Es wird einmal ein Wunder geschehen
Jahrelang ist er einer der bestbezahlten und berühmtesten Werbe-Männer Dänemarks: Knud Romer. Plötzlich verliert er Job, Wohnung und Freundin, landet als Trinker auf der Straße. Sein Ausweg und seine Rettung: endlich seinen Lebenstraum verwirklichen und Dichter werden. Er schreibt die Geschichte seiner deutsch-dänischen Familie nieder, das Buch wird ein Bestseller.
"Als mich meine Verlegerin antelefonierte und sagte, Knud setz dich, sie haben es angenommen – ich habe einen totalen Nervenzusammenbruch gekriegt. Das ist für mich so ein Mirakel. Ein Wunder. Ich hätte so gern, dass meine Mutter das erlebt hätte. Zuhause auf Falster haben wir immer dieses Lied gespielt: Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen…Und so ist es!"
Knud Romer kann es immer noch nicht fassen. Sein erster Roman kommt jetzt auch auf Deutsch heraus. Der schlanke 47-Jährige mit den scheinbar unabsichtlich verwuschelten blonden Haaren sitzt auf der Kante eines niedrigen leicht abgeschabten Plüsch-Sofas.
"Ich habe mein ganzes Leben gewartet, um jetzt ordentlich Poesie zu schreiben."
Sein ganzes Leben – oder: 43 Jahre. Dann fängt er sein erstes Buch an. Bis dahin hat er vor allem studiert. Literaturwissenschaft. Erst an seinem 35. Geburtstag begreift Knud Romer, dass er davon nicht leben kann.
"Ich wollte nicht mal Verfasser oder Dichter werden, ich wollte Poet werden. Und hättest du mich gefragt, wie ich hätte leben wollen, hätte ich wahrscheinlich aus dem Leben eines Taugenichts, hätte ich einfach gesagt: Och, ich denke mir so, ich werde die Straßen in Österreich herunterlaufen, mit meinem Ranzen auf der Schulter und werde Aquarelle malen und Gedichte schreiben. Und so dachte ich mir, könnte man leben. Das kann man nicht."
Romer wird Werbefachmann, arbeitet sich hoch zum Kreativ-Direktor einer der größten dänischen Agenturen, macht Reklame für Edel-Marken. Er gewinnt die wichtigsten Preise der Branche und genießt das glitzernde Leben an der Seite der Promis. Auf dem Höhepunkt seines Ruhms engagiert ihn sogar der dänische Kult-Regisseur Lars von Trier für seinen preisgekrönten Film "Idioten".
Knud Romer spielt den Werbe-Mann Axel. Der schließt sich einer Gruppe von Leuten an, die in ihrer Freizeit so tun, als seien sie geistig behindert. So wollen sie sich gegen die einengenden Zwänge der Gesellschaft wehren. Der Film wird für die Goldene Palme nominiert. Trotzdem: Der Poet in ihm will nicht verstummen.
"Und ich stand da in Cannes auf diesem roten Läufer und habe mir das blaue Mittelmeer angeschaut und gedacht: Das hier ist ja Wahnsinn. Ich kriege all diese Sachen hier gratis und ich will das nicht. Ich will deutsche Poesie schreiben. Und ich war eigentlich todunglücklich."
Er versucht, die Lücke in seinem Leben - das nicht geschriebene Buch - mit Champagner, Drogen und den teuersten Schuhen der Welt zu füllen. Aber vergebens. Der Alltag als Geld scheffelnder, berühmter Reklame-Mann macht ihn unzufrieden. Sein Leben fällt mehr und mehr auseinander.
"Ich wohnte, wie ich war: ein klinisch deprimierter, halb schizophrener Mensch, der in einem riesigen Müllhaufen wohnte. Das komische war, wenn ich auf Arbeit ging, hatte ich meinen schönen Anzug, meine teuren Schuhe, meine Rolex-Uhr und machte für eine halbe Milliarde Umsatz Werbekampagnen. Wenn ich nach Hause kam, saß und trank ich Wodka in einem Müllhaufen und weinte und war einfach kaputt."
Eine Reise nach New York und ein nicht zugedrehter Wasserhahn bringen die entscheidende Wendung. Knud Romer fliegt aus seiner Wohnung. In einer Zeitung macht er sich darüber lustig, dass seine Werbekunden Unsummen für schlechte Kampagnen ausgeben. Am Tag drauf ist er arbeitslos. Dann verlässt ihn seine Freundin.
"Nach einem Jahr stand ich auf der Straße und hatte alles verloren und guckte mir die Schuhe an. Die teuersten Schuhe der Welt. Und die waren völlig kaputt, und waren, was sie waren: Ein paar Schuhe auf einem heimatlosen Trinker. Und da hab ich dann meine Frau getroffen."
"Und die hat mich dann beim Kragen heraufgenommen und hat gesagt, Knud, jetzt tust du das, was du tun musst. Und wir haben eine kleine Wohnung gekriegt, und sie hat einen Job genommen, und ich habe angefangen zu schreiben."
Andrea Rebekka Alsted, eine kleine, zarte Frau mit dunklen, großen Augen und kurzen Haaren, ist seine Rettung. Knud Romer lernt die jüngere, erfolgreiche Violinistin in einer Bar kennen und lieben. Drei Jahre sitzt er an seinem Roman. Er schreibt die Geschichte seiner Familie nieder, vor allem die seiner Mutter. Als Verlobte eines ermordeten Widerstandskämpfers emigriert sie nach dem Zweiten Weltkrieg nach Dänemark, heiratet dort, und wird in ihrer Exilheimat als Nazi-Liebchen verhöhnt. Auch der kleine Knud, 1960 geboren, erfährt den Hass auf die Deutschen am eigenen Leib. Seine Mitschüler verprügeln ihn, beschimpfen ihn im Chor als "Deutsches Schwein".
"Die meinen das nicht so übel. Das ist ein Witz. Und man soll da nicht mehr draus machen. Nur, wenn du das dein ganzes Leben lang anhörst, Tag über Tag. Und du liebst deutsche Literatur und Musik, und du liebst halt deine Mutti. Und du musst dir das anhören. Dann irgendwann sagt man auch: Jetzt ist genug."
Das Buch wird ein Erfolg. 70.000 Mal geht es über den Ladentisch und gewinnt wichtige Literaturpreise. Sein Lebenstraum hat sich erfüllt. Und die Familiengeschichte geht weiter: Seit neun Monaten beschäftigt ihn seine Tochter Vienna. Seitdem wundert er sich immer wieder fassungslos und erfreut über seine Wandlung vom leeren, trinkenden Werbe-Mann zum bürgerlichen "deutschen Dichter" mit Frau und Kind.
Knud Romer kann es immer noch nicht fassen. Sein erster Roman kommt jetzt auch auf Deutsch heraus. Der schlanke 47-Jährige mit den scheinbar unabsichtlich verwuschelten blonden Haaren sitzt auf der Kante eines niedrigen leicht abgeschabten Plüsch-Sofas.
"Ich habe mein ganzes Leben gewartet, um jetzt ordentlich Poesie zu schreiben."
Sein ganzes Leben – oder: 43 Jahre. Dann fängt er sein erstes Buch an. Bis dahin hat er vor allem studiert. Literaturwissenschaft. Erst an seinem 35. Geburtstag begreift Knud Romer, dass er davon nicht leben kann.
"Ich wollte nicht mal Verfasser oder Dichter werden, ich wollte Poet werden. Und hättest du mich gefragt, wie ich hätte leben wollen, hätte ich wahrscheinlich aus dem Leben eines Taugenichts, hätte ich einfach gesagt: Och, ich denke mir so, ich werde die Straßen in Österreich herunterlaufen, mit meinem Ranzen auf der Schulter und werde Aquarelle malen und Gedichte schreiben. Und so dachte ich mir, könnte man leben. Das kann man nicht."
Romer wird Werbefachmann, arbeitet sich hoch zum Kreativ-Direktor einer der größten dänischen Agenturen, macht Reklame für Edel-Marken. Er gewinnt die wichtigsten Preise der Branche und genießt das glitzernde Leben an der Seite der Promis. Auf dem Höhepunkt seines Ruhms engagiert ihn sogar der dänische Kult-Regisseur Lars von Trier für seinen preisgekrönten Film "Idioten".
Knud Romer spielt den Werbe-Mann Axel. Der schließt sich einer Gruppe von Leuten an, die in ihrer Freizeit so tun, als seien sie geistig behindert. So wollen sie sich gegen die einengenden Zwänge der Gesellschaft wehren. Der Film wird für die Goldene Palme nominiert. Trotzdem: Der Poet in ihm will nicht verstummen.
"Und ich stand da in Cannes auf diesem roten Läufer und habe mir das blaue Mittelmeer angeschaut und gedacht: Das hier ist ja Wahnsinn. Ich kriege all diese Sachen hier gratis und ich will das nicht. Ich will deutsche Poesie schreiben. Und ich war eigentlich todunglücklich."
Er versucht, die Lücke in seinem Leben - das nicht geschriebene Buch - mit Champagner, Drogen und den teuersten Schuhen der Welt zu füllen. Aber vergebens. Der Alltag als Geld scheffelnder, berühmter Reklame-Mann macht ihn unzufrieden. Sein Leben fällt mehr und mehr auseinander.
"Ich wohnte, wie ich war: ein klinisch deprimierter, halb schizophrener Mensch, der in einem riesigen Müllhaufen wohnte. Das komische war, wenn ich auf Arbeit ging, hatte ich meinen schönen Anzug, meine teuren Schuhe, meine Rolex-Uhr und machte für eine halbe Milliarde Umsatz Werbekampagnen. Wenn ich nach Hause kam, saß und trank ich Wodka in einem Müllhaufen und weinte und war einfach kaputt."
Eine Reise nach New York und ein nicht zugedrehter Wasserhahn bringen die entscheidende Wendung. Knud Romer fliegt aus seiner Wohnung. In einer Zeitung macht er sich darüber lustig, dass seine Werbekunden Unsummen für schlechte Kampagnen ausgeben. Am Tag drauf ist er arbeitslos. Dann verlässt ihn seine Freundin.
"Nach einem Jahr stand ich auf der Straße und hatte alles verloren und guckte mir die Schuhe an. Die teuersten Schuhe der Welt. Und die waren völlig kaputt, und waren, was sie waren: Ein paar Schuhe auf einem heimatlosen Trinker. Und da hab ich dann meine Frau getroffen."
"Und die hat mich dann beim Kragen heraufgenommen und hat gesagt, Knud, jetzt tust du das, was du tun musst. Und wir haben eine kleine Wohnung gekriegt, und sie hat einen Job genommen, und ich habe angefangen zu schreiben."
Andrea Rebekka Alsted, eine kleine, zarte Frau mit dunklen, großen Augen und kurzen Haaren, ist seine Rettung. Knud Romer lernt die jüngere, erfolgreiche Violinistin in einer Bar kennen und lieben. Drei Jahre sitzt er an seinem Roman. Er schreibt die Geschichte seiner Familie nieder, vor allem die seiner Mutter. Als Verlobte eines ermordeten Widerstandskämpfers emigriert sie nach dem Zweiten Weltkrieg nach Dänemark, heiratet dort, und wird in ihrer Exilheimat als Nazi-Liebchen verhöhnt. Auch der kleine Knud, 1960 geboren, erfährt den Hass auf die Deutschen am eigenen Leib. Seine Mitschüler verprügeln ihn, beschimpfen ihn im Chor als "Deutsches Schwein".
"Die meinen das nicht so übel. Das ist ein Witz. Und man soll da nicht mehr draus machen. Nur, wenn du das dein ganzes Leben lang anhörst, Tag über Tag. Und du liebst deutsche Literatur und Musik, und du liebst halt deine Mutti. Und du musst dir das anhören. Dann irgendwann sagt man auch: Jetzt ist genug."
Das Buch wird ein Erfolg. 70.000 Mal geht es über den Ladentisch und gewinnt wichtige Literaturpreise. Sein Lebenstraum hat sich erfüllt. Und die Familiengeschichte geht weiter: Seit neun Monaten beschäftigt ihn seine Tochter Vienna. Seitdem wundert er sich immer wieder fassungslos und erfreut über seine Wandlung vom leeren, trinkenden Werbe-Mann zum bürgerlichen "deutschen Dichter" mit Frau und Kind.