Es reicht nicht, Frau Schröder!

Von Andrea Lueg |
Familienminsterin Schröder feiert sich selbst: Ab 1. August sollen alle Kinder unter drei Jahren einen Kita-Platz bekommen. Damit ist aber noch lange keine gute Kinder-Betreuung gesichert, kommentiert Andrea Lueg. Und was bringt ein Kita-Platz, wenn er kilometerweit von der Wohnung entfernt ist?
Reicht doch, sagt nun Bundesfamilienministerin Kristina Schröder. Zum Stichtag "1. August" werden die Länder ausreichend Kita-Plätze für Kinder unter drei Jahren zur Verfügung stellen können. 30 000 mehr sogar, als veranschlagt. Der Rechtsanspruch wird also erfüllt.

Uns reicht’s schon lange, sagen dagegen Eltern kleiner Kinder, vor allem in westdeutschen Ballungsräumen. Denn die heute vorgelegten Zahlen bedeuten keineswegs, dass alle Eltern ab August auch einen Betreuungsplatz in Wohnungsnähe bekommen. Eine kleine Umfrage unter berufstätigen Eltern fördert rasch zutage, was man bei der Jagd nach einem Betreuungsplatz alles erleben kann. Wer sein Kind zwei Wochen nach der Geburt anmeldet, ist zum Beispiel schon verdammt spät dran. Wer sich eine Betreuung bis 18 Uhr wünscht, weil der Job nun mal bis 17.30 Uhr geht, hat utopische Vorstellungen. In Westdeutschland schließen fünfzig Prozent der Einrichtungen vor 16.30 Uhr.

Eine Art Bewerbungsmappe mit Foto und Lebenslauf der Eltern ist bei vielen Kitas in Großstädten üblich, manche verlangen auch ein Vorstellungsgespräch, in dem man dann beweisen muss, wie gut man in die Einrichtung passt. Das gilt übrigens nicht nur für Unter-Dreijährige. Für den älteren Nachwuchs ist die Lage zum Teil sogar durch den Rechtsanspruch für die Kleinen schlechter geworden. Denn zum Teil mussten Kitas die Gruppen der Älteren vergrößern, um Gruppen für die Kleinen schaffen zu können. Rechtsanspruch ist also schön und gut – reicht aber nicht.

Wer in Ostdeutschland lebt oder auf dem Lande im Westen hat diese Probleme nicht. Tatsache ist aber nun mal, dass ein Großteil qualifizierter Arbeit in den Städten angesiedelt ist und dass der Anteil Berufstätiger mit Kindern angesichts anhaltender Landflucht dort eher zunehmen wird. Das Thema ist also für die Ministerin mit dem 1. 8. alles andere als vom Tisch. Über die Qualität der Betreuung sagen die Zahlen zudem nichts. Eine Erzieherin kümmert sich in den neuen Bundesländern um sechs Kinder. In einer westdeutschen Einrichtung sind es 3,7 Kinder. Wünschenswert, so die Bertelsmann Stiftung wären drei. Es sind übrigens auch gar nicht immer qualifizierte Erzieherinnen oder Erzieher, die in Kitas arbeiten, sondern oft Hilfskräfte, denn im ganzen Land fehlen Erzieherinnen, 30.000 laut Arbeiterwohlfahrt.

Ministerin Schröder, so heißt es, rechne angesichts der Zahlen nicht mit einer Klagewelle wegen fehlender Kita-Plätze. Tja, herzlichen Glückwunsch. Wenn das schon ein Erfolg ist…

Ging es nicht mal darum, Frauen und Männern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern? Berufstätigen Eltern geht es weder um Schadensersatz noch um einen Rechtsanspruch, der die Lage nicht strukturell ändert, sondern um gute, zuverlässige und flexible Kinder-Betreuung in Wohnortnähe. In Großstädten ebenso wie auf dem Land. Es reicht also noch nicht, Frau Schröder!
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