaudert, sondern die Kanzlerin hat darauf bestanden, dass es solide gemacht wird. Wenn die Bundeskanzlerin zugesagt hätte, dass wir ohne Auflagen Geld geben, dann hätten wir die gleiche Haushaltspolitik weitergemacht und hätten einfach noch mal ein weiter so finanziert und noch mal Geld oben drauf geworfen.
Die Kanzlerin hat darauf bestanden, dass der Internationale Währungsfonds einbezogen wird, der ein Instrumentarium hat, mit solchen Fällen umzugehen und dann auch klare Auflagen durchzusetzen, und das hat sich in Europa durchgesetzt. Dann lohnt es sich auch zu streiten!
Ostermann: Das hat sich aber nicht durchgesetzt in Paris, denn dort wird ja argumentiert, dadurch, dass die deutsche Haltung sich erst peu a peu entwickelt hat, genau deshalb wurde der ganze "Spaß" wesentlich teurer. Also Paris hat in dieser Frage eine völlig andere Position, als Sie schildern?
Schockenhoff: Nein! Sie sagen, Paris. Wer ist Paris? Was meinen Sie mit Paris?
Ostermann: Ich meine natürlich insbesondere den Präsidenten, der dort das Meinungsbild beherrscht.
Schockenhoff: Da kann ich Ihnen sagen, dass der Präsident diese Meinung nicht hat. Es gibt natürlich eine Abstimmung. Es ist wichtig, dass Deutschland und Frankreich eine gemeinsame Haltung einnehmen. Dann muss man sich miteinander abstimmen.
Und dass es zunächst unterschiedliche Ausgangspositionen gibt, ist überhaupt nichts Außergewöhnliches. Aber dass Deutschland und Frankreich ganz eng zusammen waren und jetzt auch eng zusammen sind, das ist die Voraussetzung dafür, dass wir als Europäer bei der Regulierung der internationalen Finanzmärkte eine Stimme haben, und es funktioniert außerordentlich gut.
Ostermann: Nun gibt es doch trotzdem Konflikte, beispielsweise den Streit um eine europäische Wirtschaftsregierung. Sarkozy will sie für die Euro-Zone, Merkel möchte alle 27 EU-Staaten in eine Regulierung einbeziehen. Wie kann da ein Kompromiss aussehen?
Schockenhoff: Nein, das muss geregelt werden. Ich glaube, dass die Bundeskanzlerin gute Gründe hat. Erstens haben wir die Polen als Nachbarn, haben wir die neuen europäischen Mitglieder, die unsere Nachbarn sind, die wir nicht ausschließen wollen.
Und zweitens muss man ganz klar sagen: Unter den Euro-Mitgliedern kann Deutschland relativ einfach durch Mehrheit überstimmt werden. Bei den 27 geht es darum, dass wir alle gemeinsam eine Stabilitätspolitik machen. Und sind wir doch mal ehrlich: Wenn wir eine Politik machen, wir haben einen gemeinsamen Binnenmarkt, aber die Schweden oder die Briten oder andere wichtige Volkswirtschaften sind nicht dabei, dann hat das, glaube ich, auch nicht das Signal an die Märkte, das wir brauchen.
Wir haben uns in der EU das Ziel gesetzt, der wettbewerbsfähigste und innovativste Markt der Welt zu werden, und das können wir nur gemeinsam, das können wir nicht nur in der Euro-Zone machen. Deswegen: Dort kann es in der Tat eine unterschiedliche Auffassung geben. Dann müssen wir auch unsere französischen Freunde davon überzeugen, dass wir als Europa insgesamt in einem gemeinsamen Markt stark sein müssen und nicht nur in der Euro-Zone.
Ostermann: Und Sie glauben, dass dies Angela Merkel heute im Gespräch beim Abendessen mit Nikolas Sarkozy auch gelingt?
Schockenhoff: Es ist immer gelungen, dass sich Deutschland und Frankreich auf eine Position einigen, weil es keine Alternative gibt. Es geht nicht darum, wer sich mag. Es geht nicht darum, in welcher Sachfrage man jetzt im Moment dieser oder jener Meinung ist, sondern Deutschland und Frankreich müssen einig sein, sonst ist Europa krank. Deutschland und Frankreich werden eine Meinung finden und Europa wird gesunden.
Ostermann: Heute treffen sich Angela Merkel und der französische Präsident Nikolas Sarkozy. Ich sprach mit Andreas Schockenhoff, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag. Herr Schockenhoff, danke für das Gespräch und einen schönen Tag.
Schockenhoff: Danke, Herr Ostermann!
Nun findet das Treffen heute statt, beide werden sich vor den Kameras freundlich begrüßen und die inhaltlichen Differenzen in kleinem Kreis diskutieren. Am Telefon ist Andreas Schockenhoff, der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag und Vorsitzende der deutsch-französischen Parlamentariergruppe. Guten Morgen, Herr Schockenhoff.
Andreas Schockenhoff: Guten Morgen, Herr Ostermann.
Ostermann: Warum stottert der deutsch-französische Motor?
Schockenhoff: Also zunächst finde ich es nicht ungewöhnlich, dass man einen Termin absagt. Am letzten Montag hat die Bundesregierung ihr Sparpaket vorgestellt, das hat in den Fraktionen länger gedauert, und da gab es Erklärungsbedarf, und dass man dann untereinander sagt, es wird schwierig, es wird eng terminlich, lasst uns den Termin verschieben, das ist nichts Außergewöhnliches. Und was daraus gemacht wurde, ist übertrieben.
Ostermann: Aber es klang in den französischen Zeitungen jedenfalls wesentlich anders?
Schockenhoff: Es klang in den französischen Zeitungen anders, und es klingt ja auch in der deutschen Presse anders. Dort wird von einem Zerwürfnis geredet. Die Franzosen haben grundsätzlich andere Auffassungen. Die Franzosen wollen Wachstum, wollen die Binnennachfrage stärken. Die Deutschen wollen Sparpolitik machen, wollen Sanierung machen.
Aber in den wirklichen Fakten sind Deutschland und Frankreich nicht auseinander. Wir wissen, dass wir langfristig eine stabile Haushaltspolitik brauchen, und wir wissen, dass nur, wenn Deutschland und Frankreich eine klare Vorgabe machen für Europa, Europa auch international bei der Regulierung der Währungsmärkte ein Wort hat, bei den G20 oder bei den anderen internationalen Gremien überhaupt gehört wird.
Ostermann: Also stottert der deutsch-französische Motor aus Ihrer Sicht nicht. Aber so ein bisschen hat man ja schon den Eindruck, es geht möglicherweise darum, wer in Europa das Sagen hat, Paris oder Berlin?
Schockenhoff: Ich glaube, dass es in Deutschland und in Frankreich Diskussionen gibt, innenpolitisch, aber die Diskussionen sind nicht zwischen Deutschland und Frankreich, sondern bei uns wird ja gefragt, ist die Sparpolitik richtig, können wir langfristig mit einer Verschuldung leben, oder müssen wir, wenn wir die Zukunft der nächsten Generation sichern wollen, eine solide Politik machen, und die gleiche Diskussion gibt es in Frankreich. Also das ist nicht eine Diskussion zwischen Deutschland und Frankreich, sondern das ist eine innenpolitische Diskussion, die hier und dort stattfindet, und es wird von den Medien übertrieben, meiner Meinung nach.
Ostermann: Trotzdem hagelte es zuletzt aus Paris immer wieder Kritik wegen des deutschen Handelsüberschusses, wegen des Zauderns bei der Griechenland-Hilfe. Fehlt der Kanzlerin der Umgang mit diesem doch wirklich temperamentvollen Präsidenten nicht vielleicht doch schwer?
Schockenhoff: Nein! Die Kanzlerin hat ja nicht gezaudert, sondern die Kanzlerin hat darauf bestanden, dass es solide gemacht wird. Wenn die Bundeskanzlerin zugesagt hätte, dass wir ohne Auflagen Geld geben, dann hätten wir die gleiche Haushaltspolitik weitergemacht und hätten einfach noch mal ein weiter so finanziert und noch mal Geld oben drauf geworfen.
Die Kanzlerin hat darauf bestanden, dass der Internationale Währungsfonds einbezogen wird, der ein Instrumentarium hat, mit solchen Fällen umzugehen und dann auch klare Auflagen durchzusetzen, und das hat sich in Europa durchgesetzt. Dann lohnt es sich auch zu streiten!
Ostermann: Das hat sich aber nicht durchgesetzt in Paris, denn dort wird ja argumentiert, dadurch, dass die deutsche Haltung sich erst peu a peu entwickelt hat, genau deshalb wurde der ganze "Spaß" wesentlich teurer. Also Paris hat in dieser Frage eine völlig andere Position, als Sie schildern?
Schockenhoff: Nein! Sie sagen, Paris. Wer ist Paris? Was meinen Sie mit Paris?
Ostermann: Ich meine natürlich insbesondere den Präsidenten, der dort das Meinungsbild beherrscht.
Schockenhoff: Da kann ich Ihnen sagen, dass der Präsident diese Meinung nicht hat. Es gibt natürlich eine Abstimmung. Es ist wichtig, dass Deutschland und Frankreich eine gemeinsame Haltung einnehmen. Dann muss man sich miteinander abstimmen.
Und dass es zunächst unterschiedliche Ausgangspositionen gibt, ist überhaupt nichts Außergewöhnliches. Aber dass Deutschland und Frankreich ganz eng zusammen waren und jetzt auch eng zusammen sind, das ist die Voraussetzung dafür, dass wir als Europäer bei der Regulierung der internationalen Finanzmärkte eine Stimme haben, und es funktioniert außerordentlich gut.
Ostermann: Nun gibt es doch trotzdem Konflikte, beispielsweise den Streit um eine europäische Wirtschaftsregierung. Sarkozy will sie für die Euro-Zone, Merkel möchte alle 27 EU-Staaten in eine Regulierung einbeziehen. Wie kann da ein Kompromiss aussehen?
Schockenhoff: Nein, das muss geregelt werden. Ich glaube, dass die Bundeskanzlerin gute Gründe hat. Erstens haben wir die Polen als Nachbarn, haben wir die neuen europäischen Mitglieder, die unsere Nachbarn sind, die wir nicht ausschließen wollen.
Und zweitens muss man ganz klar sagen: Unter den Euro-Mitgliedern kann Deutschland relativ einfach durch Mehrheit überstimmt werden. Bei den 27 geht es darum, dass wir alle gemeinsam eine Stabilitätspolitik machen. Und sind wir doch mal ehrlich: Wenn wir eine Politik machen, wir haben einen gemeinsamen Binnenmarkt, aber die Schweden oder die Briten oder andere wichtige Volkswirtschaften sind nicht dabei, dann hat das, glaube ich, auch nicht das Signal an die Märkte, das wir brauchen.
Wir haben uns in der EU das Ziel gesetzt, der wettbewerbsfähigste und innovativste Markt der Welt zu werden, und das können wir nur gemeinsam, das können wir nicht nur in der Euro-Zone machen. Deswegen: Dort kann es in der Tat eine unterschiedliche Auffassung geben. Dann müssen wir auch unsere französischen Freunde davon überzeugen, dass wir als Europa insgesamt in einem gemeinsamen Markt stark sein müssen und nicht nur in der Euro-Zone.
Ostermann: Und Sie glauben, dass dies Angela Merkel heute im Gespräch beim Abendessen mit Nikolas Sarkozy auch gelingt?
Schockenhoff: Es ist immer gelungen, dass sich Deutschland und Frankreich auf eine Position einigen, weil es keine Alternative gibt. Es geht nicht darum, wer sich mag. Es geht nicht darum, in welcher Sachfrage man jetzt im Moment dieser oder jener Meinung ist, sondern Deutschland und Frankreich müssen einig sein, sonst ist Europa krank. Deutschland und Frankreich werden eine Meinung finden und Europa wird gesunden.
Ostermann: Heute treffen sich Angela Merkel und der französische Präsident Nikolas Sarkozy. Ich sprach mit Andreas Schockenhoff, dem stellvertretenden Vorsitzenden der Unionsfraktion im Bundestag. Herr Schockenhoff, danke für das Gespräch und einen schönen Tag.
Schockenhoff: Danke, Herr Ostermann!