Es rauscht im Walde
Der Wind der deutschen Einheit bläst manchmal recht heftig, jedenfalls im Nationalpark Harz. Der Wald soll zusammenwachsen, die Menschen auch, die Gesetzestexte ebenfalls, bleibt noch die Praxis. Letztere ist mitunter etwas unübersichtlich, sozusagen verwachsen.
Die Käfer werden im Ost- und im Westteil des geeinten Areals immerhin schon nach den gleichen Richtlinien behandelt, anderes noch nicht so richtig. Der die Axt im Ostteil anlegt, bekommt Ostlohn, der im Westteil aber Westlohn. Vielleicht liegt das an den Äxten. Nun, dies wissen nicht mal die Bäume, die - Sie ahnen es - im Westteil anders behandelt werden als im Ostteil. Ja, ist halt ein Experiment, der Nationalpark Harz. Und gegen die Natur, also seine eigene Natur, da kommt der Mensch halt schwer an.
"Auf die Berge will ich steigen,
Wo die dunklen Tannen ragen,
Bäche rauschen, Vögel singen,
Und die stolzen Wolken jagen."
Heinrich Heine. Die Harzreise
"Jetzt Nationalpark Harz. Seit dem 1.1.2006 sind wir ja fusioniert."
"Das ist auf alle Fälle erst Mal einzigartig. Denn wir sind ja der erste Länderübergreifende Nationalpark hier in Deutschland."
"Schwerwiegende Mentalitätsunterschiede?"
"Sehr schwierige Frage. Sehr schwierige Frage."
"Wir sind DIE Nationalparkverwaltung. So dass es da keine Unterschiede gibt: Kommt der jetzt aus Niedersachsen oder Sachsen-Anhalt."
Wenn es doch so einfach wäre! Ist es aber nicht. Hier im Harz, dem deutschesten aller deutschen Gebirge, von dem schon Goethe und Heine schwärmten.
Pusch: "Das ist alles nen bisschen schwierig."
Meint denn auch der Leiter des Nationalparks Harz, Andreas Pusch – ein spröder Mann mit grauen Haaren, dessen alte Jagdhündin ihn auf Schritt und Tritt begleitet. Pusch ist Wessi – und wenn man so will, fangen damit die Probleme schon an. Ein bisschen zumindest. Dass der 51-Jährige im rund 25.000 Hektar großen Wald-Nationalpark das Sagen hat – Pusch verdankt das nicht nur seiner Kompetenz, sondern auch dem Proporz. Sachsen-Anhalt bekam den zentralen Sitz in Wernigerode – so der Deal - Niedersachsen dafür den Zuschlag für den Chefsessel.
Der beliebte sachsen-anhaltische Park-Chef Peter Gaffert ging leer aus – und wurde kurzerhand in die Wüste geschickt. Kam schon mal nicht so gut an im Ostharz – nach dem Motto: Wenn das die Einheit soll sein?!
Seitdem sind über anderthalb Jahre ins Land gegangen – doch richtig zur Ruhe gekommen ist der Nationalpark nicht. Da moniert die "Mitteldeutsche Zeitung", der Park sei eine "abgeschottete Insel ohne Kontrolle"; beklagen sich Ost-Angestellte hinter vorgehaltener Hand, wichtige Entscheidungen würden im kleinen – sprich niedersächsischen – Kreis getroffen; haben gleich mehrere sachsen-anhaltische Mitarbeiter Mobbinganzeigen an das zuständige Umweltministerium in Magdeburg geschickt.
Pusch: "Es hätte mich auch sehr gewundert: Dass das Zusammenführen von insgesamt ungefähr 200 Mitarbeitern aus verschiedensten Fachdisziplinen völlig problemlos gegangen wäre. Das hätte mich ehrlich gesagt auch völlig überrascht. Da sind natürlich in einem so komplizierten Entwicklungsprozess immer wieder Schwierigkeiten zu überwinden gewesen; werden auch noch zu überwinden sein. Aber ich bin überzeugt, dass wir bei den meisten dieser Schwierigkeiten auf einem guten Weg sind."
Knolle: "Ich bin immer das rollende Informationsbüro."
Ganz unrecht hat er da nicht: Friedhart Knolle, der Pressesprecher des Nationalparks. Der Mann aus Goslar ist oft unterwegs; macht Werbung für den Park; treibt Sponsoren auf für Weiterbildungsprojekte. Knolle ist beliebt – in Ost und West. Ein Wessi, der schon zu DDR-Zeiten als Geologe oft auf der anderen Seite im Harz unterwegs war – und sich manchmal scherzeshalber einen "waschechten Wossi" nennt. Knolle weiß, wie sie ticken – dies- und jenseits der ehemaligen innerdeutschen Grenze.
"Es gibt die kulturellen Unterschiede. Es gibt im Osten doch noch häufiger dieses Runde-Tisch-Denken. Also, man hilft sich gegenseitig. Und wir Wessis sind doch eher so auf die Ellenbogen-Mentalität geprägt. Nich?! Mein Gott. Wir sind alle so geboren."
Das mit der Ellenbogenmentalität – das hat auch Ranger Steffen Elssecer festgestellt. Sagt er. Der gebürtige Dresdner betreut das "Haus der Natur" – das Infozentrum des Nationalparks in Bad Harzburg. Westen also. Vorher hat er in der alten niedersächsischen Nationalparkverwaltung in Oderhaus gearbeitet – nach seiner Umschulung vom Lokführer zum Forstwirt. Hauptsache einen halbwegs sicheren Job – ob Osten oder Westen – das war Elssecer egal. Ist es also Niedersachsen geworden. "Arbeitet sich eigentlich ganz gut hier" – meint er. Nur wohnen mag er nicht mehr in Bad Harzburg.
Elssecer: "Das Zusammensein ist anders. Deshalb bin ich auch wieder in den Osten gezogen. Weil der Zusammenhalt ganz anders ist. Das ist noch Shake-Hands. Untereinander. Kommen wir ganz anders klar. Das ist eben der Nachbar und Familie. Das ist hier nicht so gegeben."
"Der Brocken ist ein Deutscher.
Mit deutscher Gründlichkeit zeigt es uns, klar und deutlich,
wie ein Riesenpanorama, die vielen hundert Städte, Städtchen und Dörfer."
Kaste: ""Depressiv ist hier, glaube ich, keiner."
Könnte man aber durchaus werden – auf dem Brocken, dem "Kahlkopf mit der weißen Nebelkappe", wie es einmal Heinrich Heine formuliert hat. 306 Tage im Jahr Nebel, 230 Regentage – und auch jetzt im Sommer klettert das Quecksilber nur auf: 2,9 Grad. Tagsüber.
Günther Kaste macht das nichts aus. Im Gegenteil: Der Botaniker ist ganz in seinem Element. Im Nationalpark nennen sie ihn nur den "Brockengärtner." Kaste ist es zu verdanken, dass der traditionsreiche Brockengarten mit seinen exotischen Pflanzen heute wieder blüht und gedeiht, zu DDR-Zeiten war hier alles zubetoniert. Sperrgebiet!
So oft es geht, steigt der Wernigeroder mit seiner 13 Jahre alten Wachtelhündin rauf auf den Brocken – auch wenn er inzwischen längst zusätzliche Aufgaben übernommen hat - in der Zentrale.
Kaste kennt den Nationalpark in- und auswendig. Schon zu DDR-Zeiten hat er angefangen, damals, im September 1990, als der Arbeiter- und Bauernstaat dabei war, sich selbst abzuwickeln – und noch schnell ein paar Nationalparke wie der im Hochharz ins Leben gerufen wurden.
Die Fusion von seinem Nationalpark und dem vier Jahre jüngeren Pendant im Westharz zu einem Nationalpark: Kaste hat das begrüßt. Sagt er mit ernster Mine. Dass jetzt angeblich Grabenkämpfe die Fusion gefährden – Ost gegen West – davon will er nichts mitbekommen haben. So wie die meisten hier.
Kaste: "Ich hab auch unterschiedliche Ansichten zu den Kollegen, die also hier im Prinzip, ich weiß nicht seit wie viel Jahren hier im Osten mit mir zusammen wirken. Das würde ich jetzt nicht auf Ost-West fest machen. - Sondern? - Sondern?! Das ist eine gute Frage. Woraus ergeben sich Meinungsverschiedenheiten? Also sicherlich aus den Blickwinkeln. Also, ich sage mal: Wäre ich jetzt gelernter Förster, dann hätte ich sicherlich nen anderen Blickwinkel wie nen Pädagoge."
"Ein kleiner Junge, der für seinen kranken Oheim im Walde Reisig suchte, zeigte mir das Dorf.
Der kleine Junge stand mit den Bäumen in gar eigenem Einverständnis; er grüßte sie wie gute Bekannte,
und sie schienen rauschend seinen Gruß zu erwidern."
Möser: "Mein Name ist Sylke Möser. Ich leite den Fachbereich Vier im Nationalpark Harz. Das ist die Waldentwicklung in Sachsen-Anhalt."
Wenn es nach der Landesregierung in Magdeburg gegangen wäre, würde Sylke Möser heute die Abteilung Waldentwicklung des ganzen Nationalparks leiten. Tut sie aber nicht.
Proporztechnisch hätte das ganze durchaus Sinn gemacht: Schließlich sollten die Stellvertreter von Nationalparkchef Pusch, dem Wessi, aus dem Osten kommen. Doch die Niedersachsen schossen quer: Eine ostdeutsche Försterin an der Spitze der Waldentwicklung – das war offensichtlich zu viel für etliche Bürgermeister aus der Region, die mit einem offenen Brief gegen die Forstfrau mobil machten. Als dann auch noch die niedersächsische Landesregierung in Magdeburg per Fax intervenierte, ging erst mal gar nichts mehr; bis sich beide Lager auf die Kompromissformel einigten: Aus eins mach zwei. Nun gibt es also zwei Waldentwicklungsabteilungen: Eine für den Osten mit Möser an der Spitze, die andere für den Westen.
Zu dem Vorgang äußern will sich Möser nicht. Aber was soll die Frau, deren Urgroßvater schon bei der Harzer Schmalspurbahn gearbeitet hat – was soll sie auch sagen? Dass sie enttäuscht ist; sauer auf die Hannoveraner?! Dass sie sich das mit der Fusion auf "gleicher Augenhöhe" anders vorgestellt hat?! Dann doch lieber den Kompromiss verteidigen – nach dem Motto: Zwei unterschiedliche Entwicklungsabteilungen machen durchaus Sinn.
Möser: "Richtig ist – das ist tatsächlich ein Unterschied – die Entstehungsgeschichte. Dass bei uns hier Sperrgebiet war und hier richtig Schutzstreifen. Da durfte keiner rein. Und da war ab und an mit Ausnahmegenehmigungen...hat der Forstbetrieb dort gearbeitet. Ansonsten sind die Wälder weitgehend unberührt."
Hier im Hochharz. Besonders stolz sind Möser und Co auf ihren "Urwald" zu Fuße des Brockens – eine Art Märchenwald, wo sich der Nebel zwischen zerklüfteten Felsbrocken und Moosbehangenen Baumstämmen entlang schlängelt.
So etwas findet man im West-Harz eher selten. Dafür aber Ausflugslokale. Der Tourismus, sagt Mösers Kollege im Westen, Horst Hooge, war immer schon wichtig im Harz. Tourismus und Naturschutz unter einen Hut zu bekommen, sei dementsprechend auch eines der Ziele des Nationalparks.
Von "Zielen" reden sie so und so gerne im Nationalpark. In Ost und West. Die gemeinsame Linie bei der Bewirtschaftung des Waldes – das ist so eines dieser "Ziele". Bis zur Fusion haben die Niedersachsen den Waldumbau von der Fichtenmonokultur zum Buchenmischwald massiv forciert, in Sachsen-Anhalt dagegen haben sie auf einen langsameren Umbau des Waldes gesetzt. Jetzt, erklärt Hooge, von dem es heißt, er habe einen guten Draht zu Pusch, seinem alten Studienkollegen – jetzt habe man sich angeglichen: Etwas mehr Waldumbau im Osten, etwas weniger im Westen. Weil: Man sei jetzt ja eine Familie.
Hooge: "Das entscheidende ist: Der Nationalpark ist das Elternhaus. Und zwar der ganze Nationalpark. Und das Elternhaus, so wie Eltern auch, sollen immer mit einer gleichen Stimme sprechen. Die Linien und Konzeptionen sind klar: Das ist im Elternhaus oder im Nationalpark gleich. Und im Einzelfall kann es natürlich aufgrund von unterschiedlichen Gegebenheiten, aber nicht zwischen uns, sondern aufgrund des Standorts unterschiedliche Gegebenheiten geben."
"Der Berg hat auch so etwas Deutschruhiges, Verständiges, Tolerantes.
Eben weil der die Dinge so weit und klar überschauen kann.
Und wenn solche ein Berg seine Riesenaugen öffnet, mag er wohl noch etwas mehr sehen, als wir Zwerge, die wir mit unsern blöden Äuglein auf ihm herumklettern."
Knolle: "Wir stehen auf der Mauer der Eckertalsperre. Und es ist ein historisches Unikum, dass diese Eckertalsperre in der Mitte geteilt war durch die deutsch-deutsche Grenze."
Pusch: "Wir sind als Grundschüler schon an die damalige Grenze gewandert. Ja! Mit so einem bisschen Schaurigkeit und Sensationslust dann die Grenzanlagen uns angesehen. Das war so zu sagen das Ende der Welt."
Ein bisschen hat die Eckertalsperre immer noch etwas vom Ende der Welt. Auch im Jahr siebzehn nach der Einheit. Jedenfalls, wenn es regnet und stürmt. Und das tut es häufig hier. Dann verwandelt sich der Stausee in eine wabernde graue Masse; wiegen sich die Fichten und Buchen im Wind, dass einem Angst und Bange werden kann; nimmt der 1140 Meter hohe Brocken hinter einer dicken Nebelwand Deckung.
"Allerliebst schossen die goldenen Sonnenlichter durch das dichte Tannengrün.
Überall schwellende Moosbänke. Liebliche Kühle und träumerisches Quellengemurmel.
Hier und da sieht man, wie das Wasser unter den Steinen silberhell hinrieselt und die nackten Baumwurzeln und Fasern bespült."
Die Wende: Für den Hochharz kam sie wie gerufen. Der Brocken: Endlich kein Hochsicherheitsgebiet mehr, befreit von Horchanlagen und Kasernen, wo den sowjetischen Soldaten bei orkanartigen Stürmen schon mal das Dach über dem Kopf wegflog; mittelalterliche Städte wie Wernigerode und Ilsenburg: Endlich vor dem Verfall bewahrt.
Knolle: "Manchmal sagen mir auch Touristen: Herr Knolle, bin ich jetzt im Westen? Also, ungelogen. Ich habe diese Frage in den letzten Monaten mehrfach bekommen: Bin ich jetzt eigentlich im Westen oder im Osten? Ziemlich blöde Frage. Und ich frage dann: Warum sind sie so unsicher? Weil hier sind so schlechte Straßen. Und da bin ich bestimmt im Osten. Und in zwei von den drei Fällen, wo die Bürger mich gefragt haben, war’s der Westen."
"In der Wirtsstube fand ich lauter Leben und Bewegung.
Studenten von verschiedenen Universitäten...erhalten Brockensträuße von den Hausmädchen:
Da wird in die Wangen gekniffen, gesungen, gesprungen, gejohlt.
Einige der Abgehenden sind auch etwas angesoffen, und diese haben von der schönen Aussicht einen doppelten Genuss."
Papris: "Es gibt sonne Böcke und es gibt sonne Böcke. Es gibt solche und solche. Hüben wir drüben."
Auftritt:
Papris: "Herbert Papris. Ich bin einer der Nationalpark-Ranger. Ja, jetzt auf das Thema Ost-West angesprochen. Ich habe da überhaupt keine Probleme mit. Ich kenne zum Großteil meine Berufskollegen von der niedersächsischen Seite. Wir arbeiten zusammen, wir grüßen uns, wir machen unsere Pläusche zusammen."
Miteinander plaudern sollten vielleicht auch mal die zwei obersten Dienstherren der Nationalparkbehörde. Sind sich nämlich nicht ganz grün – die beiden. Das jedenfalls kann man einem Briefwechsel entnehmen, der seinen Weg ans Schwarze Brett der Nationalparkbehörde in Wernigerode fand. Da erklärt Umwelt-Staatssekretär Eberl – West - als Dienstvorgesetzter der niedersächsischen Beamten:
"Vorwürfe, die niedersächsischen Führungskräfte seien an Mobbing-relevanten Vorfällen beteiligt gewesen, entbehren jeglicher Grundlage."
Was den Magdeburger Staatssekretär Aeikens – Ost - dazu animiert, festzustellen:
"Pauschale Verurteilungen und ebenso pauschale Freisprüche von Bediensteten eines Bundeslandes erscheinen mir derzeit wenig hilfreich."
Dass Eberl
"einseitig als Vorgesetzter der niedersächsischen Beamten"
ein Schreiben an Nationalparkchef Pusch geschickt habe, nimmt Aeikens
"mit Befremden zur Kenntnis."
Befremdlich finden auch einige Ostangestellte des Nationalparks, dass sie für die gleiche Arbeit nur 92 Prozent des Gehalts ihrer West-Kollegen bekommen. Ein Aufregerthema – auch wenn das in der Nationalparkbehörde keiner so recht zugeben will. Hüben wie drüben. Da klappt sie dann auf einmal doch: Die Einheit.
Möser: "Na ja, das ist ähnlich wie damals mit der Grenze. Also, das ist nen Fakt, den wir nicht beeinflussen können. Das muss wo anders geklärt werden. Und deshalb hat das auf unsere Arbeit hier keinen Einfluss. Ich liebe ja meine Arbeit mit dem Wald. Also, das mach ich trotzdem. Das mach ich nicht zu 92 Prozent, sondern zu hundert."
Erklärt Sylke Möser. Alles kein Problem! Die unterschiedlichen Gehälter ebenso wenig wie die in der Presse lancierten Kommunikationsstörungen und die "angeblichen inhaltlichen Differenzen zwischen Ost und West. Reine Interpretationssache. Viel lieber spricht die Forstfrau von einer "positiven Streitkultur."
"Positive Streitkultur" – das gefällt auch Mösers Kollegen aus dem Westen. Denn eigentlich, meint Horst Hooge, seien sie auf ihrem Marsch in die Einheitlichkeit schon viel weiter vorangekommen, als von außen immer dargestellt.
Außen – das sind die Medien; die Kritiker; die Neider.
Hoge: "Selbstverständlich sind von außen natürlich vielleicht auch gewisse Neideffekte oder Störungen auf uns eingetragen worden. Und dieses eigentlich in Deutschland einzigartige Nationalpark-Projekt, aber auch Projekt zweier Länder...dieses in gewisser Weise...ich will jetzt nicht sagen...zu zerreden. Aber auf die Probe zu stellen. Vielleicht ist es auch ne deutsche Mentalität. Nach dem Motto: Wir reden manche Dinge schlecht, die gar nicht schlecht sind."
Pusch: "Ich halte diesen viel zitierten Ost-West-Konflikt nicht für den Knackpunkt. Und nicht für das zentrale Thema. Ich glaube schon, da sind wir zum Glück schon drüber weg. Es blieb natürlich die schwierige Aufgabe, sehr vielfältige, einzelne Fachmeinungen auszutauschen; auf den Tisch zu legen; zu diskutieren. Und dann eine gemeinsame Mixtur daraus zu machen. Die nicht als fauler Kompromiss gelten darf, sondern die ein gut gemeinter Kompromiss im Sinne der besten Lösung ist – eines breiten Konsenses, der von den Mitarbeiten im gesamten Park mitgetragen werden kann."
Konsens; Kompromiss; Kommunikation: Wenn man Nationalparkchef Pusch so reden hört, muss man sich eigentlich wundern, warum es die Briefe gibt; die Mobbingvorwürfe. Aber vielleicht ist das alles auch ein bißchen viel verlangt: Dass zwei ziemlich unterschiedliche Gebilde – mit unterschiedlichen Traditionen und Selbstverständnissen – mal eben so aus dem Stand eine Bilderbuch-Ehe eingehen.
"Und draußen brauste es, als ob der alten Berg mitsänge,
und einige schwankende Freunde behaupteten sogar, er schüttle freudig sein kahles Haupt.
Die Flaschen wurden leerer und die Köpfe voller.
Der eine brüllte, der andere...stellte sich auf den Stuhl und dozierte:
"Meine Herren! Die Erde ist eine runde Walze."
Hoge: "Man muss Nehmerqualitäten manchmal haben. Dieser Begriff aus dem Boxen. Diese Nehmerqualitäten müssen wir hier, glaube ich, im Nationalpark auch haben."
Nehmerqualitäten muss auch Nationalparkchef Pusch haben. Pusch und seine Stellvertreter müssen nämlich nachsitzen in Sachen Personalführung – und ein Seminar zur "Mitarbeiterführung" belegen. Wollen sie so in Magdeburg. Zudem sollen zwei Mediatoren den zerstrittenen Forstleuten auf die Sprünge helfen.
"Sollen sie ruhig." Andreas Pusch schaut zu seiner Jagdhündin rüber, die leise schnaufend im Korb vor sich hin döst. Werden sie auch noch durchstehen.
Pusch: "Wenn sie eine Fusion machen mit so vielen Mitarbeitern – dann kommt es zu Geburtswehen. Aber sie wissen von der Natur auch: Die Geburtswehen lassen nach. Und dann entwickelt sich so ein Sprössling. Und er entwickelt sich in der Regel gut."
"Das ist schön bei uns Deutschen:
Keiner ist so verrückt, dass er nicht einen noch Verrückteren fände, der ihn versteht."
"Auf die Berge will ich steigen,
Wo die dunklen Tannen ragen,
Bäche rauschen, Vögel singen,
Und die stolzen Wolken jagen."
Heinrich Heine. Die Harzreise
"Jetzt Nationalpark Harz. Seit dem 1.1.2006 sind wir ja fusioniert."
"Das ist auf alle Fälle erst Mal einzigartig. Denn wir sind ja der erste Länderübergreifende Nationalpark hier in Deutschland."
"Schwerwiegende Mentalitätsunterschiede?"
"Sehr schwierige Frage. Sehr schwierige Frage."
"Wir sind DIE Nationalparkverwaltung. So dass es da keine Unterschiede gibt: Kommt der jetzt aus Niedersachsen oder Sachsen-Anhalt."
Wenn es doch so einfach wäre! Ist es aber nicht. Hier im Harz, dem deutschesten aller deutschen Gebirge, von dem schon Goethe und Heine schwärmten.
Pusch: "Das ist alles nen bisschen schwierig."
Meint denn auch der Leiter des Nationalparks Harz, Andreas Pusch – ein spröder Mann mit grauen Haaren, dessen alte Jagdhündin ihn auf Schritt und Tritt begleitet. Pusch ist Wessi – und wenn man so will, fangen damit die Probleme schon an. Ein bisschen zumindest. Dass der 51-Jährige im rund 25.000 Hektar großen Wald-Nationalpark das Sagen hat – Pusch verdankt das nicht nur seiner Kompetenz, sondern auch dem Proporz. Sachsen-Anhalt bekam den zentralen Sitz in Wernigerode – so der Deal - Niedersachsen dafür den Zuschlag für den Chefsessel.
Der beliebte sachsen-anhaltische Park-Chef Peter Gaffert ging leer aus – und wurde kurzerhand in die Wüste geschickt. Kam schon mal nicht so gut an im Ostharz – nach dem Motto: Wenn das die Einheit soll sein?!
Seitdem sind über anderthalb Jahre ins Land gegangen – doch richtig zur Ruhe gekommen ist der Nationalpark nicht. Da moniert die "Mitteldeutsche Zeitung", der Park sei eine "abgeschottete Insel ohne Kontrolle"; beklagen sich Ost-Angestellte hinter vorgehaltener Hand, wichtige Entscheidungen würden im kleinen – sprich niedersächsischen – Kreis getroffen; haben gleich mehrere sachsen-anhaltische Mitarbeiter Mobbinganzeigen an das zuständige Umweltministerium in Magdeburg geschickt.
Pusch: "Es hätte mich auch sehr gewundert: Dass das Zusammenführen von insgesamt ungefähr 200 Mitarbeitern aus verschiedensten Fachdisziplinen völlig problemlos gegangen wäre. Das hätte mich ehrlich gesagt auch völlig überrascht. Da sind natürlich in einem so komplizierten Entwicklungsprozess immer wieder Schwierigkeiten zu überwinden gewesen; werden auch noch zu überwinden sein. Aber ich bin überzeugt, dass wir bei den meisten dieser Schwierigkeiten auf einem guten Weg sind."
Knolle: "Ich bin immer das rollende Informationsbüro."
Ganz unrecht hat er da nicht: Friedhart Knolle, der Pressesprecher des Nationalparks. Der Mann aus Goslar ist oft unterwegs; macht Werbung für den Park; treibt Sponsoren auf für Weiterbildungsprojekte. Knolle ist beliebt – in Ost und West. Ein Wessi, der schon zu DDR-Zeiten als Geologe oft auf der anderen Seite im Harz unterwegs war – und sich manchmal scherzeshalber einen "waschechten Wossi" nennt. Knolle weiß, wie sie ticken – dies- und jenseits der ehemaligen innerdeutschen Grenze.
"Es gibt die kulturellen Unterschiede. Es gibt im Osten doch noch häufiger dieses Runde-Tisch-Denken. Also, man hilft sich gegenseitig. Und wir Wessis sind doch eher so auf die Ellenbogen-Mentalität geprägt. Nich?! Mein Gott. Wir sind alle so geboren."
Das mit der Ellenbogenmentalität – das hat auch Ranger Steffen Elssecer festgestellt. Sagt er. Der gebürtige Dresdner betreut das "Haus der Natur" – das Infozentrum des Nationalparks in Bad Harzburg. Westen also. Vorher hat er in der alten niedersächsischen Nationalparkverwaltung in Oderhaus gearbeitet – nach seiner Umschulung vom Lokführer zum Forstwirt. Hauptsache einen halbwegs sicheren Job – ob Osten oder Westen – das war Elssecer egal. Ist es also Niedersachsen geworden. "Arbeitet sich eigentlich ganz gut hier" – meint er. Nur wohnen mag er nicht mehr in Bad Harzburg.
Elssecer: "Das Zusammensein ist anders. Deshalb bin ich auch wieder in den Osten gezogen. Weil der Zusammenhalt ganz anders ist. Das ist noch Shake-Hands. Untereinander. Kommen wir ganz anders klar. Das ist eben der Nachbar und Familie. Das ist hier nicht so gegeben."
"Der Brocken ist ein Deutscher.
Mit deutscher Gründlichkeit zeigt es uns, klar und deutlich,
wie ein Riesenpanorama, die vielen hundert Städte, Städtchen und Dörfer."
Kaste: ""Depressiv ist hier, glaube ich, keiner."
Könnte man aber durchaus werden – auf dem Brocken, dem "Kahlkopf mit der weißen Nebelkappe", wie es einmal Heinrich Heine formuliert hat. 306 Tage im Jahr Nebel, 230 Regentage – und auch jetzt im Sommer klettert das Quecksilber nur auf: 2,9 Grad. Tagsüber.
Günther Kaste macht das nichts aus. Im Gegenteil: Der Botaniker ist ganz in seinem Element. Im Nationalpark nennen sie ihn nur den "Brockengärtner." Kaste ist es zu verdanken, dass der traditionsreiche Brockengarten mit seinen exotischen Pflanzen heute wieder blüht und gedeiht, zu DDR-Zeiten war hier alles zubetoniert. Sperrgebiet!
So oft es geht, steigt der Wernigeroder mit seiner 13 Jahre alten Wachtelhündin rauf auf den Brocken – auch wenn er inzwischen längst zusätzliche Aufgaben übernommen hat - in der Zentrale.
Kaste kennt den Nationalpark in- und auswendig. Schon zu DDR-Zeiten hat er angefangen, damals, im September 1990, als der Arbeiter- und Bauernstaat dabei war, sich selbst abzuwickeln – und noch schnell ein paar Nationalparke wie der im Hochharz ins Leben gerufen wurden.
Die Fusion von seinem Nationalpark und dem vier Jahre jüngeren Pendant im Westharz zu einem Nationalpark: Kaste hat das begrüßt. Sagt er mit ernster Mine. Dass jetzt angeblich Grabenkämpfe die Fusion gefährden – Ost gegen West – davon will er nichts mitbekommen haben. So wie die meisten hier.
Kaste: "Ich hab auch unterschiedliche Ansichten zu den Kollegen, die also hier im Prinzip, ich weiß nicht seit wie viel Jahren hier im Osten mit mir zusammen wirken. Das würde ich jetzt nicht auf Ost-West fest machen. - Sondern? - Sondern?! Das ist eine gute Frage. Woraus ergeben sich Meinungsverschiedenheiten? Also sicherlich aus den Blickwinkeln. Also, ich sage mal: Wäre ich jetzt gelernter Förster, dann hätte ich sicherlich nen anderen Blickwinkel wie nen Pädagoge."
"Ein kleiner Junge, der für seinen kranken Oheim im Walde Reisig suchte, zeigte mir das Dorf.
Der kleine Junge stand mit den Bäumen in gar eigenem Einverständnis; er grüßte sie wie gute Bekannte,
und sie schienen rauschend seinen Gruß zu erwidern."
Möser: "Mein Name ist Sylke Möser. Ich leite den Fachbereich Vier im Nationalpark Harz. Das ist die Waldentwicklung in Sachsen-Anhalt."
Wenn es nach der Landesregierung in Magdeburg gegangen wäre, würde Sylke Möser heute die Abteilung Waldentwicklung des ganzen Nationalparks leiten. Tut sie aber nicht.
Proporztechnisch hätte das ganze durchaus Sinn gemacht: Schließlich sollten die Stellvertreter von Nationalparkchef Pusch, dem Wessi, aus dem Osten kommen. Doch die Niedersachsen schossen quer: Eine ostdeutsche Försterin an der Spitze der Waldentwicklung – das war offensichtlich zu viel für etliche Bürgermeister aus der Region, die mit einem offenen Brief gegen die Forstfrau mobil machten. Als dann auch noch die niedersächsische Landesregierung in Magdeburg per Fax intervenierte, ging erst mal gar nichts mehr; bis sich beide Lager auf die Kompromissformel einigten: Aus eins mach zwei. Nun gibt es also zwei Waldentwicklungsabteilungen: Eine für den Osten mit Möser an der Spitze, die andere für den Westen.
Zu dem Vorgang äußern will sich Möser nicht. Aber was soll die Frau, deren Urgroßvater schon bei der Harzer Schmalspurbahn gearbeitet hat – was soll sie auch sagen? Dass sie enttäuscht ist; sauer auf die Hannoveraner?! Dass sie sich das mit der Fusion auf "gleicher Augenhöhe" anders vorgestellt hat?! Dann doch lieber den Kompromiss verteidigen – nach dem Motto: Zwei unterschiedliche Entwicklungsabteilungen machen durchaus Sinn.
Möser: "Richtig ist – das ist tatsächlich ein Unterschied – die Entstehungsgeschichte. Dass bei uns hier Sperrgebiet war und hier richtig Schutzstreifen. Da durfte keiner rein. Und da war ab und an mit Ausnahmegenehmigungen...hat der Forstbetrieb dort gearbeitet. Ansonsten sind die Wälder weitgehend unberührt."
Hier im Hochharz. Besonders stolz sind Möser und Co auf ihren "Urwald" zu Fuße des Brockens – eine Art Märchenwald, wo sich der Nebel zwischen zerklüfteten Felsbrocken und Moosbehangenen Baumstämmen entlang schlängelt.
So etwas findet man im West-Harz eher selten. Dafür aber Ausflugslokale. Der Tourismus, sagt Mösers Kollege im Westen, Horst Hooge, war immer schon wichtig im Harz. Tourismus und Naturschutz unter einen Hut zu bekommen, sei dementsprechend auch eines der Ziele des Nationalparks.
Von "Zielen" reden sie so und so gerne im Nationalpark. In Ost und West. Die gemeinsame Linie bei der Bewirtschaftung des Waldes – das ist so eines dieser "Ziele". Bis zur Fusion haben die Niedersachsen den Waldumbau von der Fichtenmonokultur zum Buchenmischwald massiv forciert, in Sachsen-Anhalt dagegen haben sie auf einen langsameren Umbau des Waldes gesetzt. Jetzt, erklärt Hooge, von dem es heißt, er habe einen guten Draht zu Pusch, seinem alten Studienkollegen – jetzt habe man sich angeglichen: Etwas mehr Waldumbau im Osten, etwas weniger im Westen. Weil: Man sei jetzt ja eine Familie.
Hooge: "Das entscheidende ist: Der Nationalpark ist das Elternhaus. Und zwar der ganze Nationalpark. Und das Elternhaus, so wie Eltern auch, sollen immer mit einer gleichen Stimme sprechen. Die Linien und Konzeptionen sind klar: Das ist im Elternhaus oder im Nationalpark gleich. Und im Einzelfall kann es natürlich aufgrund von unterschiedlichen Gegebenheiten, aber nicht zwischen uns, sondern aufgrund des Standorts unterschiedliche Gegebenheiten geben."
"Der Berg hat auch so etwas Deutschruhiges, Verständiges, Tolerantes.
Eben weil der die Dinge so weit und klar überschauen kann.
Und wenn solche ein Berg seine Riesenaugen öffnet, mag er wohl noch etwas mehr sehen, als wir Zwerge, die wir mit unsern blöden Äuglein auf ihm herumklettern."
Knolle: "Wir stehen auf der Mauer der Eckertalsperre. Und es ist ein historisches Unikum, dass diese Eckertalsperre in der Mitte geteilt war durch die deutsch-deutsche Grenze."
Pusch: "Wir sind als Grundschüler schon an die damalige Grenze gewandert. Ja! Mit so einem bisschen Schaurigkeit und Sensationslust dann die Grenzanlagen uns angesehen. Das war so zu sagen das Ende der Welt."
Ein bisschen hat die Eckertalsperre immer noch etwas vom Ende der Welt. Auch im Jahr siebzehn nach der Einheit. Jedenfalls, wenn es regnet und stürmt. Und das tut es häufig hier. Dann verwandelt sich der Stausee in eine wabernde graue Masse; wiegen sich die Fichten und Buchen im Wind, dass einem Angst und Bange werden kann; nimmt der 1140 Meter hohe Brocken hinter einer dicken Nebelwand Deckung.
"Allerliebst schossen die goldenen Sonnenlichter durch das dichte Tannengrün.
Überall schwellende Moosbänke. Liebliche Kühle und träumerisches Quellengemurmel.
Hier und da sieht man, wie das Wasser unter den Steinen silberhell hinrieselt und die nackten Baumwurzeln und Fasern bespült."
Die Wende: Für den Hochharz kam sie wie gerufen. Der Brocken: Endlich kein Hochsicherheitsgebiet mehr, befreit von Horchanlagen und Kasernen, wo den sowjetischen Soldaten bei orkanartigen Stürmen schon mal das Dach über dem Kopf wegflog; mittelalterliche Städte wie Wernigerode und Ilsenburg: Endlich vor dem Verfall bewahrt.
Knolle: "Manchmal sagen mir auch Touristen: Herr Knolle, bin ich jetzt im Westen? Also, ungelogen. Ich habe diese Frage in den letzten Monaten mehrfach bekommen: Bin ich jetzt eigentlich im Westen oder im Osten? Ziemlich blöde Frage. Und ich frage dann: Warum sind sie so unsicher? Weil hier sind so schlechte Straßen. Und da bin ich bestimmt im Osten. Und in zwei von den drei Fällen, wo die Bürger mich gefragt haben, war’s der Westen."
"In der Wirtsstube fand ich lauter Leben und Bewegung.
Studenten von verschiedenen Universitäten...erhalten Brockensträuße von den Hausmädchen:
Da wird in die Wangen gekniffen, gesungen, gesprungen, gejohlt.
Einige der Abgehenden sind auch etwas angesoffen, und diese haben von der schönen Aussicht einen doppelten Genuss."
Papris: "Es gibt sonne Böcke und es gibt sonne Böcke. Es gibt solche und solche. Hüben wir drüben."
Auftritt:
Papris: "Herbert Papris. Ich bin einer der Nationalpark-Ranger. Ja, jetzt auf das Thema Ost-West angesprochen. Ich habe da überhaupt keine Probleme mit. Ich kenne zum Großteil meine Berufskollegen von der niedersächsischen Seite. Wir arbeiten zusammen, wir grüßen uns, wir machen unsere Pläusche zusammen."
Miteinander plaudern sollten vielleicht auch mal die zwei obersten Dienstherren der Nationalparkbehörde. Sind sich nämlich nicht ganz grün – die beiden. Das jedenfalls kann man einem Briefwechsel entnehmen, der seinen Weg ans Schwarze Brett der Nationalparkbehörde in Wernigerode fand. Da erklärt Umwelt-Staatssekretär Eberl – West - als Dienstvorgesetzter der niedersächsischen Beamten:
"Vorwürfe, die niedersächsischen Führungskräfte seien an Mobbing-relevanten Vorfällen beteiligt gewesen, entbehren jeglicher Grundlage."
Was den Magdeburger Staatssekretär Aeikens – Ost - dazu animiert, festzustellen:
"Pauschale Verurteilungen und ebenso pauschale Freisprüche von Bediensteten eines Bundeslandes erscheinen mir derzeit wenig hilfreich."
Dass Eberl
"einseitig als Vorgesetzter der niedersächsischen Beamten"
ein Schreiben an Nationalparkchef Pusch geschickt habe, nimmt Aeikens
"mit Befremden zur Kenntnis."
Befremdlich finden auch einige Ostangestellte des Nationalparks, dass sie für die gleiche Arbeit nur 92 Prozent des Gehalts ihrer West-Kollegen bekommen. Ein Aufregerthema – auch wenn das in der Nationalparkbehörde keiner so recht zugeben will. Hüben wie drüben. Da klappt sie dann auf einmal doch: Die Einheit.
Möser: "Na ja, das ist ähnlich wie damals mit der Grenze. Also, das ist nen Fakt, den wir nicht beeinflussen können. Das muss wo anders geklärt werden. Und deshalb hat das auf unsere Arbeit hier keinen Einfluss. Ich liebe ja meine Arbeit mit dem Wald. Also, das mach ich trotzdem. Das mach ich nicht zu 92 Prozent, sondern zu hundert."
Erklärt Sylke Möser. Alles kein Problem! Die unterschiedlichen Gehälter ebenso wenig wie die in der Presse lancierten Kommunikationsstörungen und die "angeblichen inhaltlichen Differenzen zwischen Ost und West. Reine Interpretationssache. Viel lieber spricht die Forstfrau von einer "positiven Streitkultur."
"Positive Streitkultur" – das gefällt auch Mösers Kollegen aus dem Westen. Denn eigentlich, meint Horst Hooge, seien sie auf ihrem Marsch in die Einheitlichkeit schon viel weiter vorangekommen, als von außen immer dargestellt.
Außen – das sind die Medien; die Kritiker; die Neider.
Hoge: "Selbstverständlich sind von außen natürlich vielleicht auch gewisse Neideffekte oder Störungen auf uns eingetragen worden. Und dieses eigentlich in Deutschland einzigartige Nationalpark-Projekt, aber auch Projekt zweier Länder...dieses in gewisser Weise...ich will jetzt nicht sagen...zu zerreden. Aber auf die Probe zu stellen. Vielleicht ist es auch ne deutsche Mentalität. Nach dem Motto: Wir reden manche Dinge schlecht, die gar nicht schlecht sind."
Pusch: "Ich halte diesen viel zitierten Ost-West-Konflikt nicht für den Knackpunkt. Und nicht für das zentrale Thema. Ich glaube schon, da sind wir zum Glück schon drüber weg. Es blieb natürlich die schwierige Aufgabe, sehr vielfältige, einzelne Fachmeinungen auszutauschen; auf den Tisch zu legen; zu diskutieren. Und dann eine gemeinsame Mixtur daraus zu machen. Die nicht als fauler Kompromiss gelten darf, sondern die ein gut gemeinter Kompromiss im Sinne der besten Lösung ist – eines breiten Konsenses, der von den Mitarbeiten im gesamten Park mitgetragen werden kann."
Konsens; Kompromiss; Kommunikation: Wenn man Nationalparkchef Pusch so reden hört, muss man sich eigentlich wundern, warum es die Briefe gibt; die Mobbingvorwürfe. Aber vielleicht ist das alles auch ein bißchen viel verlangt: Dass zwei ziemlich unterschiedliche Gebilde – mit unterschiedlichen Traditionen und Selbstverständnissen – mal eben so aus dem Stand eine Bilderbuch-Ehe eingehen.
"Und draußen brauste es, als ob der alten Berg mitsänge,
und einige schwankende Freunde behaupteten sogar, er schüttle freudig sein kahles Haupt.
Die Flaschen wurden leerer und die Köpfe voller.
Der eine brüllte, der andere...stellte sich auf den Stuhl und dozierte:
"Meine Herren! Die Erde ist eine runde Walze."
Hoge: "Man muss Nehmerqualitäten manchmal haben. Dieser Begriff aus dem Boxen. Diese Nehmerqualitäten müssen wir hier, glaube ich, im Nationalpark auch haben."
Nehmerqualitäten muss auch Nationalparkchef Pusch haben. Pusch und seine Stellvertreter müssen nämlich nachsitzen in Sachen Personalführung – und ein Seminar zur "Mitarbeiterführung" belegen. Wollen sie so in Magdeburg. Zudem sollen zwei Mediatoren den zerstrittenen Forstleuten auf die Sprünge helfen.
"Sollen sie ruhig." Andreas Pusch schaut zu seiner Jagdhündin rüber, die leise schnaufend im Korb vor sich hin döst. Werden sie auch noch durchstehen.
Pusch: "Wenn sie eine Fusion machen mit so vielen Mitarbeitern – dann kommt es zu Geburtswehen. Aber sie wissen von der Natur auch: Die Geburtswehen lassen nach. Und dann entwickelt sich so ein Sprössling. Und er entwickelt sich in der Regel gut."
"Das ist schön bei uns Deutschen:
Keiner ist so verrückt, dass er nicht einen noch Verrückteren fände, der ihn versteht."