"Es wird eine Reihe von neuen Maßnahmen geben"

Christian Schmidt im Gespräch mit Marcus Pindur · 08.10.2010
Christian Schmidt, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, hat eine bessere Betreuung der infolge von Auslandseinsätzen traumatisierten Soldaten angekündigt. "Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen", sagte der CSU-Politiker.
Marcus Pindur: Man sah Verteidigungsminister zu Guttenberg an, dass es ihm schwerfiel, gestern im Bundestag die schlechte Nachricht zu überbringen. Gestern am frühen Nachmittag ist ein weiterer deutscher Soldat in Afghanistan in der Provinz Baghlan ums Leben gekommen.

Sechs seiner Kameraden wurden verwundet, als ein Selbstmordattentäter sich in die Luft sprengte. Wir sind jetzt verbunden mit Christian Schmidt, Staatssekretär im Verteidigungsministerium. Guten Morgen, Herr Schmidt!

Christian Schmidt: Guten Morgen, Herr Pindur!

Pindur: Gestern war ja die Bundeswehr Thema im Bundestag, darüber wollen wir gleich auch noch sprechen, zunächst aber: Was können Sie uns über die näheren Umstände dieses Anschlages gestern sagen?

Schmidt: Soweit wir das bisher wissen – und es wird daran, das noch im Einzelnen aufzuklären sein –, ist ja eine deutsche Patrouille von einem Selbstmordattentäter angriffen worden, und dabei hat es Explosionen gegeben mit dem Sprengsatz, den er bei sich hatte. Und der hat dann auch die schlimmen Folgen gehabt, von denen Sie gesprochen haben.

Ein gefallener Soldat und nach bisherigem Stand sind es drei verwundete Kameraden. Die Tatsache, die noch dazu zu sagen ist, dass das allerdings kein Einzeltäter nach meiner Einschätzung war, denn es gab ein anschließendes Gefecht, in dem die Bundeswehr sich nicht gegen Selbstmordattentäter, sondern gegen leicht und mittel bewaffnete Aufständische, mit denen auseinandergesetzt hat, aber wohl dann sehr erfolgreich.

Pindur: Wir haben in Nachrichtenagenturen jetzt lesen können, dass die Verwundeten nicht in Lebensgefahr schweben – können Sie das bestätigen?

Schmidt: Da bitte ich um Verständnis, dass ich das im Einzelnen nicht bestätigen kann. Wir sind da gegenwärtig dabei, das sehr intensiv, auch die Einzelnen dann, ob sie verlegt werden müssen oder nicht, zu prüfen. Der Minister wird heute Vormittag dazu ausführlich Stellung nehmen.

Pindur: Die Taliban haben in der vergangenen Woche mehrere NATO-Konvois, meist mit Treibstofftanklastern, angegriffen, meist in Pakistan, und gleichzeitig hat die pakistanische Regierung einen Grenzübergang für den Nachschub der NATO gesperrt. Kommen unsere Truppen da jetzt demnächst in Nachschubschwierigkeiten?

Schmidt: Das ist keine substanzielle Nachschubgefahr, es ist eine Erschwerung, das ist wohl wahr, auch die Tatsache, dass die pakistanische Regierung die Route über den Khyber-Pass geschlossen hat, jedenfalls jetzt für den Augenblick und für die kommende Zeit, lässt zwar nicht die Gefahr aufkommen, dass wir nicht andere Wege zu Lande und in der Luft hätten, um die Versorgung sicherzustellen, aber es zeigt doch, dass es sehr gut ist, auf verschiedene Wege zu diversifizieren und sich nicht auf einen zu verlassen, wie das vor einigen Jahren noch der Fall war, als alles über den Khyber-Pass ging.

Pindur: Also die Nachschubwege verlaufen jetzt größtenteils über den Norden Afghanistans, aber da ist die Situation ja militärisch auch schwieriger geworden.

Schmidt: Sie mögen das eine oder andere an Anschlägen auch mit der Frage verbinden, dass man versucht, Nachschub zu unterbinden. Bisher haben wir noch keinen Angriff auf Nachschubkolonnen, die es in dieser Form so nicht gibt, aber auf den Nachschub im Norden gehabt, aber man muss natürlich sich bewusst sein, und wir sind uns dessen bewusst, dass das Hotspots-hochinteressante Punkte aus der Sicht von Insurgenten sind und dass deswegen besondere Vorsicht zu walten hat.

Pindur: Schwierig ist ja die Rolle der pakistanischen Regierung, auch sie setzt ihre besten Truppen nicht gegen die Taliban ein, sie hat sie an der Grenze zum Nachbarland Indien stationiert. Die Bekämpfung der Taliban wird immer nur scheibchenweise betrieben. Wenn man einen solchen Verbündeten jedes Mal zum Jagen tragen muss, was ist diese Kooperation wert, wie kann man da stärkeren Druck ausüben?

Schmidt: Also wir hatten eine ganze Reihe nun von doch Erfahrungen, guten Erfahrungen in der Zusammenarbeit – wenn ich wir sage, meine ich die internationale Gemeinschaft, hier insbesondere die USA – mit Pakistan. Ich darf Ihnen sagen, dass ich also diese Entscheidung, den Khyber-Pass jetzt vorläufig zu schließen, auch nicht als eine Abkehr der pakistanischen Regierung von der Zusammenarbeit her werte.

Man muss schon sagen, dass sich in den letzten zwei Jahren, seit der Notwendigkeit, das sogenannte Swat-Tal wieder zurückzugewinnen, das Aufständische hatten in Pakistan – die pakistanische Armee hat das erreicht –, sich schon eine klimatische Veränderung ergeben hat. Die pakistanische Armee konzentriert sich schon sehr darauf, sie kämpft allerdings natürlich auch im eigenen Land, verbunden mit den anderen Sicherheitskräften, damit nicht die Insurgenten mehr Raum kriegen. Deswegen würde ich ... Die jetzige Situation sehen wir eigentlich Pakistan sehr viel engagierter, als das noch vor einiger Zeit der Fall war.

Pindur: Herr Schmidt, zum Schluss noch eine kurze Frage zur Bundeswehr: Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst Kirsch, hat vor genau einer Woche hier bei uns im Deutschlandradio Kultur beklagt, die Soldaten würden bei psychischen Traumata nach einem Auslandseinsatz nur unzureichend betreut. Was will das Verteidigungsministerium dagegen tun?

Schmidt: Zwei Punkte: Das Erste, von der Bewertung, das ist eine neue, ganz schwierige und sehr ernst genommene Herausforderung. Ich darf Ihnen sagen, das ist bei uns auf allerhöchster Priorität. Es wird eine Reihe von neuen Maßnahmen geben in der Versorgung und vor allem in der medizinischen Betreuung. Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen, das heißt in der Betreuung von zum Teil lange später auftretenden Vorfällen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen, aber wir haben selbst im Hause jetzt eine entsprechende Vorsorge getroffen.

Mein Kollege Kossendey wird sich intensiv um diese Fragen ganz spezifisch auch kümmern, um direkte Ansprechpartner zu haben für die betroffenen Soldaten. Das Problem entsteht oft daraus, dass die Bürokratie lange Wege geht, und das kann man solchen Menschen nicht zumuten.

Pindur: Herr Schmidt, vielen Dank für das Gespräch!

Schmidt: Danke!

Pindur: Christian Schmidt, Staatssekretär im Verteidigungsministerium.